HW4711 schrieb am 18.08.2018 20:01:
Beide Betrüger baten ihn, gefälligst näher zu treten, und fragten, ob es nicht ein hübsches Muster und schöne Farben seien. Dann zeigten sie auf den leeren Webstuhl, und der arme, alte Minister fuhr fort, die Augen aufzureißen; aber er konnte nichts sehen, denn es war nichts da. »Herr Gott!« dachte er, »sollte ich dumm sein? Das habe ich nie geglaubt, und das darf kein Mensch wissen! Sollte ich nicht zu meinem Amte taugen? Nein, es geht nicht an, daß ich erzähle, ich könnte das Zeug nicht sehen!«
»Nun Sie sagen nichts dazu?« fragte der Eine, der da webte.
»O, es ist niedlich, ganz allerliebst!« antwortete der alte Minister und sah durch seine Brille. »Dieses Muster und diese Farben! – Ja, ich werde dem Kaiser sagen, daß es mir sehr gefällt.«
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»Aber er hat ja nichts an!« sagte endlich ein kleines Kind. »Herr Gott, hört des Unschuldigen Stimme!« sagte der Vater; und der Eine zischelte dem Andern zu, was das Kind gesagt hatte.
»Aber er hat ja nichts an!« rief zuletzt das ganze Volk. Das ergriff den Kaiser, denn es schien ihm, als hatten sie Recht; aber er dachte bei sich: »Nun muß ich die Procession aushalten.« Und die Kammerherren gingen noch straffer und trugen die Schleppe, die gar nicht da war.
http://gutenberg.spiegel.de/buch/-6246/5
Schöne Geschichte von Andersen.
Wer Parallelitäten findet, darf sie behalten.
:-)
Die Realität sieht leider anders aus:
"Selbst wenn der Kaiser nackt ist, er wird schon wissen was er tut, schließlich ist er ja der Kaiser!" sagte der eine.
Ein anderer meinte: "Nackt ist sowieso besser! Bei den Temperaturen kein Problem!".
Nur inmitten der schweigenden Masse hob einer den Finger und sagte leise: "Aber es wird doch bald Winter...".
Er wurde nicht gehört.