Na ja, das Ranking des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Los Angeles setzte im Jahre 2021 den Nationalstaat Deutschand auf Platz sieben der weltweit schlimmsten antisemitischen Menschen oder menschlichen Gemeinschaften (https://www.sueddeutsche.de/politik/antisemitismus-michael-blume-simon-wiesenthal-zentrum-1.5498032); gewiss etwas geschichtsvergessen, denn völkerrechtlich ist das jetzt demokratische und inzwischen wohl resozialisierte Deutschland natürlich noch immer exakt dasselbe völkermordende Rechtssubjekt wie unter nationalsozialistischer Herrschaft (https://dpa-factchecking.com/germany/221222-99-991265/), das nun neben Antidiskriminierungsbeauftragten ironischerweise zugleich Antisemitismusbeauftragte schätzt. Sprachlogisch sollten diese Personen von Deutschland dazu beauftragt worden sein, politische Ziele durchzusetzen – eventuell Antidiskriminierung und Antisemitismus? Oder deren Kontrolle? Beobachtung? Wer versteht so etwas korrekt, gerade aus einem anderen Kulturkreis? Vielleicht sollte gute Antisemitismusbekämpfung zunächst einmal sprachliche Missverständnisse erschweren.
Das Konzept Antisemitismus ist mittlerweile derart weit gefasst, dass jede Person, die etwas über einen oder mehrere jüdische Menschen äußert, das auch als Kritik interpretiert werden kann, als antisemitisch gilt; entlasten können dann höchstens einflussreiche jüdische Stimmen, die sich für diese Person verbürgen, wie etwa im Fall Michael Blume.
Das ist beunruhigend. Außerdem sollte klar sein, dass alle im vorliegenden Interview aus Repräsentativbefragungen zitierten Items, die mit den Worten »Juden haben« oder »Juden nutzen« beginnen, bereits pauschalisierende Aussagen darstellen und somit Vorurteile gegenüber jüdischen Menschen belegen, die nur noch positiv oder negativ eingeordnet werden müssen. Und schließlich stellt sich gerade für Deutsche die moralisch schwierige Frage, ob man selbst einzelnen jüdischen Menschen, etwa aus Politik oder Wirtschaft, überhaupt Macht zusprechen sollte, da dies ganz im Sinne alter nationalsozialistischer Hetzkampagnen in Deutschland wäre; auch das Benennen von Tatsachen könnte so aus historischen Gründen unmoralisch sein.
Die theologisch wirren Überlegungen des bekennenden Islamfeindes Hartmut Krauss im TP-Interview wirken interessengeleitet und triefen nur so vor Doppelmoral, etwa wenn der Hauptgrund für den diagnostizierten muslimisch motivierten Antijudaismus »die generelle Ungläubigenfeindlichkeit als Kernaspekt der islamischen Weltanschauung« (Krauss) sei.
Tatsächlich sind im Islam jüdisch oder christlich Gläubige stark privilegiert gegenüber nichtabrahamitischen; ein ähnliches Privileg gewährte das Christentum lediglich dem Judentum, während der Islam als heidnisch galt; und das Judentum hält von all seinen Nachkommen überhaupt nichts. Theologisch sollte man an alle Abrahamsreligionen entweder gleiche Maßstäbe anlegen oder könnte sich missionsgeleitete Überlegungen zu deren Varianten gleich ganz sparen.
Absurd ist deshalb auch jener Verweis auf ein »paradigmatisches Verhaltensmodell« (Krauss) im Kontext der Vernichtung dreier jüdischer Stämme, die sich wohl nicht unterworfen hatten, denn das damalige muslimische Vorgehen ist vor dem Hintergrund der von Gott befohlenen jüdischen Kriegsgesetze (https://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/bibel/dtn20.html) fast noch maßvoll zu nennen; besonders für das versprochene Kernland kennt die Bibel ein explizites Genozidgebot (vgl. Dtn 20,16-18), das keinerlei Gnade zulässt und wiederholt buchstabengetreu befolgt wurde. Zumindest der Islam honoriert die Selbstunterwerfung zuvor andersgläubiger Menschen, Judentum und Christentum nicht unbedingt, und Sklaverei existierte in allen Abrahamsreligionen.
Natürlich wäre der Holocaust als größter Völkermord an jüdischen Menschen, den schließlich fast ausnahmslos christlich Getaufte begingen, nicht ohne viele frühere, christlich motivierte Pogrome denkbar gewesen. Im direkten Vergleich zum Christentum hatte der Islam mit diesem Völkermord wenig zu tun, was womöglich eine geringere Sensibilität muslimischer Menschen für den ganzen Themenkomplex Antisemitismus erklären könnte.
Trotzdem muss man vermehrtem muslimisch motivierten Antijudaismus selbstverständlich besser begegnen, vor allem durch gezielte Aufklärung darüber, was vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Verbrechen heute in Deutschland als antisemitisch gilt; zum Beispiel seit einigen Jahren sogar Kritik an der Politik des jüdischen Volkes in Israel, was manche Menschen aus dem arabischen Raum nicht auf Anhieb verstehen und zugleich auf die eigene Geschichte verweisen. Mittelfristig wird sich die deutsche Sicht durchsetzen.
Prinzipiell darf allerdings niemand gezwungen werden, andere Menschen oder deren Weltanschauungen zu mögen – dies gilt für jüdische, christliche, muslimische wie für beliebige andere Gruppen, die eben gerne stärker wertgeschätzt würden –, denn unser Gesellschaftsmodell fordert von allen Menschen nur Toleranz; leben und leben lassen, mehr ist nicht notwendig, gegenüber Weltanschauungen nicht einmal Akzeptanz.
Probleme können sich immer dann ergeben, wenn historisch antidemokratische und im Kern absolut intolerante Weltanschauungen – etwa alle Varianten des abrahamitischen Monotheismus samt deren sozialem Reinheitsideal eines Gottesstaats der Gläubigen – wieder im ursprünglichen Sinne verstanden und gelebt werden sollen. Doch mit der deutschen Verfassung ist lediglich eine sehr moderne Exegese jener uralten, leider unveränderlichen Bücher vereinbar, und in diesem Punkt hinkt der heutige Islam tatsächlich deutlich hinterher, was aber durch staatlich kontrollierten islamischen Religionsunterricht mit der Zeit in den Griff zu bekommen sein sollte.
Und wie seit Jahrtausenden müssen sich Andersdenkende noch heute mit dem gesamten monotheistischen Abrahamssystem, das sich kulturell als Trostspender und Sinnstifter weltweit besser bewährt hat als konkurrierende Gedanken, insgesamt arrangieren sowie nicht nur in Deutschland als Preis ihrer Verstocktheit tolerieren, als gottheitenfeindliche Wesen auf Gottgläubige zugleich immer auch etwas antisemitisch zu wirken; Hartmut Krauss hat nicht wirklich verinnerlicht, dass allein Konversion Erlösung bieten könnte.