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  • lu12345

mehr als 1000 Beiträge seit 05.04.2008

Alles, was wir haben

JamesBolivar schrieb am 23. Juli 2008 01:24

> Das find ich schön.
> Auch weil das so gut gewährleistet ist bei uns. Wir wissen nicht,
> wodurch. Auch nicht, seit wann. Aber wir wissen sicher, daß dem wohl
> so ist. Irgendwie ist das im Volkskörper verankert, so wie der
> Führerwille einst. Das regelt sich von selbst. 

Die Sorge um unsere Verfassung (und dies in jeder Hinsicht) ist nur
zu verständlich. Auch die Kritik, dass sie im "Volkskörper" nur
"irgendwie" verankert ist (womöglich gar nicht), ist berechtigt. 

Hoffnung macht mir, dass es besorgte Zeitgenossen wie Prof. 
Schachtschneider und JamesBolivar gibt.

Bereits 1968 hat Alexander Mitscherlich festgestellt:

<Zitat>
"Wo wir höchste Aufmerksamkeit erwarten dürften, stoßen wir auf
Indifferenz. Diese diffus verteilte Anteilnahmlosigkeit wird
besonders bemerkbar, wenn man sich die rasche Veränderung unserer
materiellen Umwelt vor Augen hält. Lebhaftes Interesse bei allen
Beteiligten für technische Probleme steht im Kontrast zur Indolenz,
mit der unsere Grundrechte behandelt werden. Die Anteilnahme an
alledem, was einer aufgeklärten Öffentlichkeit am Herzen liegen
sollte, ist relativ gering." 
</Zitat>
Quelle: A. Mitscherlich, "Die Unfähigkeit zu trauern", Piper 1968
> http://www.buch.de/buch/02843/708_die_unfaehigkeit_zu_trauern.html

und weiter:

<Zitat>
"In unserer Zeit bietet das Problem der politischen Apathie (bei
gleichzeitiger hochgradiger Gefühlsstimulierung im Konsumbereich)
jedoch besondere Aspekte. [ ... ] Die Restitution der Wirtschaft war
unser Lieblingskind; die Errichtung eines demokratischen
Staatsgebäudes hingegen begann mit dem Oktroi der Sieger [...]." 
</Zitat>

Mitscherlich beschreibt hier den Zustand 23 Jahre nach Kriegsende.
Aber die Hintergründe für dieses Verhalten lag damals nicht nur an
der Verleugnung und Verdrängung der schrecklichen NAZI-Verbrechen und
der diese Mechanismen stützende Ablenkung durch die "Restitution der
Wirtschaft", sondern damals schon hat der Neoliberalismus
demokratische Politik gegen den Markt ausgewechselt, und zwar in der
Maske des "Ordoliberalismus". Er hatte durch die besonderen
Bedingungen der Nachkriegszeit ein leichtes Spiel.
>  http://www.sopos.org/aufsaetze/3cc9a4fe2b1de/1.phtml

Der Neoliberalismus will aus mündigen politischen Bürgern Konsumenten
machen: Alles ordnet sich den Sachzwängen des Marktes unter. Der
Markt macht die Politik. "Vorherrschend sind die Interessen der
wirtschaftlichen Machtelite".

Wie der Vertragstext zeigt, stecken diese Kräfte, die den
Marktradikalismus befördern wollen, auch hinter diesem Vertrag. An
diesem Vertrag haben ebenfalls Kreise aus dem
"militärisch-industriellen Komplex" mitgeschrieben: Es soll eine ein
EU-Aufrüstungsbehörde eingerichtet werden.

Mitscherlich hat auch festgestellt::

<Zitat>
"Von allen Staatsformen gewährt die parlamentarische Demokratie ihren
Mitgliedern das größte verbriefte Recht auf individuelle Freiheit. In
der Tat ist der Spielraum nicht groß. Es kann deshalb nicht als
Ausdruck eines ängstlichen Pessimismus gedeutet werden, wenn man sich
um den Fortbestand dieses Wenigen Sorge macht."
</Zitat>

Die Klagen von dem Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler und "Die
Linke" vor dem Bundesverfassungsgericht sollen das Wenige --und das
ist ALLES-- , was wir haben, sicherstellen. Daher gehe ich mit
Artur-B konform, wenn er sagt:

<Zitat>
"Du hast noch immer viel zu verlieren"
</Ztat>
http://www.heise.de/tp/foren/S-Du-weisst-nicht-was-Du-hast/forum-141063/msg-15271850/read/

Frage: Was ist die Alternative zu diesen Klagen?

P.S.: Hier ein Link zum Lissabon-Vertrag:
> http://bookshop.europa.eu/eubookshop/FileCache/PUBPDF/FXAC08115DEC/FXAC08115DEC_002.pdf

Es kursiert die schwachköpfige Argumentation, dass mit dem
Lissabon-Vertrag die EU demokratischer wird. Selbst wenn das so wäre,
würde bei Ratifizierung die Situation in einigen Ländern der EU
schlechter werden, so in Deutschland. Es gibt für uns Bürger keinen
vernünftigen Grund, Bürgerrechte für einen EU-Vertrag einschränken
oder opfern zu lassen.


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