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  • luxadm

318 Beiträge seit 28.04.2016

Linke und die soziale Frage

So, so, die Linken stünden besser da, wenn sie der sozialen Frage Aufmerksamkeit schenken würden.

Ach. Wer hätte das gedacht? Blitzmerker.

Dumm nur, daß man eigentlich formulieren müßte: "...stünden besser da, wenn sie der sozialen Frage Aufmerksamkeit geschenkt hätten." Weil es dafür mittlerweile nämlich viel zu spät ist. Jetzt glaubt ihnen niemand mehr, außer einem rapide schrumpfenden Häuflein von wirklich grenzenlos naiven Mitläufern bzw. Stammwählern. You can fool all people for some time and some people all of the time, but you can't fool all people all of the time.

Seit ca. 2-3 Jahrzehnten ist alles und jeder, der nicht zu einer - notfalls eingebildeten - Minderheit gehört bei den Linken vollkommen "abgemeldet" und steht sowieso ipso facto unter Faschismusverdacht. Wer glaubt, daß sich daran noch etwas ändert, glaubt auch an den Weihnachtsmann, den Osterhasen und den Klapperstorch. Keine Sorge, alles bleibt anders. Die Linken machen natürlich auch weiterhin ausschließlich in Identität, Gender und Islam, und dank einer ausgeprägten Fähigkeit zum doublethink sehen sie darin auch keinerlei Problem.

Die Hinwendung der Linken zu "Minderheiten" im Allgemeinen und zu der Botschaft des Propheten im Besonderen ist nämlich kein ideologischer Ausrutscher; sie folgt vielmehr einer oberflächlich verqueren, bei genauerem Hinsehen aber nur stringenten Logik: Though this be madness, yet there is method in't.

Die Erklärung liegt natürlich in der offenbar werdenden Schwäche der Bewegung seit dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes bzw. des RGW.

Solange die Linke in Westeuropa noch irgendwie mit Rückenwind aus Richtung Ost segeln konnte fühlte sie sich stark ohne es zu sein, man beschränkte sich auf rein symbolische politische Aktionsformen und ließ die Basisarbeit Basisarbeit sein. Was, wie man gerechterweise sagen muß, nur folgerichtig war, denn der Sozialstaat der Trente Glorieuses hatte dem Klassenkampf von unten den Boden entzogen: die Arbeiter wandten sich zunehmend vom Sozialismus ab und erstrebten eine weitgehende Verbürgerlichung, während die "soziale Revolution" nun umgekehrt zum im wesentlichen rein gedanklichen Zeitvertreib von Söhnchen und Töchterchen aus eher besserem Hause wurde.

Als dann seit Ende der 80'er Jahre des vergangenen Jahrhunderts erneut alle Werte umgewertet wurden und in der Sozialpolitik die große Wende rückwärts eingeleitet wurde, weil das Kapital die Chance, die soziale Frage in seinem Sinne zu stellen (und auch gleich zu beantworten) natürlich nicht ungenutzt ließ, da mußten die Linken zu ihrer großen Bestürzung feststellen, daß ihre Parteiführer und Intellektuellen mittlerwiele rein gar nichts mehr anhatten. Eine Massenbasis gab es sowieso nicht mehr, und die Fähigkeit, eine solche aufzubauen, hatte man gründlich verlernt.

"Doch wo die Not am größten, da wächst das Rettende auch." Und die rettende Losung lautete: If you can't beat them, join them.

Gesagt, getan. Die Linke lernte also eifrig wie man revoluzzt und dabei trotzdem Lampen putzt. Es genügte im Grunde, die soziale Frage, den dicken fetten Elephanten im Raum, nach Möglichkeit zu ignorieren und sich für die politische Arbeit grünere Weiden zu suchen. Letzteres im Wortsinne, denn die Ökologie, die man schon früher als harmlosen Zeitvertreib nebenher gepflegt hatte, wurde jetzt zur Obsession. Später kamen noch der "Antirassismus" hinzu, der den nunmehr ebenfalls tabu gewordenen Antiimperialismus ersetzte, dann das "Gender Mainstreaming" als Surrogat für die von der sozialen Frage dummerweise nicht zu trennende Befreiung der Frau. Und zum krönenden Abschluß zuletzt noch der Islam, dank welchem nun auch die letzten verbliebenen hartgesottenen Altstalinisten resozialisiert und in das Projekt eingegliedert werden konnten, wenn sie sich nur in rein oberflächlichen Dingen, wie der Farbe der Parteifahne und der Barttracht des geliebten Führers ein wenig flexibel zeigten.

(Der vorläufig letzte Schritt bestand dann darin, für überhaupt gar nichts mehr zu stehen, nur noch gegen etwas, nämlich den Universalpopanz "Rechts". Mehr Beliebigkeit geht nicht. "Links sein" heißt aktuell nur: "Wir sind die Guten. Punkt. Das Nähere regelt der nächste Parteitag/Kiezpalaver/Demokrawall.")

Der Imperativ "join them" wurde so konsequent befolgt, daß die Linken in den in "westlichen" Gesellschaften maßgebenden Kreisen ("maßgebend" bedeutet hier: ab einem zehnstelligen Privatvermögen, gemessen in USD oder EUR) zunehmend nicht mehr als lästig, sondern, im Gegenteil, als äußerst nützlich empfunden wurden. Heute kann man ohne Übertreibung sagen, daß die Linken die eigentlichen Stützen des Systems sind. Dies umso mehr, seit zwischen den konservativ-bürgerlichen Kreisen und dem Kapital eine gewisse (wenn auch eher ungern eingestandene) Entfremdung eingetreten ist, weil letzteres im Zuge seiner immer umfassenderen Konzentration und Zentralisation zunehmend die Mittelschicht angreift.

Und seit das Kapital - jedenfalls in Westeuropa - drauf und dran ist, sich zu Tode zu siegen (der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit wird durch den Siegeszug des Kapitals ja nicht aufgehoben sondern verschärft und erscheint auch und gerade bei fehlender Gegenwehr der Lohnabhängigen in der Form des Widerspruchs zwischen steigenden Profiten und der wachsenden Schwierigkeit ihrer Realisierung in sehr wirksamer und unhintergehbarer Weise) und in seiner Verzweiflung die große migrantische Kulturrevolution ausgerufen hat kennt das Glück der Linken schier keine Grenzen mehr, im doppelten Sinne des Wortes.

Natürlich ist das ein Glück auf Zeit, auf absehbar ziemlich kurze Zeit sogar. Der Kladderadatsch kommt so sicher wie das Amen in der Kirche (oder sollte man heutzutage besser sagen: wie der Kotau in der Moschee?) aber die Linken sind jetzt mitgefangen und wenn sie nicht mitgehangen werden, dann nur, weil sich das Kapital ihrer zu gegebener Zeit schon entledigen wird: ein Werkzeug das man bei Bedarf zur Hand nimmt oder wieder wegwirft, v.a. wenn es verbraucht und abgenutzt ist.

Die politische Zukunft gehört in Westeuropa mittelfristig den beiden Strömungen, die genug Entschlossenheit haben, im immer härter werdenen Kampf zu bestehen und die genug Substanz haben, sich ggf. auch nach einem wirtschaftlichen Zusammenbruch zu behaupten: den Nationalkonservativen und den Islamisten. Diese werden die nähere Zukunft Westeuropas unter sich ausmachen. Der Kampf geht zwischen einer rückwärtsgewandten Ideologie und einer extrem rückwärtsgewandten. Die einen wollen am liebsten zurück ins 19. Jahrhundert, die anderen idealerweise ins 16. (AKP, Gülenisten) oder am besten gleich in das siebente bis neunte (Moslembrüder, Golfmonarchen, Da'esh), ein jeder in die Zeit, in der die eigene Weltanschauung noch heil war. Die Entwicklung der Menschheit geht derweil weiter, v.a. in Ostasien, aber auch Nordamerika ist noch nicht aus dem Rennen und mit Rußland ist auch in Zukunft zu rechnen. Nur für uns sieht es düster aus.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (05.12.2017 20:29).

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