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Avatar von Anja Böttcher

mehr als 1000 Beiträge seit 24.08.2014

Heise bei libertär maskierter rassistischer Hybris des Mainstreams angekommen

Aus zahlreichen Kontakten zu linken Türken und Kurden (von Nachkommen christlicher Minderheiten der Türkei ganz zu schweigen) kenne ich die härtesten und ungeschminktesten Darstellungen der reaktionären Politik Erdogans, die man sich nur denken kann - und doch dürfte jedem einzelnen von ihnen die hier offen rassistisch-verächtlich gewendete "Tausend-und-eine-Macht"-Symbolik schwer auf den Magen schlagen.

Die Übelkeit erzeugend rassistischen Implikationen in Kleinebeckels Jargon dürften sich ästhetisch wenig von der rassistisch aufgeladenen imperialen Kriegspropaganda des Hauses Habsburg unterscheiden, als dieses seine Chance sah, durch den Fall des "kranken Mannes am Bosporus" die eigenen hegemonialen Pfründe auf dem Balkan durch hegemoniale Expansionspolitik sichern zu wollen.

Dabei nimmt dieser Telepolis-Autor die hegemoniale Pose des westeuropäischen "Herrenmenschen" schon kurz nach dem Titel ein, wenn er zum ersten Mal deutlich macht, was er den beiden Spielern vorwirft:

Zu viel Kohle, gescheiterte Integration und 200% Doofheit: Deutsche Nationalspieler küssen dem türkischen Mufti die Pantoffeln.

Reizend, nicht wahr? Nicht das Sichgemeinmachen mit einem Staatschef an sich und dazu noch einem ausgesprochen reaktionären, wird hier zum Vorwurf erhoben, sondern dass diese 'Kanaken', denen 'wir=Guten=Westler" unser 'sauer verdientes Geld' in den Hintern stecken, sich erdreisten, ihre 'mangelnde Integrationsfähigkeit' dadurch zu beweisen, dass der, dem sie die Referenz erweisen, ein minderwertiger 'Orientale' ist.

Denn hätten sie einem Björn Höcke die Pfoten gedrückt, wäre das, nach der Logik, die sich in Kleinebeckels Jargon vermittelt, absolut in Ordnung gewesen. Und falls sie den Folterungen von Muslimen in Abu Graib und Guantanamo zugejubelt, mit Sarrazin "Deutschland schafft sich ab" geträllert oder Trump das Toupet gestreichelt hätten, hätte man sie als 'echte Westler' geradezu adeln können - und sie wären ja so etwas von top-"integriert"!

Auch die Impliktion, dass die - zweifellos absurd hohe - Menge an "Kohle" erst durch die 'morgendländische' Herkunft des gewürdigten Potentaten die Fragwürdigkeit eines kapitalistisch durdeklinierten Spitzenfußballs und der in ihm vorherrschenden oligarchischen Mäzenatenkultur der Milliardäre aufzeige, ist aufschlussreich: Vorgeworfen wird Özil und Gündogan ja ausschließlich der geopolitische "Lagerverrat":

Sie her, der 'Kanake' beiweist, obgleich durch "unseren! Applaus gehoben, dass er doch 'Kanake' ist und schämt sich nicht, sich durch seine 'Kanakenloyalität' zu degradieren.

Denn - und hier kommt der nächste Hammer - in welchen Bildern werden die beiden Nationalfußballer dargestellt? Wurde je der Schulterschluss mit reaktionärer Politik irgendeines andern deutschen Nationalspielers derart rassistisch als eine genetisch anmutende Intelligenzminderung vermittelt? Wurde Lothar Matthäus, für jede Peinlichkeit, für jede reaktionäre Denke und jedes Frauen gegenüber verächtliche Machogehabe, in Telepolis-Artikeln je "200% Doofheit" attestiert? Verdient hätte er's allemal!

Selbst wenn Matthäus dies widerfahren wäre (was ich bezweifle), wäre diese (politische) "Doofheit" in derartig entwürdigenden Bildern dargestellt worden, wie dem des Lakaien, der sich auf den Boden wirft und "einem Mufti" die "Pantoffeln" "küsst"? Hier scheint die 'Doofheit' sich um glatte zweite '100%' gesteigert zu haben, weil die, die sie anscheinend bereits genetisch schon aufwiesen, obgleich sie doch alle Gelegenheiten hätten, von "uns" bezahlt, höherstehenden westlichen Staatshäuptern die Füße zu küssen, dies bei einem "Türken" tun müssen.

In dem Niveau, von dem Kleinebeckler nicht genug bekommen kann, geht es im ganzen Artikel weiter. Wie es Edward Said ("Orientalism") als typisch für den vor Rassismus nur so triefenden Herrschaftsdiskurs europäischer Imperialmächte ansah, zieht sich der "West/Ost"-Antagonismus in "Abendland"/"Morgenland"-Dichotomien den ganzen Text hindurch, in dem die 'Dummheit' des Abendländers nur in dessen naiver Großzügigkeit und Güte besteht, die des hinterhältigen 'Morgenländlers' aber, der seinen angeborenen intelligenztechnischen Rückstand durch Verschlagenheit und Tücke wetttmacht, dafür sorgt, dass er sich an Land zieht, was ihm nicht zusteht: Denn offensichtlich haben Özil und Gündogan ihre Millionen nicht, wie andere Fußballdiven, für ihren vermarktbaren Unterhaltungswert erhalten, sondern dafür, dass "wir" an ihrem Beispiel nachweisen konnten, wie 'wohlwollend' wir doch sind, bei entsprechender Leistung auch den 'Kümmeltürken' zu behandeln, als sei er einer von "uns". Wie man sie uns jetzt dann aber heimzahlt, diese Güte!

Scheitert’s am Geld oder am Verstand, sinniert der verunsicherte Abendländer. Vielleicht an beidem. Oder zeigt sich hier ein Identitätsproblem? Fette Kohle von den blöden Westlern, aber Schleimen bei den Paschas Richtung Morgenland?

Da haben wir's: Zum zweiten Mal zeigen sich die gleichen ideologischen Muster in ähnlich offen rassistischer Diktion. Die Kanaken, die es zu ihresgleichen zieht, obgleich sie sich doch bei unseren Kriegsherren (oder -damen) hätten opportunistisch andienen können, "schleimen" - wie eine Schnecke. Das glitscht schon "200%" ekliger, als wenn es sich um bloßen deutschen Opportunismus handeln würde. Und deshalb muss der Kleinebecker noch einmal im Takt der Kriegstrommeln in die Marsch-Tastatur hauen:

Fette Kohle von den blöden Westlern, aber Schleimen bei den Paschas Richtung Morgenland?

Offensichtlich haben es die Kleinebecklers gar nicht leicht:

Da sitzt er als leidgeprüfter Alternativ-Medienmacher, der zwischendurch gewiss schwer Dresche bekommen hat, endlich mit den Julian Röpckes und Reichelts in einem gut gepanzerten Boot. Falls er 2014 nicht gleich mitbekommen hat, dass ab nun nicht mehr die Friedensforderung des Grundgesetzes zu gelten hat, sondern nun transatlatisch "Die Fahnen hoch, die Reihen fest geschlossen!" zu sein haben, ist der 'Pascha-Erdogan' ein prima Anlass, politische Analyse dadurch zu ersetzen, gleich auf alle Türken rassistisch einzudreschen, sollten sie nicht für die 'richtige Seite' strammstehen.

Wenn jetzt Telepolis, das seit 2014 schrittweise seinen kritischen Anspruch entsorgt hat, auch noch merkt, dass man über Russland nur in der - natürlich ganz 'neutralen'='progressiven' - Diskursästhetik eines 'stumpf verhetzten' und 'versklavten' 'Reichs' von propagandistisch ferngesteuerten Untertanen des finster autokratischen "Zaren Putin" schreiben darf, in welchem man für jedes "kritsche" (ergo natokonforme) "Wort" im besten Fall im Gulag, wahrscheinlicher aber gleich im Sarg landet, dann dürfte vielleicht sogar am Ende ein Schulterschlag von ganz=fortschrittlich=oben möglich sein:

Denn dann kennt die Kanzlerin endlich keine Journalisten mehr, sondern nur noch Deutsche!

Arno, mir graut vor Dir!

(P.S: Wenn jetzt noch geifernde Transatlantiker und AfD-Klientel gemeinsam über mich herfallen und sich erblöden, mir zu unterstellen, ich sei hier unter die Erdogan-Apologeten (ergo die "Erdogan-Versteher") gegangen, dann hat diese Website endgültig massenhaft die Leser, die es inzwischen verdient.)

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (15.05.2018 21:42).

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