Im Grunde fasst sich das so zusammen: wer arbeitet, wird arm dabei.
Nur mal so als Gegenüberstellung:
Als Arbeiter braucht man i.d.R. in irgendeiner Form Mobilität. Auf dem Land ist das primär das Auto, aber auch wer in einer Stadt lebt, muss ggf. zwischen den Orten pendeln und kann auf's Auto nicht verzichten.
Nur so als Milchmädchenrechnung: so ein fahrbarer Untersatz kostet richtig viel. Selbst wenn man auf Neuwagen verzichtet und sich der Wertverlust im unteren dreistelligen Bereich bewegt: KFZ-Versichern, KFZ-Steuer, alle zwei Jahre zum TÜV, jedes Jahr eine Durchsicht - auch wenn man den Karren nicht bewegt, ist man am Ende jedes Jahr 1000,- Euro los. Will man damit auch noch rumfahren und hat beispielsweise eine tägliche Pendelstrecke von 20km, sind das im Monat eben zwischen 800 und 900km Fahrleistung nur für's Pendeln, eine Tankfüllung Diesel (60l) oder anderthalb Benzin (70l). 1,85 Euro kostet gern der Diesel dieser Tage, 1,75 Super E5, da landen wir dann also bei rund 110 - 120 Euro Spritkosten pro Monat, also bis zu 1500,- Euro im Jahr. Zusammen ist man 2500,- Euro los - das ist für viele mehr als ein Monatsnetto einschließlich meiner Wenigkeit.
Das sind übrigens nur die Kosten für EINEN PKW. Wenn beide erwachsenen Familienmitglieder erwerbstätig sind, landet man schnell bei ZWEI PKWs, denn man arbeitet ja nicht unbedingt im gleichen Unternehmen und oft sogar in verschiedenen Orten.
Natürlich könnte man auch, so vorhanden, mit den Öffis fahren und käme billiger: wenn das 49,- Euro Ticket dann mal bundesweit gilt, sind das eben 49,- Euro monatlich für Mobilität oder eben knappe 600,- Euro im Jahr. Das ist schon günstig - wenn man aber aus welchen Gründen auch immer noch einen PKW in der Garage stehen hat um damit am Wochenende rumzufahren oder um etwaige Öffi-Ausfälle auszugleichen, sind das wieder 1000,- Euro, die obendrauf kommen. Im Grunde ist das so: wenn man, wieder aus welchen Gründen auch immer, einen PKW braucht, sollte man ihn auch benutzen.
Nun ist das Ticket aber noch gar nicht eingeführt und, dieses Beispiel kommt aus meiner Ecke, es gelten die Tarife der Verbundräume. Schlecht ist, wenn man von einem Verbundraum in den nächsten wechselt oder wenn man nicht innerhalb einer Zone / Wabe / Sektor / whatever rumfährt: dann kostet die Monatskarte schnell richtig viel. Aus 60,- Euro werden dann beispielsweise 80,- Euro innerhalb des gleichen Verbundraums für zwei benachbarte Zonen. Oder man legt 100,- Euro auf die Theke, dann darf man überall rumfahren innerhalb des Verbundraums.
Wenn man dagegen wechselt von einem Verbundraum zum anderen muss man auch zwei Vollpreis-Monatskarten erwerben. Hat man dort mehrere Zonenwechsel drin, kommt das auch noch dazu. Wer also das Pech hat, zwischen zwei Verbundräumen zu pendeln, kann bei den Preisen auch wieder das Auto bemühen und spart am Ende sogar noch Geld, wenigstens aber ERspart man sich rappelvolle Busse und die jährliche unfreiwillige Immunisierung gegen Grippe und Erkältungen in den Öffis.
Zwar gibt's was vom Fiskus zurück (Steuererklärung), aber auch nur, wenn man einer Erwerbsarbeit nachgeht, die a) lohnsteuerpflichtig ist und b) wenn der Verdienst hoch genug ausfällt, damit überhaupt eine Lohnsteuer gezahlt wird. Aber selbst wenn Steuern gezahlt werden, gibt es c) natürlich maximal nur so viel zurück, wie man auch an Steuern gezahlt hat, der Rest landet wahlweise im Vor- oder im Nachtrag (je nachdem, wie man da verrechnet) und wird erst dann irgendwann ausgezahlt, wenn man mal mehr Einkommenssteuer gezahlt hat, als man tatsächlich dann zurückbekäme durch seine Aufwendungen.
Bei Minijobbern und Mindestlöhnern ist das effektiv nie der Fall, so dass man hier konstatieren muss: Pendelaufwand verschärft die Armut trotz Arbeit.
Es lohnt sich einfach nicht, einen Minijob oder Mindestlohnerwerbstätigkeit anzugehen, wenn man dafür nicht zu Fuß oder mit dem Rad hingelangen kann. Sobald man ein Auto braucht oder die Öffis bemühen muss, ist es unwirtschaftlich und sogar schädlich für die Existenzsicherung. Da kann man sich nur wundern, wieviele Menschen da noch mitspielen, statt sich zu verabschieden aus dem Hamsterrad - und ALG-II bzw "Bürgergeld" beantragen. Wie man sich der Mitwirkungspflicht entziehen kann, ohne dass es auffällt, kann man mit einiger Sicherheit in entsprechenden Social Groups bzw. Foren erfahren.
Arm trotz Arbeit ist ein kapitales Versagen unserer Gesellschaft, unseres Staates und unserer Politik. Aber ich vermute mal, es ist so gewollt: wer kaum was zu beißen hat und zwei Jobs braucht zum reinen Überleben, der hat keine freie Zeit, um gegen die Zustände demonstrieren zu gehen.