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  • 12haf

572 Beiträge seit 24.01.2002

Heuchelei und Dummheit

Landwirtschaftliche Nebenerwerbs- und Kleinbetriebe sollten unsere volle Solidarität erfahren, denn diese werden von den eigenen Bauernverbänden seit Jahren, durch einen Lobbyismus der vorrangig große Agrarfabriken bevorteilt, verraten und verkauft.
Subventionen für die Landwirtschaft dürfen nicht mehr an Flächengröße gebunden werden und müssen gerade auf kleine Höfe, die immer eine geringere Wirtschaftlichkeit aufweisen, fokussiert werden, wenn man kleinbäuerliche Strukturen und nicht nur Agrarfabriken erhalten möchte.

Man konnte es ahnen, nun kommt das ABER. In den Threads zu den Bauernprotesten kann man sehr häufig folgendes lesen: "Die Bauern werden an den Pranger gestellt, weil sie sich auflehnen."
Dafür werden sie eigentlich nicht an den Pranger gestellt.

Wer aber als einer der größten Transferleistungsempfänger in D, schließlich besteht das Einkommen landwirtschaftlicher Betriebe zu 40-60% aus Subventionen (1) und bei Höfen in Bergregionen können es auch mal rund 70% sein (2, S.61), Plakate wie "Für alles ist Geld da, nur für die Bauern keins" in die Kameras hält, bewegt sich auf äußerst dünnem Eis - ganz besonders wenn man nach unten Richtung Schwächste tritt und mit "alles" in erster Linie Entwicklungshilfe, Bürgergeld, Sozialstaat... meint.

Nach einem Bericht von n-tv (3) summieren sich die Subventionen pro Betrieb Durchschnittlich auf rund 48000 Euro jährlich. Eine direkte Quelle vom BMEL mit etwas älteren Zahlen von 2019/20 weisen im Durchschnitt Subventionen von 36000 Euro je Unternehmen und 16000 Euro je Arbeitskraft (AK) aus (2, S. 61) - kann aber auch 21000 Euro/AK im Jahr betragen, je nach Betrieb.
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, wenn aktuell jährlich 48000 Euro Subventionen je Betrieb fließen, dann ist das mehr als die Hälfte der Bevölkerung als Arbeitnehmer Bruttoeinkommen hat - das Mediangehalt liegt bei rund 44000 Euro im Jahr (4).

Sollten Nebenerwerbs- und Kleinbauern damit nicht zurecht kommen, liegt wohl in erster Linie ein Verteilungsproblem bei den Subventionen vor.

Wenn Bauern sich gemein machen mit dümmlichen rechts-nationalen und rechtsextremen Kampagnen, indem man Merkel streicht und Habeck setzt, um ein möglichst einfaches Feindbild zu haben, ist Kritik angebracht. Nicht falsch verstehen, Habeck vertritt neoliberale Positionen, aber speziell im Fall der Bauernproteste liegt der Fall anders.

Dass Anhänger rechter Kreise völlig uninformiert und ihnen jeder Hundehaufen als Schokotorte verkauft werden kann, geschenkt. Aber von Unternehmer, was Bauern in erster Linie sind, kann man einen gewissen Grad an "Informiertheit" abverlangen.

Auf Land&Forst heißt es im März 2023 (5):

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zieht eine Abschaffung der Steuererleichterung für Agrardiesel in Betracht. Im Bundestag sagte Lindner vorige Woche, sein Ministerium prüfe regelmäßig „Subventionstatbestände“, vor allem hinsichtlich ihrer ökologischen und sozialen Lenkungswirkung. ... Anlass für Lindners Äußerungen im Bundestag war eine Forderung des Bundesrechnungshofes. Die Rechnungsprüfer hatten die Bundesregierung im Januar aufgerufen, Steuervorteile für die Land- und Forstwirtschaft bei der Kfz-Steuer und der Energiesteuer zu streichen.


Auch bei der Abschaffung der Kfz-Befreiung gibt es wohl klare Nachweise (6):

Die Ampel ist von ihren ursprünglichen Plänen abgerückt, um die Bauern nicht zu stark zu belasten. Das hatten auch Union und AfD verlangt. Im Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags vor gut drei Wochen waren CDU, CSU und AfD dem Vorschlag aber offenbar gar nicht abgeneigt. Das zeigen Dokumente, die BR24 vorliegen. Auf dem Tisch der Abgeordneten war dabei auch Tagesordnungspunkt 20: "Überholte Vergünstigungen bei der Kraftfahrzeugsteuer". Das Bundesfinanzministerium von Christian Lindner (FDP) verlangte darin, Ausnahmen für die Land- und Forstwirtschaft abzuschaffen – so wie es der Bundesrechnungshof schon länger fordert. ... Sie verwiesen darauf, dass die Ausnahmen für die Landwirtschaft auf das erste Kraftfahrzeugsteuergesetz aus dem Jahr 1922 zurückgehen. Damals, vor über 100 Jahren, sei das Ziel gewesen, durch die Steuerbefreiung die Landwirtschaft zu motorisieren. Da dieses Ziel mittlerweile erreicht ist, kann die Förderung nach Einschätzung des Bundesrechnungshofs weg. Der Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags nahm die Forderung nach einer Abschaffung der Ermäßigung bei seiner Sitzung am 15. Dezember 2023 zur Kenntnis. Und zwar einstimmig. Das bestätigten mehrere Teilnehmer der Sitzung BR24 übereinstimmend. Das heißt, auch die Mitglieder von Union und AfD stimmten dafür, dass Land- und Forstwirte bald mehr Kfz-Steuer zahlen. Nach Informationen von BR24 wurde über diesen Tagesordnungspunkt auch gar nicht beraten, sondern gleich abgestimmt.

Welche Namen gefallen und nicht gefallen sind und welche Parteien nicht daran beteiligt waren, darf nun jeder selbst ableiten.

(1) https://www.landwirtschaft.de/landwirtschaft-verstehen/wie-funktioniert-landwirtschaft-heute/warum-wird-die-landwirtschaft-so-stark-subventioniert
(2) https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Landwirtschaft/EU-Agrarpolitik-Foerderung/gap-strategieplan_anhang-II.pdf?__blob=publicationFile&v=2
(3) https://www.n-tv.de/mediathek/videos/wirtschaft/Wie-es-den-Landwirten-in-Deutschland-finanziell-geht-article24645406.html
(4) https://www.businessinsider.de/karriere/durchschnittseinkommen-so-gross-sind-unterschiede-in-gehaeltern-in-deutschland/
(5) https://www.landundforst.de/landwirtschaft/betrieb/kippt-finanzminister-lindner-steuervorteil-fuer-agrardiesel-569007
(6) https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/wollten-union-und-afd-ende-der-kfz-steuerermaessigung-fuer-bauern,U0mTSpW

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (09.01.2024 16:07).

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