Ansicht umschalten
Avatar von Wächter der Nacht
  • Wächter der Nacht

mehr als 1000 Beiträge seit 06.12.2007

Von wegen schöne neue Arbeitswelt 2.0!

Es ist doch nur die alte Tretmühle.

Es gibt eine Vielzahl enthumanisierter Arbeitsplätze, in denen die
Beschäftigten wie Roboter funktionieren müssen. Wer's nicht glaubt,
der lasse sich mal von einem Sortierer bei einem Entsorgungsbetrieb
seinen Job erklären. Oder beim nächsten Event in der Schlange zum
Bierausschank sehe er mal genauer hin, wie die Leute hinterm Tresen
schuften. Und Heimarbeit ist auch noch immer nicht nur
Bildschirmarbeit, sondern so manches mal stumpfsinniges Montieren von
den immer gleichen Teilen zu einem mehr als lausigen Stundenlohn. Und
im Call-Center, ständig überwacht vom Big Brother Computer zwecks
Effektivität, Lotterielose zu verkaufen, oder die quengelnden Kunden
zu beruhigen, weil das mit DSL doch nicht alles so klappt, wie es die
Werbung verspricht, auch das ist kein Zuckerschlecken und ein Job,
der fertig machen kann.

Wer jetzt jedoch sagt. selber schuld, dem kann man nicht mehr helfen.
Ich war jung und brauchte das Geld kann man getrost generalisieren:
ob jung oder alt, alle brauchen Geld zum Überleben. Deswegen
funktioniert dies ja im Kapitalismus so schön mit den niedrigen
Löhnen und den besch. Arbeitsbedingungen. Arbeitskräfte gibt es genug
und es gibt immer einen, der seine Haut noch billiger zu Markte
trägt.

Beliebt ist auch die Mär, dass Angestellte und Beamte es besser
hätten (am allerbesten natürlich die Lehrer). Manches davon hat der
Artikel ja schon gerade gerückt. Dank ständigem Controlling,
Nichtbesetzen von freien Arbeitsplätzen, Entlassungswellen und immer
wieder neuen Umstrukturierungen im Namen des Profits oder der
Marktanpassung, hat sich das Gefühl der Sicherheit in den letzten
Jahren in Wohlgefallen aufgelöst. Der Konkurrenzdruck steigt, was
wiederum zum Volkssport Mobbing führt und eben dann zu psychischen
Erkrankungen. Ich weiß nicht, ob es Studien dazu gibt, aber in meinem
Umfeld ging es bei mehr als der Hälfte aller an Depressionen
Leidenden im Beruf los. 

Für Arbeitslosigkeit gilt das genauso/ noch mehr. Nicht gebraucht zu
werden, nutzlos zu sein, ist wohl eines der demütigendsten Gefühle
das es für das soziale Lebewesen Mensch geben kann.
Ein Dank an die Agenda 2010, dass sie das so klar missachtet!

Oft sieht eine Krankheitskarriere so aus: Überlastung im Beruf;
Mobbing durch die lieben Kollegen, Burnout/ Depression/
Substanzmissbrauch (Alkohol, Benzodiazepene) u.a., Hinschleppen zur
Arbeit (mit oder ohne Beruhigungsmittel / Tavor und Co.),
Zusammenbruch, "Klinikkarriere", Verlust des Arbeitsplatzes (kann
natürlich schon früher kommen), Arbeitslosigkeit, Hartz IV.

Und dann sagen solche Superschlauen: Wer arbeiten will, findet
Arbeit.

Das System produziert immer wieder die Opfer, auf denen es dann am
liebsten selbst herum trampelt.

Das alles gab es natürlich früher schon, aber nicht in diesem Ausmaß
und in dieser Heftigkeit.

"Unter allen Krankheiten, die Lebensqualität verringernd und
behindernd sind, finden sich in den Industrienationen bei der Gruppe
der 15- bis 44-jährigen unter den ersten zehn Krankheiten vier
psychiatrische Krankheiten: Depression, Schizophrenie, manische
Depression und Zwangskrankheiten."
> http://science.orf.at/science/news/10106

"Mittlerweile gehen 8,9 Prozent aller Krankentage [in der BRD] auf
Depressionen, Psychosen, Neurosen o.ä. zurück. Im Jahre 1976 wurden
lediglich 2 Prozent al?ler Fehltage entsprechend begründet. Nun
ran?gieren psychischen Störungen bereits an vierter Stel?le."
> http://bkk-hessen.de/index.php?dms_id=32&vorlage=show.php?thema=Presseservice&id=375

Das sind Zahlen, die eine deutliche Sprache sprechen.

Das System der Entfremdung, das der Kapitalismus nun mal ist,beutet
für den Profit der Wenigen alle aus. Es ist zutiefst krank und macht
krank.

Weitere Gedanken zu diesem und ähnlichem Themen hab eich in meinem
Blog niedergeschrieben:
> http://ungenannter.wordpress.com
> http://ungenannter.wordpress.com/tag/depression/ 


Bewerten
- +
Ansicht umschalten