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  • Herr Tierlieb

mehr als 1000 Beiträge seit 01.01.2004

Kultur & Politik

Zetscho schrieb am 31. Mai 2004 19:32

> Nein! Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass das nicht stimmt.

Eine hervorragende empirische Basis.

> Dass Kultur eine Fiktion oder gar ein politisches Programm sei, ist
> m.E. eine paranoide, zwangsoppositionelle 68er-Konstruktion, um den
> Frust über die eigene deutsche Kultur, damals eben noch so stark vom
> 3. Reich geprägt, zu kompensieren. Anders kann ich mir so einen
> Blödsinn nicht erklären. Kultur läßt sich geographisch vor allem
> durch Sprachräume unterscheiden. Die Sprachen entstanden über
> tausende von Jahren, die dazugehörigen Kulturen ebenfalls, geprägt
> durch die jeweiligen archaischen Lebensumstände. Wie soll dies ein
> politisches Programm gewesen sein? Von den Illuminaten vielleicht?

Weißt Du, das was sich "Kulturen" schimpft, kann so unterschiedlich
sein, selbst wenn man die gleiche Sprache spricht. Kennst Du den
Unterschied zwischen Serbisch und Kroatisch? Es ist ein etwa so
großer wie zwischen Berliner und Düsseldorfer Dialekt.
Alles ist Kampf, denn Politik ist Kampf, Kampf ist Politik, und alles
ist Politik. Geht es nicht immer nur um Macht, Einfluss, Interessen
des einzelnen? Warum definieren sich "Kulturen" durch Abgrenzung?
Doch nicht, um den anderen etwas gutes zu tun...

>  Natürlich sind Charakter, Wünsche und Gedanken eines Menschen stets
> entscheidender für seine Person als seine Herkunft.
> Keine Frage, und jeder, der meint sich nur über diese Herkunft definieren zu
> müssen, ist ein nationalistischer Dummkopf. Darin sind wir uns sicher einig.

Da wird dir hoffentlich jeder zustimmen können.

> Aber der Kulturkreis, in der ein Mensch aufwächst, prägt ihn in der
> Art und Weise, wie er seine Person zum Ausdruck kommen läßt, und zwar
> ein Leben lang. Multikultur heißt, dass Menschen, die in einer
> Vielfalt co-existierender _verschiedener_ Kulturen leben, davon
> kulturell und mental profitieren, eben wegen den Unterschieden.

Hier aber nicht. Ist es nicht eher die Erfahrung des
Nichtunterschiedes, die einen "kulturtoleranten" Menschen ausmacht,
der sich in der Gesellschaft (der politischen Gemeinschaft) zu
bewegen weiß? Der eben nicht die "Angst vor dem Andersartigen" hat?

>  Leider leidet die Deutsche Linke immer noch an ihrem Negativbild von
> Deutschland und muß sich dann so einen Blödsinn konstruieren, dass
> Kultur reine Fiktion sei. Kennen sie C.G. Jung, kollektives
> Unbewußtes? Kennen Sie die Forschungsarbeiten des Psychiaters
> Stanislav Grof? Die kommen zu ganz anderen Schlüssen.

Kennen Sie Carl Schmitt? Kennen Sie Heidegger? Kennen Sie sich
selbst? Kennen Sie Jesus? Kennen Sie weitere kulturelle Polemiken?

>  Ich hab was gegen diese typisch deutsche Gleichmacherei, egal ob
> links oder rechts gerichtet. Integrationspolitik muß heißen, eine
> Gesellschaft zu ermöglichen, in der mehrere Ethnien mit ihren
> kulturellen Ausprägungen friedlich nebeneinander herleben können und
> nicht, aus Ausländern Deutsche zu machen.

Der Anfang ist gut, das Ende dumm. Es muss die Möglichkeit geben,
sich in einem Spektrum eigenständigen Zugehörigkeitsgefühls zu einer
Teilgruppe (z. B. "liberale deutsche Juden", ich sage extra nicht "in
Deutschland") oder einer Gesamtgruppe selbst seinen Platz zu suchen.
Der Minimalkonsens ist unser Grundgesetz mit den Artikeln 1 und 20.
Das ist unsere Form von "Kultur".

> Wer hier geboren wird, ist natürlich als deutscher Staatsbürger anzusehen,
> aber die kulturelle Ausprägung kann und muß nicht deutsch werden. Das wäre
> Blödsinn und vollkommen unrealistisch.

Ich kenne keine "deutsche" Kultur. Sie?

Grüße,
TL

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