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re

Birne schrieb am 17. November 2003 11:01

> Leo_Plegger schrieb am 17. November 2003 10:22
>
> ... weil den Bushies derzeit das letzte argumentative Fell wegschwimmt.

Zwei Sachen dazu: nenn mich nicht Bushie, und deren "letztes
Argument" ist es auch nicht.

> Saddam I. hat pro Tag 44 Menschen ermordet.
>
> Angenommen, Saddam I. wird 75 Jahre alt, dann hätte er in 9 Jahren
> nochmal ca. 100.000 Menschen umgebracht. Mit unter 100.000 Toten
> wären die USA also laut "Leo_Plegger" ungeachtet ihrer egoistischen
> Motive so eine Art moralischer Sieger nach Punkten.

Coole Rechnung. Ich halte fest: gibt's über 100.000 Tote, und
inzwischen, wie von mir vorher gesagt, wird diese Zahl ja verbreitet,
dann ist Herr Saddam Hussein der moralische Sieger. Dann stehen
verbrecherische Amerikaner gegen moralisch überlegene Baathisten.
Deren Moralität wird manchmal noch dadurch betont, dass die von den
USA herbeigenötigten UN-Sanktionen mindesten eine halbe,
wahrscheinlich aber eine Million Iraker das Leben gekostet haben -
Tote, die alle ausschliesslich aufs amerikanische Konto gehen sollen.

So gesehen können die Amerikaner Saddam und seine Gang of Martyrs
moralisch nicht mehr einholen.

> Nun sieht es aber so aus:
> - die Zahl der toten Zivilisten nähert sich den 100.000 (20.000
> werden jetzt schon offiziell zugegeben)

Wer gibt zu?

> und der Strategiewechsel neulich ("wir schießen jetzt öfters zurück") lässt
> da nichts Gutes erwarten.

Er wird die Zahl der Opfer erhöhen. Noch gehen die Amerikaner hin und
warnen die Bevölkerung, dass sie diese Fabrik oder jenes Wohnhaus
ausbomben werden. Die Menschen können gehen, die Gebäude werden
zerstört.

Schwerlich kann für dieses Vorgehen Verständnis erwartet werden von
denen, die Selbstmordmassenmorde für eine legitime Art des
Widerstands halten. Ich weiß nicht, ob du dich zu denen zählst. Ich
wollte aber, da du über Moral redest, es wenigstens einmal angebracht
haben.

> - Die Aussichten für den Irak nach den USA (Bürgerkrieg? Saddam II.?
> Gottesstaat? Our Bastard?) sind genauso schlecht wie sie für eine
> Zeit nach Saddam I. eh waren.

Im Augenblick sieht es danach aus. Die Iraker hatten eine große
Chance. Sie haben sie fast verspielt. Sie war allerdings auch schwer
zu nutzen.

> Keine Verbesserung also.

Ja, Saddam und Konsorten, man könnte meinen, dass man sich im Grunde
nicht um die kümmern sollte. Sollen die doch machen, was sie wollen,
der Westen hat nichts zu gewinnen, wenn er sich einmischt. Der Westen
ist, zumindest in der öffentlichen Meinung in Europa, ohnehin in
einer Lose-Lose-Situation - erzeugt er Druck auf die Diktatoren,
ist's falsch, lässt er sie gewähren, ist's auch falsch,
Zusammenarbeit wird angeklagt, Isolation wird angeklagt usw.

Leider ist es für die USA praktisch unmöglich, auf das bequeme "Mir
egal" zurück zu fallen. Sie sind angegriffen worden, und man muß
schon etwas leichtfertig sein, um die Möglichkeit eines Anschlags in
den USA, der die Komponenten "staatliche Verfügbarkeit über MVW" und
"islamistisch-aufopfernder Kampf gegen den Grossen Satan" aufs
explosivste verbindet, auszuschliessen. Hier leuchtet das letzte
Argument der Bushies.

> > Wer ist Saddam II. ?
>
> Wer nun genau, ist unerheblich und mir auch völlig egal. Entweder ein
> von den USA während des Rückzugs hastig eingesetzter "our bastard"
> (wie weiland der Schah) oder der Sieger im folgenden Bürgerkrieg, mit
> dem man sich dann arrangiert (wie weiland mit Saddam I.)

Ziehen die Amerikaner sich zurück, wird jede von ihnen eingesetzte
Regierung erst einmal als Marionette angesehen und von
Freiheitskämpfern weggebombt. Mit dem dann eventuell knöcheltief im
Blut stehenden neuen Big Boss im Irak werden sich die USA *natürlich*
arrangieren - ein Verbrechen. Na gut, sie werden nicht mit ihm
zusammenarbeiten, sondern Sanktionen erwirken - auch ein Verbrechen.
Ohhh...

> Wie gesagt, eine rein zahlenmäßige Betrachtungsweise ist zynisch,
> aber diese war das vorletzte Argument von "Leo_Plegger".

Argument wofür?

> (Das in jeder Hinsicht allerletzte war und ist die penetrant wiederholte
> Unterstellung, dass alle Bush-Gegner mit Saddam I. sympathisierten.)

Ich vermute, dass es selbst bei telepolis nur wenige gibt, die
ernsthaft die moralische Überlegenheit des Saddam-Regimes propagieren
möchten. Zahlreich sind aber jene, die keine Mühe scheuen und keine
Finesse auslassen um nachzuweisen, dass die Amerikaner "an allem"
Schuld sind, dass sie bösartig, böswillig und schlicht dumm wären.
Nicht etwa, so lautet dann das Fazit, dass es im Irak unter Hussein
schön war, nein nein, man ist doch kein Saddam-Sympathisant,
natürlich nicht - nur, unter den Amis, da ist alles noch *viel
schlimmer*.

Die von dir und anderen betriebene Kabbalistik erweckt bei mir den
Eindruck, sie solle der Untermauerung letzterer Aussage dienen.

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