Vorabbemerkung: Das soll hier ein Versuch sein, einen anderen Blick auf die Tolerierung Syriens eines Angriffskrieges auf das eigene Staatsgebiet zu werfen.
Die Verhinderung eines kurdischen Staates ist seit Jahrzehnten ausgemachte Staatsraison der Türkei, die sie mal mehr mal weniger offensichtlich durchsetzt. Der wiederholte Krieg gegen die Kurden im eigenen Land und die Verhinderung eines zusammenhängenden kurdischen Einflussgebietes in Syrien (mit militärischer Gewalt) in den letzten Jahren kann man sicherlich darunter subsumieren. Aus Sicht der Türkei ist das auch naheliegend. Was sollte die Kurden im eigenen Land davon abhalten sich einem neugegründeten, lebensfähigen kurdischen Staat in direkter Nachbarschaft anzuschließen? Würden sie das auch nur versuchen, wäre bis zu einem Drittel des z.Z. türkischen Staatsgebiets mittelfristig in Gefahr sich aus der Türkei zu verabschieden. Alleine die Gefahr würde kein türkischer Präsident (ob Erdogan oder Sezer oder wer auch immer) in Kauf nehmen und alles menschenmögliche unternehmen, um diese Situation im Vorfeld zu verhindern.
Die syrische Armee wiederum befindet sich seit Jahren in einem andauernden Krieg gegen „bewaffnete Oppositionelle“ (aka einheimische und eingeschleuste fundamental sunnitische Terroristen) und ist, selbst mit Hilfe Russlands, nur grade so in der Lage ihr Staatsgebiet zu verteidigen bzw. zurückzugewinnen. Einen offenen Krieg mit der Türkei ist sicherlich das letzte, was Syrien jetzt braucht.
Und trotzdem hat Syrien (zusammen mit Russland) den Kurden in Afrin wohl versucht ein Angebot zu unterbreiten, sich offen für die Kurden und gegen eine türkische Invasion ein zu setzten. Einzige Gegenleistung wäre wohl die Anerkennung der syrischen Herrschaft über offiziell syrisches Territorium gewesen (s. Afrin: Erdogans Werk und Putins Beitrag „Kurdische Aktivisten in der Region erklärten inzwischen öffentlich, dass russische Stellen sie unumwunden auffordern, zu kapitulieren und Afrin dem Assad-Regime zu übergeben, um eine Invasion der Türkei zu verhindern.“ + etwa siebter Absatz im übergeordnetem Beitrag).
Interessant finde ich die Reaktion der kurdischen Unterhändler. Hier im Beitrag: „Hier verwiesen die YPG-Vertreter angeblich darauf, dass sie dies nicht ohne die USA entscheiden können.“
Also entweder war sich die kurdische Verhandlungsführung sehr sicher, dass sich die Türkei keinen Angriffskrieg trauen, die USA rechtzeitig für sie intervenieren würden oder sie einen Krieg gegen die Türkei auch ohne syrische oder russische Unterstützung irgendwie überstehen können, was rückblickend vermutlich alles zu hoch gepokert war.
Davon abgesehen, was bedeutete denn das Angebot Syriens (und Russlands)? Es ist recht einfach zu sagen, dass Russland ja nur ein Flugverbot hätte ausrufen müssen. Nur heißt das auch letzten Endes notfalls türkische Flugzeuge abzuschießen. Also NATO-Flugzeuge zu attackieren. Russland war also notfalls dazu bereit einen Krieg gegen ein NATO-Mitglied zu führen, um die Kurden in Syrien zu schützen, sofern sie sich auch offiziell als syrische Staatsbürger zum syrischen Staat und dessen Herrschaftsanspruch bekennen? Was will man denn noch mehr unter den gegebenen Umständen von Russland und Syrien verlangen?
Auch Assad muss seinen Generälen und seiner Bevölkerung irgendwie erklären können, warum syrische Soldaten zu hunderten oder tausenden in einem möglichen Krieg gegen die Türkei in den Tod geschickt werden sollen. Und der Schutz eines Landesteils, der sich längst vom Rest Syriens abgewendet hat, ist da sicherlich kein überzeugendes Argument.
Zwischen den Stühlen sitzt man halt nicht gut.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (23.01.2018 01:13).