Um mal zynisch anzufangen: Heute habe ich auf NDR-Radio einen Beitrag gehört, wie gut man mit Migranten (dort "Flüchtlinge" genannt) umgehen müsse und wie viele Anstrengungen dafür in D. unternommen werden. Man kann einem deutschen ALG-II-Empfänger nur empfehlen seine Sprache zu vergessen, den Pass wegzuwerfen, sich die Haare schwarz zu färben und dann als "Syrer" über Österreich nach Deutschland einzureisen. Schon wird er "gefördert" und keiner redet mehr von "fordern".
<Zynismus off>
Nicht Schröder wurde 1998 gewählt, sondern Lafontaine hat die SPD den Wahlsieg zu verdanken. Schröder wurde nur deshalb Kanzler, weil er kurz zuvor die Wahlen in Niedersachsen gewonnen hatte. Und Schröder ist nur ein Symptom für den Niedergang der SPD und der Grünen, der schon vorher eingesetzt hatte. Wenn es nur Schröder gewesen wäre, wäre Lafontaine nicht zurück getreten.
Und der "Schröder"-Verrat hat nicht nur ALG-II-Betroffene verraten, sondern 99% der Bevölkerung, alle die nicht vom Neoliberalismus profitieren.
Was die Psyche betrifft, zwei Bemerkungen. Erstens, es ist doch sonnenklar, dass wer in die ALG-II Falle gerät, ein massives Problem kriegt und natürlich ist die Psyche auch davon betroffen. Nennt man dann Depressionen. Und schon vorher, wer von Jobverlust bedroht ist, dem geht es doch genau so.
Zweitens. Ein Trick der herrschenden Oligarchie ist, ALG-II-Empfänger auszugrenzen und in die Ecke von "Untermenschen" (bzw. "Kranken", Depressiven) zu schieben. Damit jeder, der noch nicht davon direkt betroffen ist (indirekt sind es alle der 99%), seine Ängste dadurch kompensieren und verdrängen kann, dass er die "Untermenschen" verachtet. Genau so wie meine Oma Anno Tobak in der Morgenzeitung erst einmal die Todesanzeigen gelesen hat, mit dem Kommentar "erst mal kucken wer aal doad is" (*). Das Frühstücksbrötchen schmeckt manchen besser, wenn sie jemanden sehen dem es noch schlechter geht als ihm selbst (bei meiner Oma: Fühlt sich lebendiger, wenn Altersgenossen schon sterben mussten).
Fazit: Abgesehen davon dass ALG-II und die ganzen asozialen Sklavenhaltertricks, mit Leiharbeit etc., abgeschafft gehören, Schluss mit der Ausgrenzung dieser Gruppe und bitte das Problem im Gesamtzusammenhang betrachten. Oder psychologisch formuliert: Wenn da einer Depressionen hat, natürlich soll im geholfen werden. Aber das ist in der Regel kein individuelles, sondern ein gesellschaftliches Problem.
(*) hochdeutsch: "Erst mal gucken wer schon tot ist."