Marvin 42 schrieb am 01.09.2023 13:13:
Also, sorry. Wo ist hier der Antisemitismus?
Oder Kann mir das jemand erklären? Danke.Du bist jetzt der ca. 25. der diese Frage hier und in den anderen beiden Artikeln dazu stellt.
Auch für dich die Antwort:
Genaugenommen ist das Flugblatt nicht nur Antisemitisch, sondern dazu auch Antisinti-Romanisch, Antisozialistisch Anti(sozial)demokratisch, Anti-Christlich, Anti-Behinderte, Anti-Homosexuell und Anti-wer sonstnoch alles so von den Nazis ermordet wurde.
Da nunmal 90% der KZ-Opfer Juden waren, trifft es Antisemitisch aber schon ganz gut.
Ach so, die 10% zählen für Dich also nicht.
[/böswilliger Unterstellung/Empörungssmodus aus]
Leider geht Deine Erklärung erneut am Sachverhalt vorbei.
Nicht jede dumme Äußerung, welche die Verbrechen der Nazis in dieser Weise thematisiert, richtet sich gegen die Opfer des NS Regimes.
Es ist nicht so, dass Aiwangers Bruder erneut Juden in den "Freizeitpark" Ausschwitz deportieren wollte. Er wollte mit diesem Pamphlet seine auf links gebügelte Lehrerschaft provozieren. Und als pubertierender Jugendlicher tat er dies auf eine Weise, mit der er glaubte, maximale Wirkung erzielen zu können.
Die Art und Weise, wie er das tat, kann man nicht schönreden. Das ist durch nichts zu rechtfertigen. Und Ausschwitz als "Freizeitark" zu bezeichnen ist geschmacklos, unanständig, ist ein no go. Aber es ist halt kein Antisemitismus.
Hier aber steht nicht sein Bruder am Pranger, sondern Hubert Aiwanger. Offenbar hat sich die Süddeutsche da in ihrer Kampagne verkalkuliert und versucht nun, mit Andeutungen, Hörensagen und einer Verdachtsbericherstattung ihr politisches Ziel weiter zu verfolgen.
Und die Art und Weise, wie hier Antisemitismus instrumentalisiert wird, um sein politisches Süppchen zu kochen, finde ich persönlich weitaus schlimmer als die Torheit eines pubertierenden Jugendlichen.
Und noch etwas. Man darf nicht den Fehler begehen, dieses Schmierblatt mit heutigen Maßstäben zu sehen. In der Nachkriegszeit wurden in Deutschland SS Größen erst gar nicht und später höchst zaghaft für ihre Verbrechen verfolgt. So manches größere Rad im Getriebe konnte sich bis zur Pensionierung in Richter- oder Lehramt oder in der Politik halten, ohne sich für seine Rolle im dritten Reich zu verantworten. Erst in den letzten 10 Jahren hat die Justiz begonnen, die kleinsten Rädchen im Getriebe aus den Altenheimen in die Gerichtssäle zu zerren. Möglicherweise, um nun nachzuholen, was man 60 Jahre lang vorher versäumt hat.
Zu meiner Schulzeit kursierten in meiner Generation auch sog. "Judenwitze", die ich an dieser Stelle nicht wiedergeben möchte. Und die waren im Gegensatz zu Aiwangers Pamphlet eindeutig Antisemitisch. Das war nicht einmal ein Ausdruck des Zeitgeistes, die Schüler haben sich schlicht nichts dabei gedacht. Unter den Schülern gab es damals durchaus solche, die solche "Witze" nicht lustig fanden. Am wenigsten aber die Lehrer, die prompt eine Woche Nachhilfe in Geschichte organisierten, als sie davon Wind bekamen.
Würde man nun jeden, der seinerzeit solche Witze erzählt oder darüber gelacht hat, in genau gleicher Weise öffentlich nach heutigen Maßstäben an den Pranger stellen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass so mancher Politiker auch noch seinen Hut nehmen müsste.
Und dass ist der zweite Punkt, der mich an der Sache ankekst. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele der Heuchler, die jetzt mit maximaler Empörung den Rücktritt Aiwangers fordern, selbst einige Leichen aus ihrer Jugendzeit im Keller haben. Die Wahrscheinlichkeit sehe ich als sehr hoch an.