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  • Herr Tierlieb

mehr als 1000 Beiträge seit 01.01.2004

Da möchte ich doch Zweifel anmelden...

Zetscho schrieb am 1. Juni 2004 16:30

> Herr Tierlieb schrieb am 31. Mai 2004 23:01
>
>  Was ich sagen wollte, ist, dass ich denke, dass jeder Mensch,
> unabhängig von seiner Herkunft, zwar die gleichen menschlichen
> Eigenschaften hat, sich also zunächst nur individuell, nicht
> kulturell, in seinen Wünschen, Bedürfnissen und Gedanken etc.
> unterscheidet, aber in der Ausprägung dieser menschlichen
> Eigenschaften von seinen Erfahrungen in der Kindheit geprägt wurde.
> Diese Erfahrungen sind eben auch von dem Kulturkreis, also ähnlicher
> Kollektivprägung, in der ein Mensch aufgewachsen ist, beeinflußt.

Ich kann diesen Gedanken beim besten Willen nur begrenzt teilen. Ich
muss regelmäßig feststellen, dass die angeblich so
identitätsstiftende Kultur (von Weißbier bis Karneval) mich herzlich
weniger geprägt hat in meinem Leben, als viel andere Umstände. Ich
zähle persönliche Erfahrungen im Freundeskreis, autodidaktisch
angeeignetes Wissen und andere Attribute nicht als "Kulturgut", da
ich sie als Persönlichkeit, als Individuum, wahrgenommen habe.

> Ein Kulturkreis läßt sich natürlich nicht exakt bestimmen, da gebe ich
> Dir recht, aber das ist auch gar nicht nötig. Erstens würde der
> Versuch doch nur zu Streitereien führen (harmloses Beispiel: Baden
> und Schwaben) und zweitens es genügt es mir, zu wissen, _dass_ es
> verschiedene Kulturen gibt. Ignorieren (als Fiktion bezeichnen) kann
> ich diese Unterschiede nicht, genau voneinander abgrenzen kann ich
> sie aber auch nicht, wie Du ja auch angemerkt hast.

Daher ist in meinen Augen jeder Versuch, mit "Kulturen" zu
argumentieren einerseits unglaubwürdig (Huntingtons "Kampf der
Kulturen" genauso wie "Die Türkei ist nicht christlich, die EU
schon"), andererseits ist er eine unglaubliche Frechheit.

>  Wenn Du mit der "Erfahrung des Nichtunterschiedes", das Wissen um
> die prinzipielle Gleichheit aller Menschen meinst, dann sind wir uns
> vielleicht einig. Multikulturelles Leben heißt dann für mich, die
> unterschiedlichen Ausprägungen des Menschen (z.B. Kulturen aber auch
> individuell) kennenzulernen, mich daran zu erfreuen - oder eben auch
> zu ärgern, je nach Charakter :)- und daran zu wachsen, denn Menschen
> sind immer Spiegel meiner selbst.

Na, wessen denn auch sonst? Kein Mensch kann ernsthaft behaupten,
dass er Menschen nicht nach sich selbst messen würde... Noch
zumindest. Wer weiß, ob es da in näherer Zukunft mit Klonen und
Transplantationen nicht den einen oder anderen Schritt in andere
Richtungen geben wird.

> > Ich kenne keine "deutsche" Kultur. Sie?
>
>  Ja, nur läßt sie sich nicht genau definieren. Aber warum auch? Muß
> immer alles definiert werden? Mein Geist kann auch gut leben, ohne
> alles in Worte zu fassen. Aber ich kann eine, ich nenne es mal,
> Ahnung von "deutscher" Kultur nicht leugnen. Denn zweifellos _gibt_
> es Unterschiede zwischen z.B. mediterranen und nordischen Völkern,
> aber eine Grenze ziehe ich nicht. Ich verreise lieber, suche Kontakt
> den Menschen und _erfreue_ mich, neugierig wie ich nun mal bin, an
> den Unterschieden.

Ich frage mich hier eher, wo da das Kollektive (das der Begriff
"Kulturvolk" so wunderbar schrecklich beschreibt, wie auch das Wort
"Kulturkreis") zu finden ist. Ist es deutsche Kultur, dass ich diese
Frage hier behandele? Oder ist es nicht eher ein Zeichen
individuellen Interesses? Ist nicht völlig unabhängig von Sprache und
Geburtsurkunde, ich behaupte sogar unabhängig von familiären
Bindungen die Summe der Eigenschaften herausragender Individen nicht
das viel entscheidendere Merkmal für das, was andere (man selbst
kann, wie sie ja feststellten, keine "Kultur" im näheren Umfeld
definieren) unter der "Kultur" der Völker/Staaten/Areale verstehen,
die sie nicht wirklich kennen?

Beste Grüße,
Tl

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