mind.dispersal schrieb am 04.04.2019 10:21:
Da sind viele wieder empört, dass man sich bei der PR-Kampagne für den Artenschutz diesmal als 'umbrella species' die Biene vor den Karren gespannt hat, um überhaupt Interesse zu wecken. Dass es dabei nicht um Honigbienen geht, welche den Honig liefern und die Mandelbäume in Kalifornien bestäuben und auch gar nicht gefährdet sind, sondern um Wildbienen, welche zurückgehen, hat man wahrscheinlich bewusst verschwiegen.
Das ist und bleibt aber, objektiv gesehen, Populismus. Zynisch ist nicht, darauf hinzuweisen, sondern das bewusst zu verschweigen.
Selbst habe ich das Volksbegehren auch gezeichnet, stehe also durchaus hinter den meisten der geforderten Änderungen des Bayrischen Naturschutzgesetztes. Gefallen tut mir aber nicht, mit welchen Mitteln der gute Zweck erreicht wurde.
Zynisch ist auch, wenn die gleichen Leute, die populistisch für den Artenschutz warben, der Energiewende mit all ihren katastrophalen Auswirkungen auf die Arten das Wort reden und die massiven negativen Seiten kleinreden oder verleugnen.
Über Windrädern habe ich wenig Wissen, mag also auch keine Beurteilung dazu abgeben. Bei den Agrargasanlagen dagegen kenne ich einige der schlimmen Auswirkungen, die maßgeblich zum (nicht nur) Insektensterben beitragen. Die Maisflächen sind biologische Wüsten, die abgeschwemmten Sedimente versiegeln die Betten von Bächen, häufige Havarien dieser Anlagen vernichten das Leben in den Fließgewässern.
Die energetisch sinnfreie kleine Wasserkraft bewirkt, dass Fließgewässer nahezu landesweit ihre Durchgängigkeit verloren haben, was wiederum die aquatischen Lebensgemeinschaften massiv verändert hat. Das betrifft auch Insekten!
Leider muss man sich dafür Tricks und Werbestrategien der modernen Informationsgesellschaft zunutze machen, sonst nehmen die Menschen das nicht wahr. Traurig, oder?
Es ist sicher kein Ersatz für flächendeckende, ökologische Bildung, die überhaupt erst die Kompetenz verleiht, in Sachen Naturschutz sinnvolle Entscheidungen mitzutragen. Aber da letzteres nicht passiert, bleibt kaum anderes.
Genauso wie bei der Kernkraft oder der Energiewende, beim Thema Zuwanderung, beim Impfen, beim Elektrosmog, beim Brexit und bei sehr vielen anderen Themenfelder. Man lässt sich von Gefühlen leiten oder von populistischen Akteuren manipulieren, in deren Sinn abzustimmen. Traurig, ja.
Genau aus diesen Gründen sehe ich die vielbeschworene direkte Demokratie sehr, sehr zwiespältig. Die abstimmende Bevölkerung hat zu einem großen Teil eben gar nicht die Kompetenz, ihr Kreuz an der 'richtigen' Stelle zu machen. Ändern lässt sich das nicht, weil ein einzelner Mensch nicht in allen Themenfeldern die nötige Kompetenz aufbauen kann, um wirklich sachlich richtig abstimmen zu können. Letztzlich bestimmen meistens die Medien den Ausgang eines Plebiszits oder charismatische Zugpferde, die eine Bürgerbewegung anführen.
Noch viel trauriger ist aber, dass die Berufspolitiker wohl sehr häufig ebenso wenig Ahnung von der Materie haben, über die sie entscheiden. Welcher Jurist im Bundestag kann denn etwas über den Lebenszyklus des Sandlaufkäfers berichten? Oder über die Konsequenzen des geänderten Urheberrechtes? Also wird der Abgeordnete so entscheiden, wie der Lobbyist ihm sagt, dass er abstimmen soll. Das wird allgemein zurecht negativ gesehen. Wenn aber der Bürger durch Populisten dazu gebracht wird, 'richtig' abzustimmen, ist das plötzlich gut und richtig? Ja, im konkreten Fall ist das Ergebnis richtig, zugegeben. Aber nicht die Art und Weise, wie es zustande kam.