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  • propaganda.hilfs.kraft

mehr als 1000 Beiträge seit 10.10.2009

Rechtsbeugung auf Biegen und Brechen -> Menschenverachtung mit Methode

Hallo,

Twistie2015 schrieb am 03.04.2017 11:50:

mich hat dies hier erschreckt, was bei Fefe zu lesen war.
https://blog.fefe.de/?ts=a655f9ba

Fefe lese ich normalerweise nicht. Aber vielleicht werde ich mal in den Blog schauen? Aber zuerst mal einige Anmerkungen auf der Basis einiger Informationen aus meinem privaten Giftschränkchen als ver.di-Aktivist.

Wenn dieser Mann tatsächlich, wie er sagt, Jurist ist und von dem überzeugt ist, was er sagt, dann zeigt dies, wie stark die dort verinnerlichte Wirklichkeit von der Realität abweicht.

Ein Beispiel dafür:
Ja, wir wissen das viele unserer Sanktionen gekippt werden. Das ändert nichts daran das sie in dem Moment richtig/vertretbar waren. Es ist so, dass vor Gericht immer im Zweifel für den Leistungsempfänger entschieden wird und das ist auch gut so. Das bedeutet aber nicht, dass die Sanktion nicht gerechtfertigt wäre. Beispiel: Kunde kommt nicht zum Termin. Per Gesetz gibt das ne Sanktion. Der Kunde geht in den Widerspruch und sagt vor Gericht "die Einladung ist nicht angekommen." - Kann keiner das Gegenteil beweisen und der Kunde bekommt recht. Sanktion aufgehoben. So einfach.

Das ist so aber nicht mehr sicher. Ich kenne die Aktenlage von mehreren Prozessen bei denen nicht oder extrem verspätet zugegangene Bescheide von den Gerichten bei der Urteil[er]findung gegen den Kläger kurzerhand unter den Tisch fallen gelassen wurden. Ich war übrigens bei zwei solcher Verhandlungen Zuschauer und hatte vorab mit Erlaubnis der Kläger Einblick in deren Schriftverkehr. Angefangen hat diese systematische Rechtsbeugung an den deutschen Sozialgerichten nach meinen Informationen etwa 2011. Etwas später hat mich ein Kollege darauf aufmerksam gemacht, aber ich hielt seine Aussagen damals noch für eine krude Verschwörungstheorie.

Im Jahr 2011 fuhr auch der DGB-Rechtsschutz seine Unterstützung für ALG-II-Bezieher auf fast Null herunter. Ich habe damals versucht an weitere Informationen zu kommen ... aber der DGB-RS hat gemauert. Erst Mai 2016 hat eine Anwältin des DGB-RS von sich aus mir gegenüber das Thema angesprochen und in groben Zügen meine Beobachtungen bestätigt. Das Gespräch hat damals übrigens auch der Kollege angeleiert.

...[...]...

1. eine Sanktion muss in einem solchen Fall nicht verhängt werden, denn der entsprechende Paragraph im StGB sagt:

https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_2/__31.html

"
§31:
(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, in der Eingliederungsvereinbarung oder in dem diese ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Absatz 3 Satz 3 festgelegte Pflichten zu erfüllen,"

Wichtig hierbei ist:

Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte *****einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen****.

---> eine vor dem Sachbearbeiter an Eides statt getätigte Aussage, dass die Einladung nicht ankam, würde also ausreichen um eine Sanktion hier nicht notwendig zu machen.

Das ist so falsch! Der Sachbearbeiter hat nicht immer Entscheidungskompetenz. Er handelt sehr häufig auf Wunsch und Weisung seiner Führung. Dies kann man bei Akteneinsichten erfahren. Allerdings geht das für uns Normalos nicht, dies muss ein Anwalt machen. Und dieser wiederum muss dann auch die Informationen rausrücken. Alternativ kann auch der Betroffene Akteneinsicht bei dem Jobcenter fordern. Das muss aber der Betroffene machen und er/sie muss auch in der Lage sein die Anweisungen der Führung zu finden.

Es wäre hier also schon für den Sachbearbeiter möglich, auf die Sanktion zu verzichten,

Nein! Der Sachbearbeiter handelt auf Wunsch und Weisung seiner Führung. Der Sachbearbeiter hat in manchen Fällen keinerlei Entscheidungsspielraum. Dies variiert aber von Jobcenter zu Jobcenter und mein vorsichtes Anklopfen bei den wenigen in ver.di organisierten JC-Mitarbeitern ergab nur Antworten aus den JC mit Entscheidungsspielraum sowie Hinweise auf JC in denen die Sachbearbeiter keinerlei Entscheidungsspielraum haben und aus denen es damals auch keine Reaktionen gab.

Ich lasse jetzt mal vieles weg, was irrelevant sein kann und es auch häufig ist ...

Zunächst wird ja die Kürzung angekündigt und der Betroffene wird zur Stellungnahme aufgefordert, hier kann er bereits angeben, dass er die Einladung nicht erhalten hat.

Hinzu kommt, dass auch §37 SGB X zur Anwendung kommen könnte:

https://www.buzer.de/gesetz/3086/a43310.htm

1Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. 2Ein Verwaltungsakt, der im Inland oder Ausland elektronisch übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. 3Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist;***** im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.*****

https://detlefnolde.wordpress.com/2014/08/03/behoerde-muss-zustellnachweis-erbringen/

Das ist Theorie und wird nicht immer so gehandhabt. Seit etwa 2011 häufen sich die Meldungen über systematische Rechtsbeugungen an Sozialgerichten um dieses unrechtsmässige Verhalten der JobCenter zu decken. Das geht so weit, dass die Richter den Beisitzern Unterlagen vorenthalten. Dies kam bei einer belanglosen Plauderei, welche der Beisitzer aber gar nicht hätte führen dürfen, heraus. So was nennt man auch Prozessbetrug.

Aber Prozessbetrug begehen die JobCenter auch nur zu gerne. Da werden unvollständige Akten an Gerichte und Anwälte übergeben. Und dann findet man in Akten plötzlich Bescheide die an Adressen gesendet wurden die der Betroffene damals gar nicht hatte oder gar kannte. Falschbeurkundung ... und wenn die dann in einen Prozess benutzt wird ... Prozessbetrug ... Und der DGB-RS sieht weg!

Was das lapidare "so einfach" des Sachbearbeiters angeht: für den "Kunden" ist das nicht "so einfach", er muss ja zunächst vor Gericht gehen, dann Kostenbeihilfe beantragen und daher seine Erfolgsaussichten schildern, dann heißt es warten und in der Zwischenzeit eben ohne x Euro auskommen. ...

Oder er geht zu seiner Gewerkschaft, welche ihn dann durch den DGB-RS vertreten und verraten lässt.

Das wäre also durchaus zu vermeiden gewesen, wenn der Sachbearbeiter seinen Paragraphen ernstgenommen hätte und die Möglichkeit, hier auf Sanktionen zu vermeiden, genutzt hätte, was der Paragraph ja extra hergibt. Dass er sagt, ein Terminversäumnis muss automatisch zu einer Sanktion qua Gesetz führen, zeigt, dass er entweder diese Falschaussage selbst glaubt und fehlinformiert ist, oder aber durch sie täuschen will. Beides ist unschön.

Egal. Hauptsache er macht seinen Job. Und dieser ist eben das Aushebeln des Rechtsstaats für ALG-II-Bezieher. Er/Sie soll solche Zustände ja gar nicht vermeiden sondern herbei führen.

MfG

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