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  • Anarc

mehr als 1000 Beiträge seit 17.08.2005

re

Weitgehend ACK.

Ansonsten.

sansculotte schrieb am 11. September 2006 16:06

> bervorzugten Zugriff auf die vorhandenen Ressourcen...
> Auch in der sexuellen Selektion...
> pp

Das mag ich so nicht stehen lassen. Gehen wir mal zurück auf Gruppen,
die völlig frei von unseren zivilisatorisch bedingten
Manchtstrukturen sind. Der normale Durchschnittseuropäer hat
archaisch lebende Indigenas als Affenrudel mit führendem Weißrücken
vor Augen. Das prägt auch die oberflächlichle Vorstellung von den
meisten Linken, selbst dann, wenn sie vom romantischen Wilden als
Ideal träumen. Doch das ist weitgehend eine reine Selbstreflektion -
in Wirklichkeit sind bis zu einer Phase der frühen Domestizierung hin
Gesellschaftsmodelle ohne jegliche Machtpositionen gar nicht so
selten. Interessanterweise häufen sich solche Modelle sogar dort, wo
eine Ressourcenknappheit vorhanden ist. Bei den San - den Buschleuten
- im südlichen Afrika, die in einem Gebiet mit extrem knappen
Ressourcen leben, fehlt eine Hierarchie völlig, alle sind dort gleich
"mächtig" und es wird alles gleich verteilt. Übrigens gibt es unter
den Stämmen der San auch keine Gewalt, sie haben in ihrer Sprache
noch nicht ein mal ein analoges Wort für Krieg und wußten vor dem
Eintreffen der Europäer gar nicht, was das ist. Das geht dann über in
gemischte Modelle. Die Apache wären da als populärstes Beispiel zu
nennen. Die soziale Konditionierung unter ihnen war sehr stark, so
daß beispielsweise einmal bei einem in einem Reservat organisiertem
Marathonlauf zwischen Weißen und Indianer, bei dem die Apaches die
Weißen um Stunden abgehängt hatten, die ersten eintreffenden Läufer
auf alle anderen gewartet haben, weil es ein Sakrileg gewesen wäre,
als erstes durchs Ziel zu laufen. Bei den Apache war auch die
Vorstellung von Autorität als Dienstleistung außerordentlich
ausgeprägt.

Machtstrukturen und -institutionen haben sich zuvorderst dann
gebildet, wenn eine Gesellschaft in eine frühindustrialisierte Phase
mit weitgehender Arbeitsteilung übergegangen ist. Solche frühen
Industriegesellschaften gab es bereits in der Steinzeit, wo bei
Kehlheim ein spezieller Feuerstein für einen Umkreis von mehreren
hundert Kilometern geschürft wurde. Hier nahm die gesellschaftliche
Fraktionisierung dann überhand: die einen klopften Steine und die
anderen jagten für sie. Daraufhin entwickelten sich
Verteilungskämpfe, Strukturen der Unterordnung und eine das
Gesamtgefüge regelnde Machtinstitution. Vergleiche "Streit um
Asterix" - ein klasse Comic mit sehr viel Hintersinn und ausgereiftem
ernsthaften Fundament. Ich glaube nicht, daß wir in der Analyse allzu
weit in persönliche Verhältnisse gehen müssen, für mich liegt eher
darin der Knackpunkt. Das klingt jetzt auf keinen Fall ausweglos,
denn es ist auf alle Fälle mit unseren heutigen
Kommunikationsmöglichkeiten und einem höheren Bildungsniveau
einfacher geworden, aus diesem Mechanismus auszusteigen.

Leider gibt es nicht allzu viele populärwissenschaftliche Texte, auf
die ich jetzt verlinken könnte und anhand derer man einen kurzen
Überblick erhalten könnte. Wenn du Zeit hast und es dich
interessiert:
> http://arminreich.blogspot.com/2005/09/matrilineare-gesellschaften.html
> http://arminreich.blogspot.com/2006/09/african-anarchism-history-of-movement.html
Wenn du was hast, dann bitte her damit - bin notorischer Linksammler.

> Ich persönlich mag das Wort ("Zelle"!) nicht

Ich bevorzuge auch "Syndikat" in allen möglichen Verbindungen.

> Die Planungszelle...
> pp

Das kann gut kommen, aber auch nicht. Indem man die kritische
Auseinandersetzung mit Autoritätsbildung einfach nur vermeidet, indem
man Gruppen ständig durcheinanderwürfelt, hat man das Problem zwar
sauber umgangen, aber nicht gelöst. Das wäre als zeitlich befristeter
Lernprozeß vielleicht ganz gut.

Ich habe mal in einer Fabrikhalle mit 120 Leuten im Schichtbetrieb
gearbeitet und ein neuer Abeilungsleiter frisch von der BWL-Uni ist
so vorgegangen. Hauptsächlich weil seine eigene Autorität selbst
unterhalb der Klofrau angesiedelt war (theoretische Überfrachtung,
mangelnde Erfahrung). Das war fürchterlich und führte zu einem
heillosen Durcheinander und dem Ausbruch von Streits als
Massenphänomen und die Produktivität sank in den Keller. Dann hat er
es einfach in einer zusammengewürfelten Phase stehen lassen und die
Leute reorganisierten sich wieder. In der vorhergehenden Phase, in
der er sich nicht durchsetzen konnte, stieg stattdessen sogar die
Produktivität der Abteilung an (der Mann mußte also schnell so
handeln, sonst wäre bewiesen gewesen, daß er schlicht und ergreifend
überflüssig war). Menschen brauchen Sicherheit durch eingeschliffene
Strukturen, das steht dem hauptsächlich entgegen. Im Prinzip handelt
es sich dabei um eine Strategie von neoliberalen Lenkern, die genau
betrachtet heute massenhaft und auch in einem größeren Zusammenhang
betrieben wird. Ich halte das für eine Gegenmaßnahme gegen eine
selbstbewußte, moderne Arbeiterschaft, die als Machtfaktor in einem
Betrieb/Staat dem Management gefährlich wird.

Aber wie gesagt, im Rahmen eines Lernprozesses durchaus sinnvoll.

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