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  • auf_der_hut

mehr als 1000 Beiträge seit 07.05.2008

Re: Demokratieverständnis

Diskussionen über "was wäre wenn" sind immer recht fruchtlos.

Der russlandfreundliche Präsidentschaftskandidat in Rumänien hatte keineswegs eine absolute Mehrheit gewonnen. Er bekam lediglich im ersten Wahlgang die meisten Stimmen und wäre wahrscheinlich in der Stichwahl unterlegen, wenn sich alle Demokraten hinter dem einzigen verbliebenen Gegenkandidaten versammelt hätten.

Meiner Meinung nach ist es ein Fehler, verfassungsfeindliche Parteien überhaupt zu Wahlen antreten zu lassen. Wahlen sind Abstimmungen über Personen und die Ausrichtung der Politik, nicht über das System als solches. Es gibt keinen Anspruch der Wähler auch verfassungsfeindliche Parteien auf dem Wahlzettel vorzufinden. Ich habe bei der AfD grundsätzliche Zweifel, ob sie die Gewaltenteilung und die demokratischen Institutionen (z.B. das Bundesverfassungsgericht) respektiert und ob sie sich jemals wieder abwählen lässt, wenn sie erst einmal die Macht hat. Dazu gibt es entsprechende Gutachten des Verfassungsschutzes in Thüringen und Sachsen. Die AfD hat bisher nicht erkennen lassen, dass sie auf diese Gutachten mit einer Mäßigung ihrer aggressiv-kämpferischen Grundhaltung zur "Parteiendemokratie" reagiert, sondern im Gegenteil hat die Tendenz zur Radikalisierung auch auf noch auf ihre westlichen Landesverbände übergegriffen.

Entgegen der herrschenden Meinung bin ich der Ansicht, dass gerade die AfD einen pragmatischen und illusionslosen Umgang mit der Flüchtlingswelle eher verhindert als gefördert hat.

Auch eine absolute Mehrheit wäre kein Freibrief um die FDGO abzuschaffen. Widerstand gegen solche Bestrebungen ist laut GG nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten. Der Kampf gegen die Abschaffung der Demokratie ist keine Frage von Prozenten. Notfalls müssen demokratische Institutionen auch gegen demokratische Mehrheiten verteidigt werden, denn Wahlen sind immer nur Momentaufnahmen. Wenn aber erst alle anderen Parteien verboten oder kriminalisiert und die demokratischen Institutionen infiltriert sind, dann ist der Rückweg in die Demokratie verbaut und der Souverän hat keine Möglichkeit mehr zu artikulieren, dass er es sich mittlerweile anders überlegt hat.

Ich fühle mich nicht berufen, den Rumänen Nachhilfe in Demokratie zu geben. Es ist eben eine Abwägungsfrage, was der größere Schaden für die Demokratie ist - wenn man einen vom feindlichen Ausland gesteuerten Kandidaten zulässt oder wenn man ihn ausschließt. Im ersten Fall gibt es vielleicht nie wieder eine freie und faire Wahl, im letzteren ist ein Teil der Wähler, der mit der Demokratie sowieso nicht viel am Hut hat, nicht vertreten oder muss halt dem zweitbesten Kandidaten seine Stimme geben. Wer nach welchen Regeln diese Frage entscheidet ist Sache der Rumänen, nicht unsere.

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