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  • keininteresse

795 Beiträge seit 24.04.2012

Ich danke dem Autor.

Vorweg: Ich teile sein Haupt-Gegenargument nicht. Für das Thema
IT-Sicherheit wird es Lösungen geben.

Aber: In jedem Projektteam gilt: Wenn sich alle in Visionen ergeben,
dann muss jemand mal die Rolle des Kritikers einnehmen und einmal das
Hinterfragen beginnen. Das ist einfach notwendig. Wenn man dem Autor
dann "Zukunftspessimismus" entgegen schallt, ist das in meinen Augen
unfair. Auf jeden Fall ist es nicht konstruktiv.

Besonders irritierend finde ich, dass viele Visionäre gar keine
Visionäre sind. Viele sehen im Autonomen Auto nur eine
Verbesserungschance für viele negative Symptome ihres Lebensstils.
Autonome Autos machen die Hände frei... um? Ja was, mehr Screentime
am Smartphone? Retten Leben? (wehr Leben retten will, kann mit sehr
viel weniger Geld einen viel größeren Impact an ganz anderen Stellen
haben als bei den paar tausend Verkehrstoten hierzulande. (Ja, das
ist ein Totschlagargument. Und es ist traurig. Weil es wahr ist.) Die
UNO versagt bei den Nachhaltigkeitszielen und die Autoindustrie
entwickelt autonome Autos.

Ich sehe autonome Autos nicht als Nachfolgemodell des heutigen
ölgetriebenen Autos für Pendler. Scheinbar sehen sich viele Pendler
ja zukünftig in vielen kleinen elektrischen Smart-ähnlichen kleinen
Autochen sitzen, die man per Smartphone zum Standort bestellt und
dann wie ein Taxi ohne Taxifahrer in Anspruch nimmt. Nun, ich
persönlich sehe eher folgendes: Autonome Autos haben die Größe eines
heutigen Kleinbusses und im Zusammenspiel mit der Smartphone-App
erhalten wir folgendes: Autonome Großraumtaxis, die selbständig die
nachfragenden Reisenden einsammeln und die Insassen auf einer
optimierten Route wieder absetzen. (Ungefähr das, was man in Kairo
heute schon haben kann, nur dort ohne Elektroantrieb, ohne
Sicherheit, ohne Garantie auf schnelle Beförderung.) Was haben wir
denn davon, wenn zukünftig zwischen 7 Uhr und 10 Uhr Millionen
autonome Mini-Autos ihre Pendlerinsassen ans Ziel bringen und danach
stehen die Dinger zur Hälfte sinnlos in der Gegend rum?

Aber dann stellen sich auch folgende Fragen: Werden wir diese
autonomen Taxis (egal ob Einzelsitzer oder Großraum) denn auch sauber
halten? So sauber wie die S-Bahn? Ein Taxifahrer ruft einem heute ja
was hinterher, wenn man seinen Latte-Macchiato-Becher da liegen
lassen will, aber im autonomen Auto? Wie sozial werden wir uns da
verhalten? Steigen Frauen in autonome Großraumtaxis, in denen schon
zwei Männer mit Dreitagebart und grimmigem Gesicht sitzen? Fühlen die
sich da sicher? Gibt es dann Ladies-only-Taxis? Gegen Aufpreis? Und
gegen noch mehr Aufpreis auch Taxis nur für einen selbst ohne andere
Mitreisende? Wer macht die Autos eigentlich innen sauber?
Selbstfahrend, ja. Aber selbstreinigend? Das dauert noch ein paar
Jahre...

Mobilitätsprobleme löst man besser, indem man darüber nachdenkt, wie
man Verkehr vermeidet. Warum pendeln Pendler? Wie viele Firmen
schaffen keine Arbeitsumgebungen, in denen HomeOffice funktioniert?
Warum haben Shopping-Malls eigentlich 6 Tage die Woche auf? Kann man
das meiste nicht von der Couch aus kaufen? Kann man den Einzelhandel
(der arme sterbende Einzelhandel) nicht noch weiter auf das wirklich
Notwendige reduzieren?

Vision heißt nicht, Pendlern das Pendeln bequemer als heute zu
machen. (Bin selber Pendler.) Es geht um einen angemessenen
Lebensstil. Und wir sollten uns überlegen, was die wirklich wichtigen
Probleme sind und diese zuerst lösen. Ein Verkehrsminister, der die
Wartung des Straßennetzes nicht im Griff hat, aber autonome Autos
erforschen will, ja, das passt... Die Frage ist nicht: was bringen
autonome Autos MIR, sondern was bringen sie uns als Gesellschaft. Und
kann man vergleichbaren Nutzen auch woanders günstiger erhalten. Es
geht ja auch um die Verwaltung knapper werdender Ressourcen.

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