Insgesamt ein guter Beitrag - mit einer kleinen Einschränkung: Die Aufspaltung in immer kleinere, immer schwerer zu definierende Identitätsgruppen ist auch ein Resultat des jeweils persönlich erlebten Widerspruchs zwischen den postulierten unendlichen Freiheiten und Chancen des Neoliberalismus und den in der Realität dazu im Widerspruch stehenden Möglichkeiten, tatsächlich am gesellschaftlichen Reichtum und Erfolg partizipieren zu können. Erst das ist die Basis, auf der die Schuldzuschreibung für die empfundene und/oder tatsächliche gesellschaftliche Benachteiligung in politische Aktion umschlägt. Es ist kein Zufall, dass der Ursprung der identitätspolitischen Debatte in eine Zeit fällt, da vor allem in den USA die Folgen des neoliberalen Siegeszuges immer deutlicher wurden. Für die herrschenden Eliten ist die Ideologie der Political Correctness ein perfektes Szenario, um die Debatte weg von den eigentlichen gesellschaftlichen Ursachen für globale Missstände zu führen. Man kann - wie etwa Hillary Clinton - Kriege führen (Libyen) und dennoch als correct gelten, weil das Eintreten für Schwule oder POC wichtiger ist als etwa die Respektierung von Völkerrecht. Ähnliches gilt auch für das gendergerechte Schluckaufsternchen: Wer es benutzt, darf sich zum Gutmenschentum zählen - dass damit Frauen weder gerechtere Löhne erhalten oder bessere Aufstiegschancen haben, gerät dabei zur Nebensache.
Empfehlenswert zum Thema ist übrigens das 1995 in Deutschland erschienene Buch von Robert Hughes „Polical Correctness: Oder die Kunst, sich selbst das Denken zu verbieten“ (Knauer Verlag). Erstaunlich, dass ein eigentlich konservativer Publizist schon damals die Verirrungen in politischen Debatten thematisierte.