Der Artikel stellt das (fehlende?) Engagement der NATO-Staaten sehr einseitig auf die "atomaren Fähigkeiten" Russlands beschränkt dar.
Es gibt mehr als nur einen Grund um zu erklären, warum sich NATO-Staaten nur begrenzt auf der Seite der Ukraine einbringen:
- Anfangs war es mit Sicherheit das Gefühl "es bringt eh' nix, der Spaß wird in ein paar Tagen vorbei sein.
- Den Russen traute man dann danach zwar nicht mehr zu, wirklich "den Sack zu"machen zu können (=die Ukraine vollständig zu besiegen), aber man hatte ja gesehen, dass die Ukraine sich behaupten konnte und meinte, dass das reicht um dass Russland früher oder später aufgeben würde.
- Die USA waren bereit, (konventionell) voll einzusteigen falls Russland im Herbst 2022 Atomwaffen eingesätzt hätte (das war der Zeitpunkt der erfolgreichen Gegenoffensive der Ukrainer, als die Russen aus Charkiw vertrieben wurden - innerhalb der russischen Führung gab es da wohl die Überlegung, die Ukrainer mit einer taktischen Atomwaffe "einzuschüchtern".
- Danach begannen wieder Diskussionen, die sich um die Lieferung von Kampfpanzern drehten. Hier hat es Monate gedauert, bis es zu einer Entscheidung kam, Waffen zu liefern, aber das Training in Westeuropa außerhalb der Ukraine zu machen. Zu dem Zeitpunkt hatte die Ukraine noch keine Probleme, Kräfte zu rotieren und die Verluste hatten für die Ukrainer noch nicht die schwindelerregenden Höhen wie ab Sommer 2023 erreicht.
- Durch die lange Vorbereitungszeit und Einschränkungen bei den verfügbaren Waffen (Reichweite, Anzahl) ging dann die Sommeroffensive 2023 der Ukrainer schief.
- Die Phase der verlustreichsten Kämpfe (für beide Seiten) begannen dann ab Sommer / Herbst 2023, als die Russen anfingen, erst massiv mit Gleitbomben die ukrainischen Verteididungsstellungen anzugreifen und dann auch sehr viel umfangreicher als bisher die ukrainischen Stellungen angriffen. Dabei werden von den Russen auch Chemikalien eingesetzt, die auf der C-Waffen-Verbotsliste stehen - nachdem sich anfängliche Berichte der Ukrainer im Frühjahr 2024 bestätigt haben und auch internationalen Stellen diese Übertretungen mitgeteilt wurden blieb trotzdem jede Reaktion aus Washington aus, was darauf hindeutet dass man in der Biden-Administration einfach keine Lust hatte, noch tiefer in den Konflikt einzusteigen.
Die Taktik der Amerikaner ist eher, nur so viel zu liefern (und an Geld zu geben), dass die Russen gerade nicht siegen können. In der Hoffnung, dass in ein, zwei Jahren den Russen dann die Puste ausgehen wird. Wieviel dann noch von der Ukraine übrig bleiben wird, das ist eine andere Sache.
Die Aussagen von Macron und Johnson sind denke ich auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass sie eben nicht für die NATO allgemein sprechen. Beide sind oder waren Vertreter von Staaten, die seinerzeit beim Budapester Memorandum als Garantiemächte u.a. der Ukraine aufgetreten sind. Und dass ihre Staaten jeweils über eigene A-Waffen und Trägersysteme verfügen - allerdings nicht direkte Nachbarn der Ukraine sind, was schon im zweiten Weltkrieg dazu geführt hat, dass die beiden Garantiemächte Frankreich und England die Kapitulation Polens nicht verhindern konnten, weil keine Truppen direkt ins Kriegsgebiet gebracht werden konnten.
Militärisch wird von der NATO die Situation der Ukraine noch als "unter Kontrolle" betrachtet, zumindest solange die Großstädte am Dnjepr (Sapporischschia, Kriwoj Rih, ...) und Charkiw noch nicht in unmittelbarer Frontnähe liegen. Wäre das der Fall, dann könnte ich mir schon vorstellen, dass die Europäer da anders urteilen würden, vor allem aus Angst von noch mehreren Millionen Flüchtlingen aus der Ukraine. Für die Amerikaner ist das vorrangig ein europäischer Krieg, wenn sich Amerika da in Zukunft mehr engagieren sollte dann vor allem um zu zeigen, dass es keinen Sinn macht die USA herauszufordern.