Wladimir Iljitsch Lenin und seine Bolschewiki waren sich sicher, sie hätten verstanden, wie die Welt funktioniert, und beschlossen so, dass sie besser als die Bauern wüssten, wie Landwirtschaft zu verrichten sei. Die Kleinbauern wüssten nur nicht, wie großartig Industriebetriebe seien und wie viel billiger das Getreide werden könnte, wenn es nur in kollektivistischen Betrieben produziert werden würde. Dummerweise reduzierte sich die Anbaufläche durch die beschlossenen Maßnahmen und auch die Erntemenge pro Hektar war in den Kollektivbetrieben deutlich niedriger als bei den Kleinbauern. Da die städtischen Industriearbeiter weiterhin Essen brauchten, und ausländische Maschinen mit Getreide bezahlt wurden, wurde dennoch die festgesetzte Menge an Getreide eingetrieben. Übrig blieben Bauern, die sich nicht mehr selbst ernähren konnten. Das Ergebnis: In der Weltgegend mit der fruchtbaren Schwarzerde starben drei bis sieben Millionen Menschen an Hunger.
Jetzt kann man natürlich sagen, Lenin habe mit voller Absicht und aus rassistischen Motiven die Ukrainer ausrotten wollen, Völkermord begangen und deswegen seinen die Russen und vor allem Putin daran schuld. Oder man könnte daraus lernen, dass landwirtschaftliche Veränderungen langsam und zu einem großen Teil passend zu den aktuellen wirtschaftlichen Gegebenheiten durch die Bauern selbst vorgenommen werden müssen, dass Ideologie in der Landwirtschaft nichts zu suchen hat und dass eine unterkomplexe Sichtweise auf das Thema zu einer Katastrophe geführt hat.
Ein Beispiel, was passieren kann, wenn staatlicherseits eine zu hohe Öko-Landwirtschaftsquote erzwungen wird, ist die Ausbreitung des Mutterkornpilzes. Ein Grund, warum Biobetriebe eine deutlich niedrigere Getreidemenge produzieren ist, dass ganze Chargen an Getreide nicht einmal mehr als Tierfutter taugen wenn Pilzversäuchung vorligt. Mutterkornpilz erzeugt Toxine und die will nicht einmal Ochs und Esel im Essen. Dies ist bereits jetzt ein Problem. Niemand weiß ganz genau, was passiert, wenn der Fungizideinsatz so stark zurückgeht und wie der Mutterkornpilz darauf reagiert. Übel wird es dann, wenn man verseuchtes Getreide trotzdem essen muss, weil man sonst verhungert. Dann hätten wir unser persönliches Holodomor, herbeigeführt durch Ideologie und Staatsaktivismus. Die Absichten dahinter waren sicher so gut wie die Lenins, und dem Klimawandel wurde erfolgreich ein Schnippchen geschlagen. Das wird die vielen an Antoniusfeuer leidenden und sterbenden sicher wert sein. Im Sinne Lenins wird man sagen:
„Der Bauer muss ein wenig Hunger und Krankheit leiden, um dadurch das Klima vor dem Kollaps zu bewahren. Im weltweiten Maßstab ist das eine durchaus verständliche Sache; dass sie aber der konventionell arbeitende Landwirt begreift – darauf rechnen wir nicht. Und wir wissen, dass man hier ohne Zwang nicht auskommen wird – ohne Zwang, auf den die Bauernschaft sehr heftig reagiert.“