Ansicht umschalten
Avatar von Zetscho
  • Zetscho

mehr als 1000 Beiträge seit 03.02.2004

Lieber Herr Schröder

Damit haben Sie den ersten TP-Artikel geschrieben, mit dem ich
einfach nicht einverstanden bin. Außerdem wird mir Ihre Intention zu
diesem Artikel nicht ganz klar.

 Sie mokieren sich über die Deutschen, die fremde Kulturen nur dann
mögen, "wenn sie die traditionellen Klischees aufwärmen: Asiaten sind
für den Kampfsport zuständig, Latinos für Musik und Tanz und Schwarze
für Trommeln." Na und? Geben Sie mir ein Gegenbeispiel eines Landes,
in dem das nicht so ist. Außerdem handelt es sich bei Ihrer
Aufzählung nicht um Klischees, sondern um eben die Teile dieser
Kulturen, die wir in Deutschland assimiliert haben. Wie sonst soll
kulturelle Integration funktionieren? Zuerst adaptiert man natürlich
die Anteile, die man mag, die man verstehen und teilen kann. Außerdem
zeigt sich die Kultur eines Volkes nicht zuletzt in seiner Küche,
Musik, Tanz etc.

Dann folgendes:

"Alles hat seine deutsche Ordnung. Zeitnah zum "Karneval der
Kulturen" forderte der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach  Schutzhaft für
unliebsame Ausländer. Die Botschaft der Deutschen an die "lieben
ausländischen Mitbürger" ist eindeutig: Kultur, die die die Deutschen
essen und hören können und deren textile Ikonografie hip ist, ist
gut, Politik ist schlecht."

 Was hat das mit dem Karneval der Kulturen zu tun? So weit ich weiß
und so weit ich dies auch von Mitveranstaltern gehört habe, handelt
es sich bei dieser Veranstaltung, um ein _Fest_, dass das kulturelle
Miteinander in Deutschland feiern soll und nicht um eine politische
Demonstration. Es ist ja auch wesentlich mehr als der von Ihnen
kritisierte Umzug von verschiedenen Ethnien; während dieses
Wochenendes gibt es in Berlin zahlreiche weitere
(Musik)-Veranstaltungen von Richtungen, die gerne eben jenes
kulturelle Miteinander zelebrieren, wie Reagge, Goa etc. Es geht
darum, Multikultur zu feiern und zu genießen. Das Gesülze eines
Bosbach und die Kritik daran haben dort nichts zu suchen.

Dann behaupten Sie:
 "Wer die Identifikation von Immigranten mit ihrer Herkunft auf
Folklore reduziert,..."

Nun, da der Karneval der Kulturen wie gesagt ein _Fest_ ist,
zelebrieren die verschiedenen anwesenden Völker, also ist es nicht
weiter verwunderlich, dass es dort hauptsächlich Folklore zu sehen
gibt. Ich weiß nicht, wo da jemand etwas reduziert?

 "Der Kreuzberger Karneval fußt letztlich auf dem gescheiterten
Konzept des "Multikulti": Die Nation der Deutschen definiert sich
immer noch über eine fiktive Leitkultur, die andere "Kulturen" als
fremd ansehen muss."

 Das Konzept des "Multikulti" soll gescheitert sein? Weil die
Deutschen andere Kulturen als fremd ansehen? Das ist ja wohl totaler
Schwachsinn.
 Eine andersartige Kultur wird immer mehr oder weniger als fremd
erlebt werden. Die Frage ist doch eher, habe ich Angst vor Fremden
und bin deshalb feindlich eingestellt oder liebe ich die Vielfalt und
bin neugierig auf andere, fremde Kulturen. Ich denke die deutsche
Leitkultur hat sich seit '45 weitgehend zu letzterem gewandelt.
Lediglich dort, wo kaum andere Kulturen zu finden sind, z.B. auf dem
Land, tut man sich mit "Ausländern" noch eher schwer. Schauen Sie
sich die Wahlergebnisse rechtsradikaler, fremdenfeindlicher Parteien
in anderen europäischen Ländern an und vergleichen Sie diese mit
Deutschland, dann wird Ihnen klar, wie sehr sich Deutschland
gewandelt hat.

 Ihr kritischer Satz über die deutsche Leitkultur impliziert, dass
Multikulti erst dann Erfolg haben würde, wenn die anderen Kulturen
nicht mehr als fremd erlebt würden. Dann aber hätten wir wieder einen
Einheitsbrei und kein Multikulti. Das Fremde ist ja Bestandteil von
multikullerer Lebensweise. Der respektvolle, tolerante Umgang
miteinander, der zur Vermischung führt, ist Multikulti. Schauen sie
z.B. in den Melting Pot USA, wo sich Italo-Amerikaner und
Anglo-Amerikaner teilweise immer noch fremd sind. Deutschland ist
inzwischen ein ebenso multikulturelles Land und weitgehend mit
Erfolg. Das zu zelebrieren ist die Intention des Karnevals der
Kulturen

 Und nun widersprechen Sie sich:

" Eine Tendenz des Kreuzberger "Karnevals der Kulturen" ist klar
erkennbar: Immer mehr Deutsche mischen sich unter die, für die die
Veranstaltung eigentlich gedacht ist. Einige der Tanz- und
Trommelgruppen hatten zwar ihre "Quotenneger" dabei, die den Rhythmus
vorgaben, bei dem der Deutsche mit muss, bestanden aber mehrheitlich
aus Weißen, die sich irgendwie bunt angemalt hatten."

 Von dem latenten "positiven" Rassismus mal abgesehen, warum
widersprechen Sie sich hier? Weiter oben behaupten sie, das
multikulturelle Konzept sei gescheitert, weil die Deutschen andere
Kulturen als fremd ansehen und machen Sie sich darüber lustig, dass
Deutsche und Afrikaner zusammen trommeln. Ihnen ist also eine strikte
kulturelle Trennung in deutsch und undeutsch wohl lieber? Dann haben
Sie sich weiter oben aber über Ihre _eigene_ Leitkultur beschwert.

 Noch ein Wort zum "positiven" Rassismus. Wenn Sie das sarkastische
Wort Quotenneger benutzen, implizieren sie damit zwei Dinge. Zum
einen werten Sie damit die Schwarzen an sich herab und zum anderen
unterstellen Sie der deutschen Bevölkerung, rassistisch zu sein. Da
Sie sich aber hier über eine Veranstaltung mokieren, die das
Gegenteil zelebriert, frage ich mich, wie weit Sie sich über Ihre
eigene innere Abgrenzung zu anderen Kulturen überhaupt bewußt sind.

 Darf ich fragen wie alt Sie sind? Sie klingen für mich wie ein
frustrierter 68er Alt-Linker. Es typisch für diese Generation, deren
Eltern ja noch am 3. Reich beteiligt waren, überaus deutschkritisch
zu sein. Die Deutschen werden als rassistisch, fremdenfeindlich und
unfähig im Umgang mit Fremden bezeichnet. Für diese Zeit mag das auch
gestimmt haben und diese Kritik war notwendig, um den gräßlichen
Mief, der nach wie vor in deutschen Stuben herrschte, zu vertreiben.
Aber der ist weitgehend vertrieben, wenn auch regional
unterschiedlich doll. Aber wenn wir Deutschen auf etwas stolz sein
können, dann ist es unserer Umgang mit Fremden im Alltag (nicht
politisch), vor allem in den Großstädten.
 Leider wollen das viele Altlinke aber nicht kapieren, sie möchten
lieber an ihrem Negativbild von Deutschland festhalten. Das ist aber
verständlich, denn diese Menschen wuchsen unter der Last des
Nazi-Reiches auf, es gab keine Möglichkeit, Deutschsein als Gutsein
zu empfinden. Da es also nicht möglich war, sich positiv mit seiner
Heimat zu identifizieren, tat man das eben auf negative Weise und
schiß auf alles, was deutsch war. Man adaptierte lieber massenweise
Kultur aus anderen Ländern, vor allem den USA. Deswegen haben wir
Deutschen auch kaum generationsübergreifende Folklore, wie in anderen
Ländern und deswegen gab es bis zu den 90ern kaum deutschsprachige
Musik. Jedenfalls nur vereinzelt und immer als besonderes Phenomäen
(z.B. NDW), als ob es nicht normal wäre, in eigener Sprache zu
singen. Aber nicht, dass Sie mich jetzt falsch verstehen, das war ja
auch gut so. Diese Generation verdanken wir ja den Wandel den
Deutschland durchgemacht hat, aber so manche 68er wollen das nicht
kapieren. Die halten immer noch an ihrem Bild des pöhsen Deutschland
fest und trauen sich auf der einen Seite nicht, wirkungsvoll gegen
islamistische Hetzer wie den Köllner Kalifen vorzugehen, deren Ziel
die Zerschlagung der Multikulturellen Gesellschaft ist, und auf der
anderen Seite, ihre Kulturikonen vom Thron zu nehmen. Nicht umsonst
scheinen deutsche Politiker zu keiner vernünftigen Aussenpolitik und
Medien zu keiner entsprechenden Kritik fähig.

 Dass solche Demagogen und Panikmacher wie Schilly, Bosbach, BILD und
viele andere Medien, eine ernstzunehmende Gefahr für ein
multikulturelles Deutschland darstellen ist klar, da sich eines in
Deutschland wieder zurückverwandelt hat: die Gutgläubigkeit gegenüber
der Obrigkeit und Widerstandslosigkeit.

 Also, mir wird Ihre Intention des Artikels nicht ganz klar. Wollen
Sie diese Veranstaltung tatsächlich so zerreißen, oder lediglich eine
Diskussion zum Thema Multikultur in Verbindung mit dem zunehmenden,
von Politikern und Medien geschürten, Fremdenhaß gegenüber Arabern,
anregen?

Gruß, Z.
Bewerten
- +
Ansicht umschalten