Nachtschicht schrieb am 16.03.2022 17:54:
Ja, oder eben überhaupt keine "Spezialoperation" ... dann hätte man sich vermutlich weiter mit Vergiften und Morden beschäftigt und nicht mit Völkermorden.
Absolut, ja! Die russische bzw. im Grunde genuin putinsche (das schließt seine Kreise ein) Abendteuerlust resultiert aus dem Atomwaffenarsenal. Ohne dieses fehlt der Mut. Ohne dieses wäre ein Ukraine-Abendteuer eine fatale Torheit und ein Untergang des russichen Restimperiums wäre determiniert.
Ich stimme mit der Autorin in einem einzigen Punkt absolut überein: der Bau, Besitz und die Nutzung von Atomwaffen ist völkerrechtswidrig, schöner wäre die Welt ohne sie.
Auch ich bin vollkommen d'accord damit. Das Problem debei ist: Es ist schlichtweg völlig welt- und realitätsfremd. Wir sind nicht bei Wünsch-dir-Was im Schlaraffenland. Wir befinden uns in den hässlichen Niederungen globaler Macht- und Geopolitik.
Leider nützt diese Erkenntnis seit dem ersten Einsatz in Japan niemandem mehr. Und nach dieser Spezialoperation sind Atomwaffen schneller ausverkauft als Speiseöl. Wenn Herr Putin mit dieser "Spezialoperation" durchkommt, hat er eine vielleicht irgendwann mal mögliche atomare Abrüstung um mindestens 1000 Jahre verschoben.
Streng genommen hast du recht. Mit den beiden Bomben auf Hiroshima und Nagasaki wurde eine völlig falsche Abzweigung genommen bzw. selbst hier war aber noch nicht alles gänzlich verloren. Hätte man angesichts der schrecklichen Zerstörung und des unfassbaren Leids (manchmal braucht es eben zunächst auch dies zur Einsicht und zur Besserung) diese Mahnmale global als solche begriffen und sich die Weltgemeinschaft einmütig und vom Frieden beseelt darauf geeinigt, dass eine Wiederholung für alle Zeit ausgeschlossen werden muss, dann hätte man die völkerrechtlichen, vertraglichen Voraussetzungen dafür schaffen können und sich bis heute an diese halten können.
Auch das ist natürlich eine totale Utopie, aber es wäre zumindest hypotehetisch nicht ausgeschlossen gewesen, wenn sich die gesamte Menschheit zu ihrer Verantwortung bekannt hätte.
Aber das ist Geschichte. Wir sind heute 76,5 Jahre und mehrere atomwaffenfähige Staaten weiter. Das Rad der Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Und die uralten Gesetze der Macht und Ohnmacht, die seit Anbeginn der menschlichen Existens, ja letztendlich seit Anbeginn jeglichen Lebens existieren, sind auch mit maximaler Wokeness, Brightness, Gutmenschentum und Friedensbewegtheit nicht oder zumindest nicht dauerhaft außer Kraft zu setzen. Es genügt einer, der aus irgendeinem Rappel heraus zum Zeitpunkt x wieder aus dem Konsens ausschert und die uralten Gesetze sind wieder in Kraft als wären sie nie Weg gewesen und die altbekannte Mechanik setzt sich erneut in Gang.
Wir müssen in der Realität und mit der Menschheit leben, die wir haben. Ultraprogressive Utopien und Wunschdenken bringen uns auf die falsche Bahn und bisweilen auch an/in den Abgrund. Wieder und wieder und wieder. Das gilt nicht natürlich nur für das Feld der Geopolitik. Das gilt für alle Bereiche und für unser ganzes Leben. Was privat und im Kleinen in zwischenmenschlichen Beziehungen so oft scheitert und nicht funktioniert, wird auch zwangsläufig zwischen Staaten scheitern. Es sind ursprüngliche Naturgesetze, deren Ausßerkraftsetzug mit dem reinen, einseitigen Willen nicht erreichbar sind.
Meine Oma väterlicherseits, ein totales Kind der NS-Zeit und mit Abstand der geduldigste, liebste, ruhigste und friedfertigste Mensch, den ich bisher in meinem Leben kennenlernen durfte - gab zur ein oder anderen Gelegenheit immer den berühmten Ausspruch aus Wilhelm Tell zum Besten:
"Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt."
An dieser tiefen, ewig gültigen Wahrheit kommt niemand vorbei.
Willkommen in der Realität!