bannoeckle schrieb am 18.02.2023 14:52:
Offener Antisemitismus, verschleierter A. , Antisemitismus-Apologie oder seine Abwiegelung, oder noch was anderes?
Leser2015 schrieb am 17.02.2023 15:11:
Na ja, das Ranking des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Los Angeles setzte im Jahre 2021 den Nationalstaat Deutschand auf Platz sieben der weltweit schlimmsten antisemitischen Menschen oder menschlichen Gemeinschaften (https://www.sueddeutsche.de/politik/antisemitismus-michael-blume-simon-wiesenthal-zentrum-1.5498032); gewiss etwas geschichtsvergessen, denn völkerrechtlich ist das jetzt demokratische und inzwischen wohl resozialisierte Deutschland natürlich noch immer exakt dasselbe völkermordende Rechtssubjekt wie unter nationalsozialistischer Herrschaft …
Als ob die Diagnose von Antisemitismus einzig auf geschichtlichen Fakten beruhte. Versuchte Apologie.
Sprachlogisch sollten diese Personen (Antisemitismusbeauftragte) von Deutschland dazu beauftragt worden sein, politische Ziele durchzusetzen – eventuell Antidiskriminierung und Antisemitismus? Oder deren Kontrolle? Beobachtung?
Als ob der Auftrag solcher Ämter allein durch Sprachlogik zu ergründen wäre. Es steht in der Amtsbeschreibung und man kann nachlesen was sie tun. Also versuchte Apologie.
Das Konzept Antisemitismus ist mittlerweile derart weit gefasst, dass jede Person, die etwas über einen oder mehrere jüdische Menschen äußert, das auch als Kritik interpretiert werden kann, als antisemitisch gilt; entlasten können dann höchstens einflussreiche jüdische Stimmen, die sich für diese Person verbürgen, wie etwa im Fall Michael Blume.
Ziemlich fette Apologie. „Das wird man ja wohl noch sagen können.“ Es gibt ein durchdachtes und akzeptiertes Inventar von Kriterien, an denen man antisemitische Einstellungen in einer Gruppe von Menschen messen kann. Es geht hier ohnehin nicht um Aussagen einzelner Personen. Siehe die erste Seite dieses Interviews.
Außerdem sollte klar sein, dass alle im vorliegenden Interview aus Repräsentativbefragungen zitierten Items, die mit den Worten »Juden haben« oder »Juden nutzen« beginnen, bereits pauschalisierende Aussagen darstellen und somit Vorurteile gegenüber jüdischen Menschen belegen, die nur noch positiv oder negativ eingeordnet werden müssen.
Die Wortwahl bei solchen Umfragen ist in der Tat wichtig. Aber wer hier pauschalisiert, das bist du. Versuchte Apologie. Ebenso der nächste Abschnitt:
Und schließlich stellt sich gerade für Deutsche die moralisch schwierige Frage, ob man selbst einzelnen jüdischen Menschen, etwa aus Politik oder Wirtschaft, überhaupt Macht zusprechen sollte, da dies ganz im Sinne alter nationalsozialistischer Hetzkampagnen in Deutschland wäre; auch das Benennen von Tatsachen könnte so aus historischen Gründen unmoralisch sein.
Also weiter. Mit den quasitheologischen Argumenten von Hartmut Krauss im TP-Interview habe ich auch Probleme.
Im direkten Vergleich zum Christentum hatte der Islam mit diesem Völkermord wenig zu tun, was womöglich eine geringere Sensibilität muslimischer Menschen für den ganzen Themenkomplex Antisemitismus erklären könnte.
Offene Abwiegelung. Es geht hier nicht um mangelnde Sensibilität gegenüber Antisemitismus, sondern seine offensichtlich verbreitete Existenz.
Trotzdem muss man vermehrtem muslimisch motivierten Antijudaismus selbstverständlich besser begegnen, vor allem durch gezielte Aufklärung darüber, was vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Verbrechen heute in Deutschland als antisemitisch gilt; zum Beispiel seit einigen Jahren sogar Kritik an der Politik des jüdischen Volkes in Israel,
Die von mir hervorgehobene Formulierung ist offener Antisemitismus.
unser Gesellschaftsmodell fordert von allen Menschen nur Toleranz; leben und leben lassen, mehr ist nicht notwendig, gegenüber Weltanschauungen nicht einmal Akzeptanz.
…was aber durch staatlich kontrollierten islamischen Religionsunterricht mit der Zeit in den Griff zu bekommen sein sollte.
Staatlich vermittelter Religionsunterricht gehört ersatzlos gestrichen.
Hartmut Krauss hat nicht wirklich verinnerlicht, dass allein Konversion Erlösung bieten könnte.
Hartmut hat den Religionsunterricht verlassen, als er 14 oder 15 war 😊
Danke, diese Reaktion belegt eindrucksvoll den Mangel an basalen Kulturtechniken, der seit jeher fast alle Diskussionen über Antisemitismus oder einst Hexerei in Deutschland kennzeichnet. Begriffe ersetzen keine Argumente; »Apologie« (bannoeckle) ist ein zwar legitimer Begriff, der dann aber argumentativ unterfüttert werden müsste, um Gewicht zu erhalten und über eine bloße Meinungsäußerung hinauszugehen. Andere legitime, doch ebenso inhaltsleeren Begriffe wären im Kontext des vorliegenden Artikels etwa Antisemit oder Häretiker, sofern nicht noch eine detaillierte Begründung für den natürlich legitimen Vorwurf erfolgte.
Der Vorwurf der Apologie meint vermutlich, dass mein erster Kommentar Antisemitismus verteidigt oder gerechtfertigt hätte. Okay, kann man so sehen, aber was soll das ohne Begründung bringen? Selbstverständlich gibt es Antisemitismus und Hexerei sowie ein »akzeptiertes Inventar von Kriterien, an denen man antisemitische Einstellungen in einer Gruppe von Menschen messen kann« (bannoeckle) ebenso wie den seit Jahrhunderten bewährten Malleus maleficarum. Das alles gibt es wirklich, doch wen interessiert solcher Schadenszauber? Solange antisemitische oder hexende Häretikerinnen und Häretiker nicht gewaltbereit sind oder sonst gegen irgendwelche Gesetze verstoßen, sollte man in einer offenen Gesellschaft selbst mit derart verpeilten Menschen gut zusammenleben können.
Wer einen gesellschaftlichen Missionsanspruch vertritt, wird dieser Sichtweise natürlich vehement widersprechen. Meine These war doch gerade, dass sowohl Antisemitismus als auch das gesamte Theoriegebäude dazu – aufgeschlüsselt etwa nach primärem, sekundärem, israelbezogenem, strukturellem – mittlerweile den Charakter eines säkularreligiösen Glaubenssystems besitzt, das in dieser dogmatischen Form zu keiner anderen Weltanschauung existiert.
Und gerade bekannte Verfolgungsfälle wie die von Michael Blume, Christoph Heusgen oder Jakob Augstein belegen eindrucksvoll, dass sich trotz aller Theorie zu Antisemitismus selbst ausgewiesene Fachleute uneins sein können und es bei der Verteidigung gegen solche Vorwürfe eben nur auf die Machtverhältnisse und möglichst viele jüdische Bürgen ankommt; genau wie zu Zeiten des Hexenwahns, wobei die historische Rolle des Vatikans bei der Verfolgung von Häresie heute Israel zukommt. Mit diesem Zustand kann kein halbwegs liberaler, aufgeklärter Mensch zufrieden sein; bedrückend übrigens auch der Kontaktschuldfall Peter Schäfer, der gute Bücher schreibt, Kurze Geschichte des Antisemitismus oder Zwei Götter im Himmel kann ich Interessierten sehr empfehlen.
Ähnlich wie zu Zeiten des Hexenwahns gilt beim Thema Antisemitismus inzwischen die Schuldvermutung, und es existiert eigentlich nur ein innerer Tatbestand; jede Äußerung über als jüdisch gelesene Themen erfüllt nach herrschender Lehre bereits den äußeren, und es kommt dann lediglich noch darauf an, was sich währenddessen im Kopf der tatverdächtigen Person abgespielt haben könnte. Wer also Antisemitismusvorwürfen prinzipiell aus dem Weg gehen möchte, der meidet folglich solche Themen und natürlich jeden Kontakt zu jüdischen Menschen ganz, denn in Gefahrenbereichen geht bekanntlich Eigensicherung vor. Wollen wir das wirklich, gerade als Deutsche? Oder sollte man nicht das Konzept Antisemitismus viel enger fassen? Als Deutscher werde ich mich allen sozialen Erfordernissen anpassen können.