> > > Die alleinige Schuld fuer den Kriegs_ausbruch_ traegt
> > > selbstverstaendlich der Braunauer.
> > Nee, die tragen die Deutschen der damaligen Generation kollektiv.
> Zweckpessimist schrieb am 17. Januar 2006 17:24
> Diese Aussage habe ich nie verstanden. Bezieht sich das z.B. auch auf
> Deutsche, die nicht in Deutschland waren? Wie steht es mit
> Nicht-Deutschen, die in Deutschland waren? Wie lange musste man
> während 33-45 in Deutschland sein, um die Kollektivschuld zu
> assimilieren? Ging das graduell, oder gibt es nur "alles oder
> nichts"? Die Bomben fielen auf jung und alt, siehst Du eine
> Altersgrenze für die Schuld, oder fängt das mit der Geburt an?
Natürlich ist der Begriff "Kollektiv" eine Abstraktion. Nur in
totalitären Regimen kann er zur Realität werden. Insofern würde
"Kollektiv" beim Hitlerreich diejenigen bezeichnen, die "mitgemacht
haben". Insofern kann man durchaus von einer Kollektivschuld reden.
Man darf aber nicht den Fehler machen, diesen Begriff unstatthaft
auszudehnen. Eine Erblichkeit solch einer Kollektivschuld anzunehmen
wäre gerdezu rassistisch. ("Das ist in den Genen halt so angelegt").
Daraus erkärt sich auch das Paradoxon, dass Rechtsradikale sich immer
an der "Kollektivschuld", und wie sie uns angeblich heute belastet,
hochziehen. Eigentlich glauben sie nämlich daran (da sie gute
Rassisten sind), weigern sich bloss die systematischen Verbrechen der
Deutschen im Hitlerreich unter der gleichen Perspektive zu betrachen
- kein Wunder für sie waren dies ja keine Verbrechen, sondern
notwendige und sinnvolle Taten...
> Was ist mit Österreichern? Opfer oder Täter?
Ist es Zufall, dass Hitler daher kam? Wer weiss? ;-)
> Ich halte Völker nicht für schuldfähig, zumal der Begriff des Volks
> alles andere als wohldefiniert ist.
Eigentlich ist er ein ganz ungenauer Begriff, der wenig aussagt.
Vielleicht noch über Sprache oder Sitten und Gebräuche. Aber
ansonsten ist er natürlich absolut vorbelastet. Vor allem erinnert
die "Schuld eines Volkes" an die Logik des Antisemitismus.
Schuld kann aber nur individuell sein. Wenn viele Individuen das
Gleiche tun, dann ist es wohl legitim von einer "Kollektivschuld" zu
reden, in abstracto. Mit der Kollektivschuld anzufangen, hiesse das
Pferd von hinten aufzuzäumen. Dies geschieht dann bezeichnenderweise
deswegen, um das Prinzp der individuellen Schuld zu leugnen.
> > Es ist sehr modern alles auf Hitler und die Führungsriege zu
> > beschränken, aber das ist falsch und durchleuchtet nicht, WAS am 3.
> > Reich ja so schrecklich war: Die Legitimation aller Taten durch das
> > deutsche Volk.
Dies hat Rudolf Augstein in einem Artikel über Hitler ("Oh, that
inhumanity") getan. Eine Kritik dazu findet sich bei DISS Duisburg.
Sehr interessant.
> Es steht außer Frage, dass es eine Menge Kollaborateure gab, die den
> braunen Spuk ermöglichten - von den fanatischen Braunhemdschlägern
> bis zu den ärmelschonertragenden Eichmanns. Dennoch kann ich eine
> Aussage wie "die Deutschen sind schuld" nicht verstehen, ich halte
> sie letztlich für unreflektiert und oberflächlich.
"Unreflektiert" ist keine Entschuldigung für irrationalen Hass.
"Oberflächlichkeit" keine für Abgefeimtheit.
Der "baune Spuk" war keinesfalls auf Deutschland begrenzt, wie eine
Legion von III. Reich - Verharmlosern uns weismachen wollen.
> Neben den aktiven Überzeugungstätern gab es natürlich noch die
> passiven Nutznießer (die ich persönlich noch ekliger finde), aber es
> gab auch eine Menge Leute, die einfach eine Scheißangst hatten und
> deswegen die Klappe hielten. Und jeder, der hier wie der Prolet große
> Reden schwingt, ohne selbst unter einem Regime wie dem der Nazis
> seinen Mut bewiesen zu haben, beweist sich nur als lächerlicher
> Maulheld. Klar, alle die heute leben wären damals in den Widerstand
> gegangen, dass ich nicht lache.
Dies ist eine müssige Frage. Sie lässt sich (ungenügend) vielleicht
auf "innere Haltung" zurückführen. Aber vielleicht idealisiere ich
hier.
> Ein weiterer Grund, die Kollektivschuld des Deutschen Volkes
> anzuzweifeln, ist für mich die dadurch entstehende Legende der
> Einzigartigkeit der Verbrechen der Nazis. Es gab vorher und nachher
> Völkermorde in gleicher Größenordnung, genauso sorgfältig geplant und
> durchgeführt. Und ich halte kein "Volk" - was immer das sein mag -
> für gefeit gegen derartige Entgleisungen.
Dieses ist leider nur zu wahr. Das Nazireich ist ein Lehrstück in
negativem Menschentum. Und als solches in positiver Weise verwertbar.
Wenn ich allerdings sehe, wie damit umgegangen wird, dann hege ich
ernste Zweifel an der "kollektiven Lernfähigkeit". Aber warum und
wann sollte es die denn geben, wenn ihr lediglich Individuen zugrunde
liegen? Wenn das Bedürfnis da wäre, daraus zu lernen...
> Wer die Nazis und ihre Verbrechen für einzigartig erklärt, der
> vergrößert das Risiko, dass Ähnliches wieder passiert, weil er seinen
> myopischen Blick auf die Vergangenheit fixiert und die Gegenwart und
> Zukunft außer Acht lässt.
Und gleichzeitig wird der Vergleich beliebig, so dass alles oder
Jeder damit verglichen werden kann.
Übrigens hast du die Vergangenheit vergessen. Auch dieser wären
ähnliche Strukturen zu entreissen, die durch tebdenziöse
Geschichtsschreibung revidiert wurden. Damit meine ich die alten
Römer und Griechen (!).
Ein ganz tolles Werk dazu unter <hirhome.com>, "Crux of World
History".
Erscheint gerade und ist spannend und originell bis zum Anschlag,
vorausgesetzt man interessiert sich für die menschliche Geschichte.
mfG, Otho
> > > selbstverstaendlich der Braunauer.
> > Nee, die tragen die Deutschen der damaligen Generation kollektiv.
> Zweckpessimist schrieb am 17. Januar 2006 17:24
> Diese Aussage habe ich nie verstanden. Bezieht sich das z.B. auch auf
> Deutsche, die nicht in Deutschland waren? Wie steht es mit
> Nicht-Deutschen, die in Deutschland waren? Wie lange musste man
> während 33-45 in Deutschland sein, um die Kollektivschuld zu
> assimilieren? Ging das graduell, oder gibt es nur "alles oder
> nichts"? Die Bomben fielen auf jung und alt, siehst Du eine
> Altersgrenze für die Schuld, oder fängt das mit der Geburt an?
Natürlich ist der Begriff "Kollektiv" eine Abstraktion. Nur in
totalitären Regimen kann er zur Realität werden. Insofern würde
"Kollektiv" beim Hitlerreich diejenigen bezeichnen, die "mitgemacht
haben". Insofern kann man durchaus von einer Kollektivschuld reden.
Man darf aber nicht den Fehler machen, diesen Begriff unstatthaft
auszudehnen. Eine Erblichkeit solch einer Kollektivschuld anzunehmen
wäre gerdezu rassistisch. ("Das ist in den Genen halt so angelegt").
Daraus erkärt sich auch das Paradoxon, dass Rechtsradikale sich immer
an der "Kollektivschuld", und wie sie uns angeblich heute belastet,
hochziehen. Eigentlich glauben sie nämlich daran (da sie gute
Rassisten sind), weigern sich bloss die systematischen Verbrechen der
Deutschen im Hitlerreich unter der gleichen Perspektive zu betrachen
- kein Wunder für sie waren dies ja keine Verbrechen, sondern
notwendige und sinnvolle Taten...
> Was ist mit Österreichern? Opfer oder Täter?
Ist es Zufall, dass Hitler daher kam? Wer weiss? ;-)
> Ich halte Völker nicht für schuldfähig, zumal der Begriff des Volks
> alles andere als wohldefiniert ist.
Eigentlich ist er ein ganz ungenauer Begriff, der wenig aussagt.
Vielleicht noch über Sprache oder Sitten und Gebräuche. Aber
ansonsten ist er natürlich absolut vorbelastet. Vor allem erinnert
die "Schuld eines Volkes" an die Logik des Antisemitismus.
Schuld kann aber nur individuell sein. Wenn viele Individuen das
Gleiche tun, dann ist es wohl legitim von einer "Kollektivschuld" zu
reden, in abstracto. Mit der Kollektivschuld anzufangen, hiesse das
Pferd von hinten aufzuzäumen. Dies geschieht dann bezeichnenderweise
deswegen, um das Prinzp der individuellen Schuld zu leugnen.
> > Es ist sehr modern alles auf Hitler und die Führungsriege zu
> > beschränken, aber das ist falsch und durchleuchtet nicht, WAS am 3.
> > Reich ja so schrecklich war: Die Legitimation aller Taten durch das
> > deutsche Volk.
Dies hat Rudolf Augstein in einem Artikel über Hitler ("Oh, that
inhumanity") getan. Eine Kritik dazu findet sich bei DISS Duisburg.
Sehr interessant.
> Es steht außer Frage, dass es eine Menge Kollaborateure gab, die den
> braunen Spuk ermöglichten - von den fanatischen Braunhemdschlägern
> bis zu den ärmelschonertragenden Eichmanns. Dennoch kann ich eine
> Aussage wie "die Deutschen sind schuld" nicht verstehen, ich halte
> sie letztlich für unreflektiert und oberflächlich.
"Unreflektiert" ist keine Entschuldigung für irrationalen Hass.
"Oberflächlichkeit" keine für Abgefeimtheit.
Der "baune Spuk" war keinesfalls auf Deutschland begrenzt, wie eine
Legion von III. Reich - Verharmlosern uns weismachen wollen.
> Neben den aktiven Überzeugungstätern gab es natürlich noch die
> passiven Nutznießer (die ich persönlich noch ekliger finde), aber es
> gab auch eine Menge Leute, die einfach eine Scheißangst hatten und
> deswegen die Klappe hielten. Und jeder, der hier wie der Prolet große
> Reden schwingt, ohne selbst unter einem Regime wie dem der Nazis
> seinen Mut bewiesen zu haben, beweist sich nur als lächerlicher
> Maulheld. Klar, alle die heute leben wären damals in den Widerstand
> gegangen, dass ich nicht lache.
Dies ist eine müssige Frage. Sie lässt sich (ungenügend) vielleicht
auf "innere Haltung" zurückführen. Aber vielleicht idealisiere ich
hier.
> Ein weiterer Grund, die Kollektivschuld des Deutschen Volkes
> anzuzweifeln, ist für mich die dadurch entstehende Legende der
> Einzigartigkeit der Verbrechen der Nazis. Es gab vorher und nachher
> Völkermorde in gleicher Größenordnung, genauso sorgfältig geplant und
> durchgeführt. Und ich halte kein "Volk" - was immer das sein mag -
> für gefeit gegen derartige Entgleisungen.
Dieses ist leider nur zu wahr. Das Nazireich ist ein Lehrstück in
negativem Menschentum. Und als solches in positiver Weise verwertbar.
Wenn ich allerdings sehe, wie damit umgegangen wird, dann hege ich
ernste Zweifel an der "kollektiven Lernfähigkeit". Aber warum und
wann sollte es die denn geben, wenn ihr lediglich Individuen zugrunde
liegen? Wenn das Bedürfnis da wäre, daraus zu lernen...
> Wer die Nazis und ihre Verbrechen für einzigartig erklärt, der
> vergrößert das Risiko, dass Ähnliches wieder passiert, weil er seinen
> myopischen Blick auf die Vergangenheit fixiert und die Gegenwart und
> Zukunft außer Acht lässt.
Und gleichzeitig wird der Vergleich beliebig, so dass alles oder
Jeder damit verglichen werden kann.
Übrigens hast du die Vergangenheit vergessen. Auch dieser wären
ähnliche Strukturen zu entreissen, die durch tebdenziöse
Geschichtsschreibung revidiert wurden. Damit meine ich die alten
Römer und Griechen (!).
Ein ganz tolles Werk dazu unter <hirhome.com>, "Crux of World
History".
Erscheint gerade und ist spannend und originell bis zum Anschlag,
vorausgesetzt man interessiert sich für die menschliche Geschichte.
mfG, Otho