Sissy Fuß schrieb am 25. September 2009 18:34
> Leg mich nicht auf Wahlen fest. Weiter unten habe ich schließlich
> geschrieben, was den Wahlen vorausging, die Evo Morales gewonnen hat:
> Streiks, Demonstrationen, Straßenblockaden. Das gehört für mich alles
> dazu, und noch vieles mehr. Engels hat ja mal geschrieben: „Am besten
> wäre es, wir könnten die ganze Bande auskaufen.“ :-)
Das stimmt auch wieder.
> Wahlen können nichts ändern, sie können höchstens der Ausdruck dafür
> sein, daß sich etwas geändert hat. Weder Evo noch Allende oder die
> spanischen Republikaner hatten ihre Wahlsiege ihrem tollen Wahlkampf
> zu verdanken, sondern sie wurden von einer starken gesellschaftlichen
> Strömung ins Amt getragen. Und nun kommt es darauf an, zu verhindern,
> daß es Evo wie den anderen Genannten ergeht.
Naja da wär ich jetzt vorsichtig - sie haben durch ihren Wahlkampf
diese Strömung kanalisiert. Immerhin war die Wahlwerbung der MAS mit
dem Plakat des kleinen Mädchens das die herrschende Ausbeutung
anpragerte hervorragend.
> War er das? Das alte Regime hatte abgewirtschaftet und war völlig
> isoliert. Aber gestürzt wurde es nicht durch die Maoisten, die hätten
> noch hundert Jahre Anschläge verüben können. Sie haben zu seinem
> Sturz beigetragen, aber das konnten sie nur, weil dieser Sturz fällig
> war.
Nana - die Maoisten haben da in erster Linie Maos Ideen verfolgt. Nur
weil ein Regime abgewirtschaftet hat heißt es nicht das es einfach
mal so beseitigt werden kann. Die Regime der arabischen Halbinsel
sind dafür ein gutes Beispiel das es nicht so laufen muss. Ohne die
Maoisten hätte das Regime noch lange Zeit existieren können.
> „Volkskriege“ gibt es nicht und kann es gar nicht geben, denn ein
> Bürgerkrieg findet nie zwischen „dem Volk“ und „den Unterdrückern“
> statt, sondern zwischen sozialen Schichten und kulturellen bzw.
> religiösen Gruppen. Der Riß geht selbst durch Familien, deswegen
> trifft es der Ausdruck „Bruderkrieg“ oft weit besser als der Begriff
> „Bürgerkrieg“ - gehören dann die Eltern zu den Unterdrückern und die
> Kinder zum Volk oder wie?
Das kann passieren. Sicher ist es nix schönes wenn der Vater der
anderen Seite zugeneigt ist aber es ist in der Vergangenheit so
gewesen und es wird auch in Zukunft wieder vorkommen. Nur weil etwas
nicht schön ist heißt es nicht das es nicht vorkommt und manchmal
auch notwendig ist. Wie schon geschrieben - in Deutschland hatte man
es leichter - Glück gehabt. Aber was wäre gewesen wenn es zum offenen
Konflikt mit der DDR gekommen wäre - wär das nicht auch ein
Bruderkrieg gewesen? Und wie viele hätten dann "Nein" gesagt. Ich bin
überzeugt das auch viele die sich als "links" bezeichnen diesen Krieg
mitgetragen hätten.
> Noch mal: Wer zahlt den Preis? Wer bringt die Opfer? Was ist ein Ziel
> wert, das durch Krieg erreicht wurde, und wie werden die Überlebenden
> des Gemetzels mit all dem Haß und Elend fertig?
Den Preis zahlen alle - deswegen ist es wichtig das sich der Sieg
auch für alle oder sagen wir besser, für die Mehrheit, sinnvoll ist.
Weisst du, hier in LA sind die Dinge ein wenig anders als in
Deutschland. Es ist für mich selbst schwer zu verstehen, schließlich
bin ich in Deutschland geboren und aufgewachsen bis ich mich für LA
entschieden habe - der Tod hat hier offenbar eine andere Bedeutung
als er es in Deutschland hat. Die Menschen schaffen es irgendwie hier
besser damit fertig zu werden - jedenfalls kommt es einem
Außenstehenden so vor. Ich kenn mehrere denen jemand wichtiges durch
Gewalt weggenommen wurde, gerade in Kolumbien oder in den Städten
Brasiliens ist das fast nicht zu vermeiden. Denoch geht das Leben
weiter. Vielleicht ist das der Grund warum viele Latinos so gerne
feiern - man muss das Leben genießen, vielleicht hat man es morgens
nicht mehr. Ist vermutlich auch der Grund warum sich so wenige hier
eine Vorstellung von der Zukunft machen oder langfristige Pläne
schmieden - jedenfalls wenn sie der Unterklasse angehören.
> Die Dinge haben sich geändert. Die Putschisten in Honduras haben
> bereits verloren, sie wollen es bloß noch nicht einsehen. Aber dazu,
> daß sie international völlig isoliert sind - allen Bemühungen der FDP
> zum Trotz :-> - hat die Standhaftigkeit der Demonstranten
> entscheidend beigetragen, eben weil sie friedlich geblieben sind und
> dadurch den Putschisten die Chance nahmen, sich als Retter von Recht
> und Gesetz aufzuspielen. In der DDR war es ähnlich - die Betonköpfe
> haben doch bloß darauf gewartet, daß die Bürgerrechtler etwas
> „anstellen“! Aber die haben ihnen den Gefallen nicht getan.
Naja, warten wir erst mal ab. Vielleicht hast du ja recht.
> Ich weiß, daß das nicht für alle Situationen gilt. Friedlicher
> Widerstand kann schier unmöglich sein. Das sehe ich aber in Honduras
> nicht, im Gegenteil. Dort ist friedlicher Widerstand das höchste
> Gebot!
Wie gesagt, warten wir es ab. Ich gebe hier auch bloß meine Meinung
wieder. Ich will weder irgendwen aufhetzen noch mich in Dinge
einmischen die keinen ausser die Menschen in Honduras etwas angehen.
> Den kann doch keiner von Evos Anhängern wollen. Also tut was dagegen!
Du musst verstehen das es verschiedene Strömungen bei Evos anhängern
gibt. Da gibt es auf der einen Seite die Nachfahren der Indios die in
ihm so etwas wie den wiedergeborenen "Inca Sapa" sehen und bereit
sind für ihn zu töten (was sie auch bereits getan haben), dann gibt
es die Campesinos die sich eine Verbesserung ihrer Situation
versprechen dadurch das sie legal Coca anbauen dürfen, dann gibt es
Opportunisten und auch Verbrecher die glauben durch Morales ist es
einfacher Koks zu produzieren.
Auf der anderen Seite sind die Leute aus Santa Cruz, die ja eher der
hellhäutigen, Bevölkerungsminderheit angehören und größtenteils
Nachfahren der Europäer sind auf ihn ganz schlecht zu sprechen. Er
vertreibe die Amis und schade damit der Wirtschaft, ist ein Rassist
da er die Nachfahren der Indios über Gebür bevorzuge, ist ein Kommi
(eigentlich ist er ja eher Sozialdemokrat) und vieles mehr.
Die Situation ist aufgeladen - daher sind die Wahlen im Dezember im
Augenblick hochinteressant. Von den Stimmen in Santa Cruz wird viel
abhängen. Aber auch sein bevorstehender Deal um die Lithiumvorräte
ist eine wichtige Sache - macht er die gut dann nimmt er vielen
Kritikern den Wind aus den Segeln.
> Die Lage ist günstig wie noch nie. Früher wäre Evo doch längst aus
> dem Amt geputscht worden, und das „demokratische Ausland“ hätte
> Beifall gezollt. Heute wird den Rassisten in Santa Cruz von allen
> Seiten die rote Karte gezeigt. Sie hätten kaum eine Chance, wenn sie
> es wirklich darauf ankommen lassen, das haben ja auch die Präsidenten
> der Nachbarländer zu verstehen gegeben. Es ist eben nicht mehr die
> Zeit der „Operation Cóndor“.
Naja, die nächsten Monate werden es zeigen. Im Augenblick sind in
Santa Cruz ziemlich viele Millitärpolizisten zu sehen - und beliebt
sind die nicht.
> Das macht den Spruch nicht besser und Jefferson nicht sympathischer.
Das kommt darauf an wie man den Spruch meint und wer ihn sagt.
> Ich halte durchaus nicht still, aber darüber bin ich Dir keine
> Rechenschaft schuldig.
Wohl nicht.
> Zum Abschluß will ich aber noch ein Kompliment loswerden, und zwar
> für Deinen Diskussionsstil. Ich bin grob geworden, und ich glaube
> weiterhin, daß wir uns ein einigen wichtigen Fragen nicht einigen
> können. Aber daß Du Dich auf eine ernsthafte Diskussion eingelassen
> hast, gefällt mir.
Nettes Kompliment - kann ich nur zurückgeben.
> Leg mich nicht auf Wahlen fest. Weiter unten habe ich schließlich
> geschrieben, was den Wahlen vorausging, die Evo Morales gewonnen hat:
> Streiks, Demonstrationen, Straßenblockaden. Das gehört für mich alles
> dazu, und noch vieles mehr. Engels hat ja mal geschrieben: „Am besten
> wäre es, wir könnten die ganze Bande auskaufen.“ :-)
Das stimmt auch wieder.
> Wahlen können nichts ändern, sie können höchstens der Ausdruck dafür
> sein, daß sich etwas geändert hat. Weder Evo noch Allende oder die
> spanischen Republikaner hatten ihre Wahlsiege ihrem tollen Wahlkampf
> zu verdanken, sondern sie wurden von einer starken gesellschaftlichen
> Strömung ins Amt getragen. Und nun kommt es darauf an, zu verhindern,
> daß es Evo wie den anderen Genannten ergeht.
Naja da wär ich jetzt vorsichtig - sie haben durch ihren Wahlkampf
diese Strömung kanalisiert. Immerhin war die Wahlwerbung der MAS mit
dem Plakat des kleinen Mädchens das die herrschende Ausbeutung
anpragerte hervorragend.
> War er das? Das alte Regime hatte abgewirtschaftet und war völlig
> isoliert. Aber gestürzt wurde es nicht durch die Maoisten, die hätten
> noch hundert Jahre Anschläge verüben können. Sie haben zu seinem
> Sturz beigetragen, aber das konnten sie nur, weil dieser Sturz fällig
> war.
Nana - die Maoisten haben da in erster Linie Maos Ideen verfolgt. Nur
weil ein Regime abgewirtschaftet hat heißt es nicht das es einfach
mal so beseitigt werden kann. Die Regime der arabischen Halbinsel
sind dafür ein gutes Beispiel das es nicht so laufen muss. Ohne die
Maoisten hätte das Regime noch lange Zeit existieren können.
> „Volkskriege“ gibt es nicht und kann es gar nicht geben, denn ein
> Bürgerkrieg findet nie zwischen „dem Volk“ und „den Unterdrückern“
> statt, sondern zwischen sozialen Schichten und kulturellen bzw.
> religiösen Gruppen. Der Riß geht selbst durch Familien, deswegen
> trifft es der Ausdruck „Bruderkrieg“ oft weit besser als der Begriff
> „Bürgerkrieg“ - gehören dann die Eltern zu den Unterdrückern und die
> Kinder zum Volk oder wie?
Das kann passieren. Sicher ist es nix schönes wenn der Vater der
anderen Seite zugeneigt ist aber es ist in der Vergangenheit so
gewesen und es wird auch in Zukunft wieder vorkommen. Nur weil etwas
nicht schön ist heißt es nicht das es nicht vorkommt und manchmal
auch notwendig ist. Wie schon geschrieben - in Deutschland hatte man
es leichter - Glück gehabt. Aber was wäre gewesen wenn es zum offenen
Konflikt mit der DDR gekommen wäre - wär das nicht auch ein
Bruderkrieg gewesen? Und wie viele hätten dann "Nein" gesagt. Ich bin
überzeugt das auch viele die sich als "links" bezeichnen diesen Krieg
mitgetragen hätten.
> Noch mal: Wer zahlt den Preis? Wer bringt die Opfer? Was ist ein Ziel
> wert, das durch Krieg erreicht wurde, und wie werden die Überlebenden
> des Gemetzels mit all dem Haß und Elend fertig?
Den Preis zahlen alle - deswegen ist es wichtig das sich der Sieg
auch für alle oder sagen wir besser, für die Mehrheit, sinnvoll ist.
Weisst du, hier in LA sind die Dinge ein wenig anders als in
Deutschland. Es ist für mich selbst schwer zu verstehen, schließlich
bin ich in Deutschland geboren und aufgewachsen bis ich mich für LA
entschieden habe - der Tod hat hier offenbar eine andere Bedeutung
als er es in Deutschland hat. Die Menschen schaffen es irgendwie hier
besser damit fertig zu werden - jedenfalls kommt es einem
Außenstehenden so vor. Ich kenn mehrere denen jemand wichtiges durch
Gewalt weggenommen wurde, gerade in Kolumbien oder in den Städten
Brasiliens ist das fast nicht zu vermeiden. Denoch geht das Leben
weiter. Vielleicht ist das der Grund warum viele Latinos so gerne
feiern - man muss das Leben genießen, vielleicht hat man es morgens
nicht mehr. Ist vermutlich auch der Grund warum sich so wenige hier
eine Vorstellung von der Zukunft machen oder langfristige Pläne
schmieden - jedenfalls wenn sie der Unterklasse angehören.
> Die Dinge haben sich geändert. Die Putschisten in Honduras haben
> bereits verloren, sie wollen es bloß noch nicht einsehen. Aber dazu,
> daß sie international völlig isoliert sind - allen Bemühungen der FDP
> zum Trotz :-> - hat die Standhaftigkeit der Demonstranten
> entscheidend beigetragen, eben weil sie friedlich geblieben sind und
> dadurch den Putschisten die Chance nahmen, sich als Retter von Recht
> und Gesetz aufzuspielen. In der DDR war es ähnlich - die Betonköpfe
> haben doch bloß darauf gewartet, daß die Bürgerrechtler etwas
> „anstellen“! Aber die haben ihnen den Gefallen nicht getan.
Naja, warten wir erst mal ab. Vielleicht hast du ja recht.
> Ich weiß, daß das nicht für alle Situationen gilt. Friedlicher
> Widerstand kann schier unmöglich sein. Das sehe ich aber in Honduras
> nicht, im Gegenteil. Dort ist friedlicher Widerstand das höchste
> Gebot!
Wie gesagt, warten wir es ab. Ich gebe hier auch bloß meine Meinung
wieder. Ich will weder irgendwen aufhetzen noch mich in Dinge
einmischen die keinen ausser die Menschen in Honduras etwas angehen.
> Den kann doch keiner von Evos Anhängern wollen. Also tut was dagegen!
Du musst verstehen das es verschiedene Strömungen bei Evos anhängern
gibt. Da gibt es auf der einen Seite die Nachfahren der Indios die in
ihm so etwas wie den wiedergeborenen "Inca Sapa" sehen und bereit
sind für ihn zu töten (was sie auch bereits getan haben), dann gibt
es die Campesinos die sich eine Verbesserung ihrer Situation
versprechen dadurch das sie legal Coca anbauen dürfen, dann gibt es
Opportunisten und auch Verbrecher die glauben durch Morales ist es
einfacher Koks zu produzieren.
Auf der anderen Seite sind die Leute aus Santa Cruz, die ja eher der
hellhäutigen, Bevölkerungsminderheit angehören und größtenteils
Nachfahren der Europäer sind auf ihn ganz schlecht zu sprechen. Er
vertreibe die Amis und schade damit der Wirtschaft, ist ein Rassist
da er die Nachfahren der Indios über Gebür bevorzuge, ist ein Kommi
(eigentlich ist er ja eher Sozialdemokrat) und vieles mehr.
Die Situation ist aufgeladen - daher sind die Wahlen im Dezember im
Augenblick hochinteressant. Von den Stimmen in Santa Cruz wird viel
abhängen. Aber auch sein bevorstehender Deal um die Lithiumvorräte
ist eine wichtige Sache - macht er die gut dann nimmt er vielen
Kritikern den Wind aus den Segeln.
> Die Lage ist günstig wie noch nie. Früher wäre Evo doch längst aus
> dem Amt geputscht worden, und das „demokratische Ausland“ hätte
> Beifall gezollt. Heute wird den Rassisten in Santa Cruz von allen
> Seiten die rote Karte gezeigt. Sie hätten kaum eine Chance, wenn sie
> es wirklich darauf ankommen lassen, das haben ja auch die Präsidenten
> der Nachbarländer zu verstehen gegeben. Es ist eben nicht mehr die
> Zeit der „Operation Cóndor“.
Naja, die nächsten Monate werden es zeigen. Im Augenblick sind in
Santa Cruz ziemlich viele Millitärpolizisten zu sehen - und beliebt
sind die nicht.
> Das macht den Spruch nicht besser und Jefferson nicht sympathischer.
Das kommt darauf an wie man den Spruch meint und wer ihn sagt.
> Ich halte durchaus nicht still, aber darüber bin ich Dir keine
> Rechenschaft schuldig.
Wohl nicht.
> Zum Abschluß will ich aber noch ein Kompliment loswerden, und zwar
> für Deinen Diskussionsstil. Ich bin grob geworden, und ich glaube
> weiterhin, daß wir uns ein einigen wichtigen Fragen nicht einigen
> können. Aber daß Du Dich auf eine ernsthafte Diskussion eingelassen
> hast, gefällt mir.
Nettes Kompliment - kann ich nur zurückgeben.