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  • spintronic

979 Beiträge seit 02.10.2015

Re: Aus makroökonomischer Sicht

Sinerider schrieb am 10.11.2023 09:56:

1. Die Globalisierung, so wie wir sie bisher kannten, wird und muss zu Ende gehen.

Hier bin ich etwas anderer Meinung. Die Produktionsteilung macht in vielen Bereichen durchaus Sinn, zumal insbesondere das global gesehen sehr rohstoffarme Europa nicht einmal annähernd über die Bodenschätze verfügt um autark werden zu können. Weiter sollte man u.a. berücksichtigen, dass mit der "Rückverlagerung" der Produktion nach Europa eine sehr stark inflationäre Wirkung einhergeht. Zudem hat die Globalisierung nicht nur Wirtschaftlich viele Vorteile gebracht und zu einer politischen Stabilisierung der Welt geführt - auch wenn man dies angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre kaum glauben mag.

Allerdings bin ich aber auch der Meinung, dass es nicht sein kann und nicht mehr sein darf, dass Europa in strategisch wichtigen Bereichen ausschließlich auf das Ausland setzt. Es kann z.B. nicht sein, dass deutlich über 90 % der Antibiotika in China hergestellt und in Indien verpackt werden.

2. Die EU ist groß genug um verlangen zu können, dass Industriegüter die hier verkauft, auch weitest gehend hier produziert werden.

Die schiere Größe sagt überhaupt nichts aus. Die EU ist politisch ein Fliegengewicht, welches hörig am Rockzipfel der USA hängt. Um wirtschaftlich wieder Fuß fassen zu können wird sich die EU zwangsläufig von den USA lösen und wieder auf eigenen Beinen stehen müssen. Die Interessen der USA und Europas sind nach 1990 nicht mehr die Selben. Die USA nutzen das schamlos aus und reindustrialisieren sich gegenwärtig auf Kosten der Europas. Solange wir dieses Problem nicht in den Griff bekommen, ist das von Ihnen skizzierte Ziel nicht erreichbar, selbst wenn die EU 10 Mal so groß wäre.

3. Wenn das mit staatlichen Subventionen nicht geht, dann gibt es andere Mittel.

Da niemand "gute" von "schlechten" Subventionen unterscheiden kann, sind Subventionen meiner Meinung nach definitiv nicht geeignet, um sich, nach der politischen Emanzipation, auch wirtschaftlich zu emanzipieren.

Zudem erleben wir gerade, was die EU unter "andere Mittel" versteht. Nämlich eine kleinteilige Regulierung, die für die Unternehmen zu einem enormen, kostspieligen und mittlerweile kaum mehr bewältigbaren administrativen Aufwand führt, der jede Innovation, jedes Unternehmertum im Keim erstickt. Und alles nur weil die EU Bürokraten, die meist noch nie in der freien Wirtschaft gearbeitet haben, vom Größenwahn befallen sind und glauben, dass sie alle Probleme von ihrem Schreibtisch aus lösen können.

Wie will Europa wirtschaftlich gegen den Rest der Welt bestehen? Etwa mit den weltweit höchsten Rohstoff-, Energie- und Lohnkosten, in Kombination einer ausgeuferten, sehr kostspieligen, ja manchmal sogar irren Bürokratie? Soll das etwa der Weg zum Gipfel der Welt sein?

Wie man hört muss der Chemiekonzern BASF ein Regelwerk mit 14.000 Seiten einhalten, nur um weiterhin die gewohnten Produkte herstellen zu können. Im Vergleich dazu waren die in der Vergangenheit immer gescheiterten kommunistischen 5-Jahrespläne nur Peanuts. Zudem wurden die 5-Jahrespläne damals von sehr intelligenten Leuten und anerkannten Experten ausgearbeitet (und die Pläne sind trotzdem gescheitert), während man die Expertise der EU-Bürokraten, auch angesichts der Fehlentscheide der vergangenen 2 Jahre, doch sehr stark anzweifeln muss.

Meiner Meinung nach besteht die Lösung darin, dass sich der Staat insbesondere in der Wirtschaft aus vielen Bereichen ersatzlos zurückzieht. Besser wäre es, wenn sich der Staat nur dann darum kümmert, wenn Kernbereiche des Zusammenlebens, wie z.B. das Rechtswesen, die Bildung, das Gesundheitswesen oder die Rente, aber auch die Landesverteidigung, die Energieversorgung und die Migration betroffen sind. Es wäre schon viel geholfen, wenn diese Bereiche wieder funktionsfähig würden - allein das gäbe den Politikern auf Jahrzehnte genügend Arbeit. Um es klar zu sagen, der Staat muss seine Aufgabenbereiche drastisch kürzen um wieder handlungsfähig zu werden. Zudem braucht ein schlanker Staat weniger Geld, was auf breiter Front großzügige Steuersenkungen zulassen würde.

Anders wird es jedenfalls nicht gelingen in der Bevölkerung wieder eine unternehmerische Kraft freizusetzen.

4. Diskussionsfähig ist im Kontext die Frage, ob Deutschland noch als Volkswirtschaft anzusehen ist. Geldpolitisch gibt es uns schon gar nicht mehr. Inwieweit eine fiskalpolitische Souveränität noch vorliegt, wäre ein gutes Thema für eine Dissertation.

Das kommt davon, dass (nicht nur) Deutschland souveräne Rechte an Brüssel abgegeben hat und dass diese Reichte in Brüssel entweder nicht angekommen oder gar missbraucht wurden. Wie gesagt, ohne politische Emanzipation wird keine wirtschaftliche Emanzipation niemals möglich sein. Hier würde ich eine ehrliche Aufarbeitung auch begrüßen.

5. Die Rohstoffabhängigkeit muss von der EU diversifiziert werden. Gleichzeitig ist zu erforschen, was substituiert werden kann.

Genau dafür hat die EU ein Regelwerk beschlossen, dass man ohne Übertreibung als Wahnsinn bezeichnen kann. Die Unternehmen müssen unglaublich viel Bürokratie erledigen, was aber gleichzeitig nichts daran ändert, dass gewisse Waren weltweit nur von 1 oder 2 Herstellern angeboten werden. Zugleich wird auch die Forschung in Europa durch bürokratische Regeln und politische Vorgaben geknebelt.

Trotzdem sollte man nicht vergessen, dass alle Forschung und Bürokratie der Welt nichts daran ändern können wird, dass die Rohstoffjägerstätten auf unserem Planeten sehr ungleichmäßig verteilt sind, das ist allein der Geologie zu schulden. Nicht umsonst war Europa der Kontinent der Entdecker, schon vor 500 Jahren zog es Abenteurer in alle Welt um dort für Europa dienliche Rohstoffe zu finden.

Obwohl von begrenzter Wirksamkeit, da viele essentielle chemische Elemente in Europa einfach nicht vorkommen, wäre es auch in diesem Bereich wichtig, dass die Bürokratie - und nicht etwa die politischen Rechte der Europäer! - drastisch abgebaut werden. Nur so wird man die wenigen bekannten und abbauwürdigen Lagerstätten in Europa schnell und kostengünstig erschliessen können und nur so wird man die Kraft der Forschung entfesseln.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (10.11.2023 15:32).

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