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mehr als 1000 Beiträge seit 10.01.2003

Würde sich Europa zusammenschließen ...

... was die europ. Länder nicht tun, so der Autor, sähe die Sache "ganz anders aus".
Ach wirklich?

Vielleicht bin ich ja auf beiden Augen blind, aber das letzte Mal, als ich nachgeschaut habe, haben wir in Europa eine ganz bunte Mischung aus Staaten mit unterschiedlichen Kulturen, Menschen, Weltanschauungen und natürlich auch unterschiedlich starken Volkswirtschaften. Was uns eint ist der Umstand, Europäer zu sein und dass wir auf eine an Konflikten nicht arme gemeinsame Geschichte zurückzublicken. Nehmen wir die Geschichte als Maßstab, ergibt sich übrigens ein sehr interessantes Bild: Russland ist, trotz aller Ausdehnung auf den asiatischen Kontinent eben doch durch und durch europäisch, die Türkei, trotz europ. Zipfel, dagegen eher nicht. Politisch verfärbt ist das natürlich genau andersrum: böse Russen, europäische Türken, europäischer Islam.

Aber darum geht es gar nicht.

Europa kann nie so sehr zusammenwachsen wie die USA, weil es schlichtweg zuviel Trennendes gibt, ohne dass auch nur eine Grenze gezogen wurde oder Nationalisten das Wort ergriffen haben. Die EU basiert ja auch nicht auf der Idee eines geeinten Europas, sondern ist ein reiner Wirtschaftsverbund: erst die Wirtschaft, dann der Mensch. Aus dem Grunde scheitert auch die EU gerade: sie ordnet den wirtschaftlichen Belangen ALLES unter, inklusive die Menschen, deren Identitäten, Wünsche, Träume, Weltbilder usw usf. Allerdings sorgt dies nicht dafür, dass irgendwas in Europa zusammenwächst, sondern dass, je mehr diese Unterschiede für die Wirtschaftspolitik weggewaschen werden sollen, die jeweilige Bevölkerung umso akzentuierter die eigene Identität vorbringt. Anders ausgedrückt: weil der Mensch "gleicher" gemacht wird, um der Wirtschaft dienlich zu sein, verweigert er dies, indem er sich möglichst stark auf das besinnt, was er eigentlich ist. Endergebnis? Schottland stand kurzzeitig vor der Sezession aus dem Vereinigten Königreich, Katalonien IST defakto aus Spanien ausgetreten, in Bayern gibt's immer mal wieder Bestrebungen, was ganz Eigenes zu fahren.

Das Traurige an der Sache ist, dass ein "geeintes Europa" durchaus denkbar wäre - wenn es nur keine Gleichmacherei wäre. Die gleichen Ideologen, welche die Menschen für die Wirtschaft "anpassen" suchen, fordern Diversität und Multikulti, meinen aber nur billige Neuarbeitskräfte zwecks Ausbeutung. Dabei haben wir genau jetzt in ganz Europa, einen Schmelztigel verschiedener Kulturen. Warum kann man nicht Multikulti haben und trotzdem seine eigene Identität leben? Warum wird unter Multikulti nur verstanden, möglichst fremde, möglichst inkompatible Kulturen einzuladen?
Ein geeintes Europa kann auch in einer Föderation oder Republik existieren: die Staaten existieren weiterhin in einem größeren Verbund, nationale Aufgaben werden auf nationaler Ebene gelöst ohne Einmischung von oben, globalere Aufgaben werden global gelöst etc. Das ganze bitte mit demokratischer Legitimation und dem Menschen, nicht die Wirtschaft im Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit.
Aber auch das bedeutet am Ende vor allen Dingen eins: dieses geeinte Europa ist trotzdem kein Europa "offener Grenzen" nach außen. Aber es tritt geeint nach außen hin auf und hat die Mittel und Möglichkeiten, das Elend in anderen Teilen der Welt zu lindern. Besser als die "Insellösungen" der "Besserdeutschen" ist das allemal, langfristig wirksam ebenso.

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