Porcupine17 schrieb am 19.07.2023 08:39:
Es wird immer einige geben an die man aus irgendwelchen Gründen nicht rankommt. Aber soll man jeden Mörder laufen lassen weil man Al Capone nicht vor Gericht kriegen kann?
Der Unterschied ist: Das Recht betrifft grundsätzlich auch Al Capone, und es gibt die übergeordnete Instanz, die das sicherstellt. Auch wenn es schwierig ist, Al Capone zu fassen - es ist grundsätzlich möglich und wird auch konsequent versucht, solange, bis man ihn hat. Das ist bei Baerbocks Vorschlag anders. Es gibt die Instanz nicht, die die Macht besäße, die USA zur Rechenschaft zu ziehen. Es ist also von vornherein klar, dass nur Besiegte betroffen sind.
Wäre es besser gewesen wenn die deutschen Kriegsverbrecher im 2. Weltkrieg unbestraft geblieben wären weil man an die Siegerseite natürlich nicht rankam?
Mittlerweile denke ich: ja. Denn Sinn und Zweck solcher Prozesse ist ja, Kriegsverbrechen in Zukunft zu verhindern. Kein Machthaber soll sich sicher sein können, nicht irgendwann für seine Taten belangt werden zu können. Das ist die allerwichtigste Funktion von Strafe: Abschreckung. Die wirkt aber nicht oder nur noch sehr mäßig, wenn das Recht klar erkennbar nicht für alle gilt.
Auch im Hinblick auf die Wahrnehmung von Kriegen in der Bevölkerung richten diese Gerechtigkeitsinitiativen eher Schaden als Gutes an. Sie leisten anti-aufklärerischen Vorstellungen über "Gut" und "Böse" Vorschub und verhindern eine sachlich-nüchterne Auseinandersetzung mit dem Phänomen Krieg. Solche Auseinandersetzungen wären aber total wichtig, um Kriege zu verhindern. Eine Krankheit muss man erst verstehen, um sie behandeln zu können.