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  • Leser2015

470 Beiträge seit 19.11.2015

Bis auf die relative Verharmlosung der Influenza ein sehr informativer Artikel

Insgesamt klasse Überblicksartikel, dem ich als Laie nur zum Grippevergleich widersprechen möchte.

Berücksichtigt man kalte Wintertemperaturen (Durchschnittstemperatur Dezember-Februar 1957/58 0,5°C ü ber des Mittelwertes, 1969/70 1,9°C unterhalb der Mittelwertes) würden geschätzt Werte von rund 27.000 (90% der gesamten Übersterblichkeit) und 27.000 (60% der gesamten Übersterblichkeit) resultieren. Nimmt man für die Pandemie 1957/58 eine Durchseuchung bis zur Herdenimmunität an (Basisreproduktionszahl von 1,65, 39% der damaligen Bevölkerung von ca. 55 Millionen infiziert), ließe sich eine IFR von 0,13% berechnen. Für 1969/70 ergäbe sich (Basisreproduktionszahl 1,8, 44% von ca. 60 Millionen infiziert) eine IFR von 0,10%. Sollte keine Herdenimmunität erreicht worden sein, läge die IFR für beide Grippewellen höher. Für die schwere saisonale Grippe 2017/18 lässt sich angesichts von ca. 9 Millionen Arztbesuchen und geschätzten 18 Millionen Infektionen aufgrund der Übersterblichkeit von 25.100 eine IFR von 0,14% berechnen. Für die Grippepandemien und besonders schweren saisonalen Grippewellen kann für Deutschland somit eine IFR von 0,1 - 0,15%, abhängig von der tatsächlichen Durchseuchung auch leicht darüber, angenommen werden. Die IFR liegt auf Deutschland bezogen also etwa halb so hoch wie bei COVID-19.

Wolf Hinrich Wallis

Die Idee mit den Durchschnittstemperaturen der Winter 1957/58 und 1969/70 ist mir zu esoterisch.

Der Einfachheit halber sollte man bei solch älteren, nicht-konservativen Schätzungen, die also nur die gesamte Übersterblichkeit berücksichtigen, pauschal 75% der Übersterblichkeit als grippebedingt annehmen, denn viel entscheidendere Faktoren als die Außentemperatur, etwa parallel kursierende andere Infektionen als Grippe, kennt man ohnehin nicht. So käme man für 1957/58 auf rund 22.500 Todesfälle durch die Asiatische Grippe in Deutschland und für 1969/70 auf wenigstens 33.000 durch die Hongkong-Grippe; daraus ergäben sich dann bevölkerungsbezogene Mortalitäten von 0,04% für die Asiatische und größer als 0,05% für die Hongkong-Grippe (bezogen auf die heutige Bevölkerung hätten die zwei Influenza-Epidemien etwa 33.500 bzw. 46.000 grippebedingte Todesopfer gefordert).

Hinsichtlich dieser historischen, sehr schweren Grippe-Epidemien irgendwann eine Herdenimmunität zu unterstellen, ist reine Spekulation, zumal auch damalige Presseberichte die Bevölkerung auf deren ungewöhnliche Gefährlichkeit hingewiesen haben, was zwangsläufig zur freiwilligen Kontaktreduktion geführt haben dürfte. Gleiches ist mir für die schwere saisonale Grippe 2017/18 nicht erinnerlich, die demgegenüber eine geringere, bevölkerungsbezogene Mortalität von nur 0,03% erreichte, für die der Autor jedoch, ohne die Frage der Herdenimmunität in Deutschland zu thematisieren, dort sogar eine höhere IFR annimmt als für die zwei früheren, im Ergebnis sehr viel tödlicheren Influenza-Epidemien.

Es spricht einiges dafür, dass gerade die IFR der Hongkong-Grippe, die zudem auch junge Menschen tötete, nahe 0,3% gelegen haben könnte, und damit acht- bis neunmal tödlicher war als eine normale saisonale Grippe-Epidemie mit deren geschätzter IFR von höchstens 0,04%, während sich die IFR von Covid-19 wegen der extrem hohen Dunkelziffer asymptomatischer Fälle schließlich als kaum sechsmal tödlicher als die sogenannte normale Grippe herausstellen könnte, was natürlich schlimm genug wäre.

Bis zum Beweis des Gegenteils kann man für die sogenannte normale, saisonale Influenza-Epidemie in Deutschland niemals von deren Abklingen infolge einer Herdenimmunität ausgehen, sich dafür aber grob merken, dass pro Jahr etwa ein Mensch von zehntausend dieser normalen Grippe erliegt, an der von tausend erkennbar Kranken einer stirbt, während zwei von drei Infizierten asymptomatisch bleiben.

Und unabhängig von den nur für Deutschland ermittelten Mortalitäten und Letalitäten unterschiedlicher Infektionserkrankungen bleibt jede Pandemie eben ein globales Phänomen, und in vielen Regionen ist sowohl die Bevölkerungsstruktur als auch deren Gesundheitszustand ein völlig anderer, weswegen für Deutschland korrekt gemessene Kennwerte keineswegs repräsentativ für die Menschheit sein können.

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