Eine ausgezeichnete Analyse der Situation, die jenseits aller Menschrechts- und Demokratiedebatten am entscheidenden Punkt ansetzt: am evidenten Übergang von einer durch die USA dominierten unipolaren zu einer von mehreren Machtzentren geprägten unipolaren Weltordnung. Dieser globale Prozess wird am deutlichsten durch den wirtschaftlichen und militärischen Aufstieg Chinas, der Verschiebung des ökonomischen Zentrums vom Westen nach Asien und der wiedererlangten Fähigkeit Russlands, eigenen Interessen Geltung zu verschaffen, widergespiegelt. In diesem Prozess spielt die Europäische Union selbstverschuldet keine Rolle mehr, da die dominanten Kräfte Europa in eine US-hörige Vasallen-Rolle verankert haben.
Führende Kreise der US-Politik haben inzwischen richtig erkannt, dass es den USA nicht (mehr) möglich ist, expansionistische Interessen gleichzeitig gegen Russland und China durchzusetzen. Während es den USA gelungen ist, Deutschland/Europa gegen Russland zu positionieren und damit beide Seiten zu schwächen, droht eine fortgesetzte gegen Russland und China gerichtete Politik das Gegenteil zu bewirken - den Schulterschluss beider Mächte. Dass Russland ganz im Gegensatz zu Obamas Schmähung, es handele sich lediglich um eine Mittelmacht, inzwischen zu einem Globalplayer aufgestiegen ist, lässt sich auch am Scheitern des Westens ablesen, in Venezuela oder Syrien einen Regimewechsel zu erzwingen - ganz zu schweigen vom offensichtlichen Scheitern in Afghanistan. Man sollte also weder Russlands Fähigkeiten noch Entschlossenheit unterschätzen, in sicherheitspolitischen Essentials rote Linien zu ziehen und entsprechend zu handeln. Wie die russische Führung vor die Frage gestellt, ob sie eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine mit einer möglichen Dislozierung von Atomraketen, die in Minuten Moskau erreichen könnten, entscheiden würde, mag sich sich folglich jeder selbst ausrechnen. Noch ein Wort zu den pathologischen Putin-Hassern: Es ist zwar richtig, dass der russische Präsident über eine enorme Machtfülle verfügt, doch das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass jeder andere russische Politiker in seiner Position eine weitgehende identische Politik betreiben würde. Der Irrglaube, der Westen bräuchte lediglich durch Sanktionen und militärische Eskalationen einen „demokratie- und menschenrechtsaffineren“ Politiker an die Macht bringen, um einen Kurswechsel in Moskau zu erzwingen, zeugt - siehe das entsprechende Essay von Herfried Münkler- vom völligen Unverständnis davon, wie globale Mächte funktionieren.