Ansicht umschalten
Avatar von Irwisch
  • Irwisch

mehr als 1000 Beiträge seit 22.03.2005

Über die Pseudo-Argumente der AfD

Die AfD behauptet, daß bestimmte Menschen nicht zu »unserem Gemeinwesen« gehören, nicht dazu passen würden. Das ist unbestreibar eine rechtsextreme Position, die in erster Linie Fremdenfeindlichkeit transportiert. Rechte sind heute:

für das Volk,
gegen Ausländer,
gegen Flüchtlinge,
gegen den Islam,
für deutsche Leitkultur,
für Heimat,
für Volksgemeinschaft,
für Kernkraft,
gegen den Euro,
für Putin,
gegen die USA usw.

Da stellt sich natürlich die Frage: Worin besteht der gemeinsame Nenner all dieser Positionen, all dieser Thesen und Theorien? Und worin unterscheidet sich die AfD damit von den bislang etablierten Parteien, abgesehen von den Linken?

Die Kritik von rechts an sozialen Mißständen zeichnet sich vor allem dadurch aus, daß sie diesen Mißständen eine soziale Wendung verpaßt: Nicht der Abbau des Sozialstaates wird von der AfD kritisiert, sondern die zunehmende Verarmung breiter Bevölkerungsanteile läge daran, daß hier Fremde reinkommen, daß der Staat Fremden was in die Taschen schaufle, was eigentlich deutschen Volkgsgenossen zustünde. Gauland drückte das folgendermaßen aus:

Wir geben viel Geld anderen und haben kein Geld für unsere eigenen Renten, für unsere eigenen Kinder, für genügend Kindergartenplätze. Das alles kann nicht bezahlt werden, aber Flüchtlinge dürfen es sein, so viel wie möglich.

Seinen Gegenstand macht er in soziale Notlagen aus, in Geldmangel, Armut, in fehlender Versorgung – nicht als nebensächlichen Sachverhalt, sondern als grundlegenden Mißstand in unserer Gesellschaft: in diesem Gemeinwesen sei etwas grundsätzlich nicht in Ordnung. Er fragt nicht danach, warum es bei uns dieses Gegeneinander von Arm und Reich überhaupt gibt, sondern argumentiert ganz anders. So bezieht er die Notlagen auf ein großes Wir, auf das »Volk« als angeblich zusammenhaltende und zusammengehörige Nation: »Wir geben viel Geld anderen und haben kein Geld für unsere eigenen Befürfnisse.« Auf diese Weise sucht er Leute, die von einer sozialen Notlage betroffen sind, gegen die Flüchtlinge, die noch weniger bekommen als Hartz-IV, aufzuhetzen: Die Flüchtlinge seien schuld, daß die »eigenen« Leute Not leiden, denn das Geld sei ja da, und es stünde zuerst den eigenen Leuten zu und nicht den Flüchtlingen, denn das sind ja Fremde, die hätten hier keine Rechte, keinen Anspruch auf Hilfe. Gauland erzählt also den armen und notleidenden Deutschen, sie würden mehr erhalten, gäbe es nicht diese Flüchtlinge. Doch das ist eine Lüge, denn die Hartz-IV-Sätze waren schon lange vor der sogenannten Flüchtlingskrise so knapp bemessen, und das nicht einmal, um Not unter den Bürgern zu verbreiten, sondern vor allem, um den noch in Arbeit befindlichen Druck zu machen, damit sie ihre Lohnforderungen herunterschrauben oder noch besser erst gar nicht stellen. Hartz-IV wurde eingeführt, um den europaweit größten Niedriglohnsektor zu etablieren und mit diesem Konkurrenzvorteil, den Deutschland dadurch erwirbt, die anderen europäischen Länder massiv unter Druck zu setzen, aber auch, um die Reichen noch reicher zu machen. Das aber verschweigt Gauland wissentlich, er möchte ja die Notleidenden in Deutschland für seine Zwecke instrumentalisieren und geht ganz richtig davon aus, daß die Ärmsten unserer Gesellschaft dieses Manöver nicht durchschauen, weil sie von diesen Zusammenhängen keine Ahnung haben.

Dieses Wir gibt es faktisch nicht, hier kämpft im Grunde jeder gegen jeden: Die Hartzer hassen die Obdachlosen und die Flüchtlinge, Prekär-Arbeitenden hassen die Hartz-IV-Empfänger und die Flüchtlinge, weil die ja fast genausoviel kriegen, ohne arbeiten zu müssen. Die regulär Angestellten hassen die prekär Beschäftigten und die Hartz-IV-Empfänger, weil erstere ihnen durch ihre Billigarbeit die Löhne verderben und zweitere ihre Steuerbelastung hochtreiben, denn die angeblichen Sozialschmarotzer müssen ja ausgehalten werden. Die wohlhabenden Beschäftigten hassen die regulär Beschäftigten, weil die ungebildet seien, die Manager hassen alle unter ihnen, weil das alles Gesocks ist, und die reichen Kapitaleigner hassen alle unter ihnen, weil sie viel ärmer sind. (das war zugegeben leicht polemisch, hat aber einen wahren Kern)

Was aber hat die Tatsache, daß ein Renter von seiner Rente und ein Arbeiter von seinem Lohn nicht leben kann, mit den Flüchtlingen zu tun? Die kamen doch erst viel später in dieser Masse, hereingelassen von der Merkel persönlich. Gauland aber behauptet hier einen Zusammenhang, ohne ihn näher zu begründen oder gar zu belegen, sondern geht ganz selbstverständlich davon aus. Gauland macht sich nicht erst die Mühe, zu recherchieren, warum Renten so niedrig sind oder wie es kommt, daß Menschen, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben, am Lebensabend mit 800 oder weniger Euro monatlich auskommen müssen, das ist ihm alles vollkommen egal. Er hat bereits eine Antwort auf diese Fragen: Fremde haben kein Recht auf soziale Unterstützung. Zudem negiert er die Tatsache, daß in Deutschland wie in allen anderen sogenannten »Demokratien« der kapitalistischen Welt schon immer ein Kampf der Besitzenden gegen die Besitzlosen im Gange war, daß sich Reichtum schon immer auf Kosten der Besitzlosen akkumuliert hat und daß die Reichen schon immer von den jeweiligen Staaten gegenüber den Armen bevorzugt wurden. »Deutschland gehört uns!« ließ schon Bernt Engelmann in einem seiner Bücher die deutschen Superreichen zu Wort kommen. Juristisch gesehen stimmt das tatsächlich, heute können Superreiche sogar sagen: Die ganze Welt gehört uns. Stimmt auch, alle Welt ist bei den Banken verschuldet, was systematisch und absichtlich durch das Finanz- und Wirtschaftssystem, Kapitalismus genannt, herbeigeführt wurde. Doch davon hört man weder etwas in den Mainstream-Medien noch bei den etablierten Parteien und schon gar nicht aus den Reihen der AfD.

Natürlich verschleudert der Staat Geld an Leute, denen es auch meiner Ansicht nach nicht zusteht, z.B. durch die zahlreichen verdeckten Suventionen, die er bereits in der Vergangenheit zahlreichen Konzernen zukommen ließ, allen voran Siemens und Mercedes, aber auch Thyssen-Krupp und vielen weiteren, die seit Jahrzehnten so gut wie keine Steuern mehr bezahlen. Siehe dazu z.B.:

Steuerschwund wegen Privilegien für Unternehmen und hohe Einkommen:
https://www.linksnet.de/artikel/18732
Aufsätze von Prof. Dr. Lorenz Jarass:
http://www.jarass.com/home/de/steuern/aufsaetze

Der Staat verschleudert tatsächlich Geld mit den unseligen Subventionen für die Landwirtschaft und letztlich auch mit Hartz-IV, das im Grunde dazu dient, den Konzernen Billigst-Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen, indem er die zum Leben fehlenden Beträge aus dem Steuersäckel bezahlt, was wie zufällig aber auch den Effekt hat, daß die Beschäftigten sich nun größtenteils hüten, Lohnforderungen zu stellen oder Arbeitsbedingungen zu kritisieren, denn sie wollen ja nicht in Hartz-IV landen. Vorberteitend wurden Hartz-IV-Empfänger medial quasi zu Untermenschen degradiert, denen man jederzeit das Recht auf Leben absprechen kann: wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Der Staat wurde somit längst zur Beute der Konzerne, nicht erst gestern oder im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise, die ist nur ein weiterer Schritt zur Ausweitung dieses Raubzugs. Die AfD ist im Grunde nichts weiter als ein neuer Mitspieler bei der Verteilung von Fleißig nach Reich, und sie strebt an, diese Verteilung mit faschistischen, totalitären Mitteln noch schneller voranzutreiben.

Wirtschaftsfreundlich statt sozial: Die AfD täuscht die kleinen Leute
»Die soziale Frage der Gegenwart ist nicht primär die Verteilung des Volksvermögens von oben nach unten oder alt nach jung«, sagte Höcke in Schweinfurt nur zwei Tage vor dem Stuttgarter Parteitag. »Die neue deutsche soziale Frage des 21. Jahrhunderts ist die Frage nach der Verteilung des Volksvermögens von innen nach außen«, sagte Höcke mit Blick auf Einwanderer, Flüchtlinge und andere Nationen.
https://www.n-tv.de/wirtschaft/Die-AfD-taeuscht-die-kleinen-Leute-article17613376.html

Siehe dazu auch:
Eine Geschichte der Gegenwart. Zur Sozialen Frage im 21. Jahrhundert
http://www.theoriekritik.ch/?p=2920

Und zum Anhören: Margaret Wirth über AfD:
https://www.youtube.com/watch?v=cqjrTft8UXc

Bewerten
- +
Ansicht umschalten