Pnyx (1) schrieb am 10.01.2022 01:52:
Es gibt nichts in der Natur, das egozentrischer ist als die umkämpfte Demokratie. Sie wird bald zum Opfer ihrer eigenen Kriegspropaganda. Sie neigt dann dazu, ihrer eigenen Sache einen absoluten Wert beizumessen, der ihre eigene Sicht auf alles andere verzerrt. Der Feind wird zur Verkörperung des Bösen. Die eigene Seite ist das Zentrum aller Werte.
Dieses Zitat aus wirklich unverdächtiger Quelle, nämlich George F. Kennan trifft den Nagel auf den Kopf. Man kann noch etwas weiter gehen und das einschränkende Adjektiv 'umkämpfte' ('embattled') ersatzlos streichen.
Der im Text von Sergijenko verlinkte Artikel der ebenso der Russland-Versteherei unverdächtigen Webseite responsiblestatecraft.org, dem ich es entnommen habe, spricht von der Notwendigkeit einer 'strategischen Empatie', fordert mit anderen Worten, sich in die Situation der russischen Führung zu versetzen und sich zu überlegen, wie man selbst auf die eigne, westliche Politik reagieren würde.
Alle Zeichen deuten allerdings in eine andere Richtung, Jalta II wird aller Vermutung nach nicht so verlaufen wie die Uraufführung. Dafür ist der westliche Dünkel, sein Überlegensheitsgefühl zu mächtig. Bezeichnenderweise wird in allen MSM nun ein Russe zitiert, der gesagt haben soll, man werde sich nicht unter Druck zu Zugeständnissen bewegen lassen. Damit wird die Realität genau umgekehrt wiedergegeben. Denn es war Russland, das mit seinen in zwei Vertragsentwürfen niedergelegten Forderungen die Verhandlungen dringend angeregt hat. Die Initiative ging also nicht vom Westen aus und es geht auch nicht darum, westliche Forderungen durchzusetzen, sondern ganz anders herum. Der Westen hat überreizt und sollte sich zurücknehmen.
Aber wie gesagt, es sieht nicht danach aus, sondern vielmehr nach einer kurzen, von russischer Seite wegen Zwecklosigkeit schnell abgebrochenen diplomatischen Phase. Was danach passiert - niemand ausserhalb Russlands weiss es. Aber die Erfahrung sagt einem, dass es überraschend sein und den Westen auf dem falschen Fuss erwischen wird. Und ob die grossen Demokraten in solch einer Situation ruhig Blut bewahren und nicht wild um sich schlagen werden, ist leider alles andere als sicher.
Putins Forderungen entsprechen zu 80% der NATO-Russland-Grundakte von 1997. Sobald Russland sich aus der Ukraine zurückgezogen hat, kann diese sofort wieder in Kraft treten. Putin war übrigens als stellvertretender Kanzleichef und politischer Ziehsohn von Präsident Jelzin beim Aushandeln der NATO-Russland-Grundakte mit in der Verantwortung.