Zu viel für einen Artikel. Eine umfassende Einordnung würde ein halbes Buch füllen. Hier nur ein paar wenige Bemerkungen.
Vieles, von dem was Daniljuk ausführt, ist durchaus vernünftig und plausibel. Er macht aber über weite Strecken - nicht durchgehend, etwa wenn er darauf hinweist, dass die usa am Krieg interessiert seien - den Fehler, einen guten Willen des Westens vorauszusetzen. Ein solcher war nie gegeben, Russland wurde stets als Feind betrachtet, den man bei Gelegenheit weiter schädigen müsse, um besseren Zugriff auf die grossen Rohstoffreserven der russischen Landmasse zu erhalten. Dafür wäre ein Zerfall nicht nur der Sowjetunion, sondern auch Russlands selbst Voraussetzung. Diese wurde und wird in völliger Selbstüberschätzung angestrebt.
Dafür sind die europäischen Politiker in ihrer Mehrheit bereit, sich dem Imperium usa vollständig unterzuordnen, eine Änderung der geostrategischen Blickrichtung, weg vom Atlantik nach Osten kommt, zumindest auf Augenhöhe, nicht in Frage. Dafür mögen neben ökonomischen Überlegungen auch kulturell motivierte ausschlaggebend sein. Die Europäer sind also nicht in diese Situation hineingeschlittert sondern sehenden Auges hineinmarschiert. Dass ukrainisches Territorium ein entscheidendes geostrategisches Aufmarschgebiet ist, zeigen schon die fühen u.s.-amerikanischen Versuche, es von der Sowjetunion abzuspalten, die kläglich scheiterten.
Nach der Auflösung der Sowjetunion startete die nächste Phase. Dort ein westlich orientiertes Vasallenregime zu installieren. Dies gelang schliesslich 2014 per Putsch, in den auch der aktuelle deutsche Bundespräsident verwickelt war. Seitdem wurde die Ukraine, der nach Moldawien zweitärmste europäische Staat, zielgerichtet und mit Hilfe der nato-Strukturen zum antirussischen Bollwerk aufmunitioniert. Zwischenziel war es, in einem überwältigenden Angriff die beiden Donbass-Entitäten zurückzuerobern. Auf die zu erwartende russische Reaktion bereitete man sich, im Gegensatz zum Fall Georgien, bzw. Ossetien, über 7 Jahre gründlich vor. Das ist der Grund, warum heute gut die Hälfte der ukrainischen Armee im Donbass eingegraben ist.
Diese Kräfte sind jetzt, nach dem präemptiven Angriff Russlands, weitgehend eingekesselt und werden langsam aber sicher aufgerieben. Die russische Bedrohung Kiews sorgt dafür, dass die restlichen militärischen Kräfte der Ukraine, soweit noch existent, dort gebunden bleiben und nicht zu Hilfe eilen können.
Um die Afghanistan-Falle weiss auch die russische Führung. An eine Besatzung der gesamten Ukraine ist vermutlich nicht gedacht. Das Ziel ist vermutlich eine Abspaltung des gesamten Donbas inkl. Küstenstreifen der optimalerweise bis nach Transnistrien reichen würde und die Restukraine vom Asowschen bzw. Schwarzen Meer abriegelte. Auf diesen Gebieten würde dann ein 'selbstständiger' Vasallen- und Pufferstaat errichtet, die russische Armee würde sich recht schnell weitgehend zurückziehen.
Diese Zukunft sehen wohl nun auch die westlichen Strategen voraus und den Neocons unter ihnen gefällt das selbstredend nicht. Sie sind wohl bereit einen finalen Clash heraufzubeschwören, mit allen Eskalationsgefahren, die dieser mit sich brächte. Die u.s.-Amerikaner unter ihnen wohl in der trügerischen Annahme, der gesamte Krieg würde sich in Europa abspielen. Man kann nur hoffen, dass es ihnen nicht gelingt sich durchzusetzen. In der Biden-Administration sitzen sie vorwiegend im Aussenministerium, während das Pentagon dagegen hält. Auseinandersetzungen zwischen diesen zwei Machtsphären haben Tradition. Das Pentagon möchte sich lieber auf China konzentrieren, wo nach Aussagen einiger wichtiger Exponenten in spätestens 5 Jahren eine militärische Grossauseinandersetzung stattfinden wird. Biden selbst lebt noch im Kalten Krieg.
Die Wahrscheinlichkeit baldiger Verhandlungserfolge ist unter diesen Umständen minim. Es werden weiter die Waffen sprechen, darunter auch die ökonomischen. Die gestrige Anordnung Putins, nur noch Rubel für Energierohstofflieferungen anzunehmen, treibt den Westen nun in die Enge. Noch ist wohl nicht entschieden, wie darauf geantwortet wird. Ein gänzlicher Verzicht auf die russischen Rohstoffe hätte jedenfalls im hohen Mass negative konjunkturelle Auswirkungen.