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  • Marcel Leutenegger

mehr als 1000 Beiträge seit 29.05.2000

Die zwei Gesichter des Geldes

Feriengrüsse aus der Schweiz - kann mir einen Kommentar zu dieser
Serie doch nicht verkneifen.

> [2. Kapitel]
>
> Damit wird klar, dass Geld nicht das Transaktionsmedium für
> eine Tauschwirtschaft, sondern für eine Eigentumswirtschaft
> ist. Geldscheine sind deshalb vor allem Schuldscheine, das
> heißt Forderungen, welche die Emittenten der Scheine an die
> Marktteilnehmer haben.

Geld hat zwei Gesichter: (1) Tausch"ersatz"mittel und (2)
Schuldschein, wobei (2) durch (1) erst ermöglicht wird.

> Je mehr Geldscheine gedruckt werden, desto mehr Forderungen
> gibt es, die irgendwann nicht mehr zurückbezahlt werden
> können.

Stimmt so nicht. Drucken von Geldscheinen führt allenfalls zu einem
Überangebot von Geld im Wirtschaftskreislauf und mit etwas
Verzögerung zu einer Preissteigerung (Inflation). Neu gedruckte
Geldscheine sind per se wertlos, da frei von Eigentumsforderungen.

> Geld verliert in einer Gesellschaft der ausufernden Ver-
> schuldung und steigenden Inflation auch immer mehr seinen
> Wertaufbewahrungscharakter.

Steigende Preise = Inflation
Steigende Inflation ?=? Hyperinflation ("Preisexplosion")
Fallende Preise = Deflation

> Je mehr Geld gehortet wird, desto wertloser wird es für
> die Marktteilnehmer, da nur ein hoher Umlauf von Geld
> auch sichert, dass es permanent wieder ausgegeben be-
> ziehungsweise investiert wird.

Da wird gepanscht was das Zeug hält.

1. Ausgeben sämtlicher Einnahmen sichert einen hohen Umlauf, nicht
umgekehrt.
2. Ausgeben und investieren sind zwei Paar Schuhe.

Im folgenden bezeichnet Geld nur Geldscheine und Sichtguthaben, alle
übrigen Buchwerte sind Kapital.

Geld läuft um, indem es bei jedem Bezahlvorgang den Besitzer
wechselt. Bei stabilem Preisniveau ist die im Umlauf befindliche
Geldmenge invers proportional zur Rate der Besitzwechsel und direkt
proportional zur Menge der angebotenen Güter und Dienstleistungen.
Wird Geld gehortet droht Deflation, also muss die Geldmenge erhöht
werden. Wird gehortetes Geld plötzlich ausgegeben droht Inflation,
also muss die Geldmenge reduziert werden. Stark variierende
Angebotsmengen und Besitzwechselraten verursachen instabile Preise,
das heisst der (Gegen)Wert von Geld verändert sich spürbar.

Geld wird zu Kapital sobald es langfristig angelegt wird, also sobald
es dem Markt leihweise zur Verfügung gestellt wird. Der Eigentümer
des Kapitals (Gläubiger) stellt sein Geld jemandem (Schuldner) zur
Verfügung, indem dieser ihm einen Schuldschein (Forderung auf
Rückzahlung) ausstellt. Der Gläubiger investiert damit in die Zukunft
des Schuldners in der Hoffnung, dass dieser in der Lage sein wird,
das geliehene Geld zurückzuzahlen. Investitionen erlauben es dem
Gläubiger, überschüssiges Geld wieder in Umlauf zu bringen.
Allerdings geht der Gläubiger das Risiko ein, dass seine Investition
zu einem Geschenk mutiert, falls der Schuldner sein Versprechen auf
Rückzahlung nicht einlöst (Ausfallrisiko). Das Todesfallrisiko (der
Gläubiger stirbt vor Rückzahlung) wird etwas abgemildert, falls er
sein Kapital weitergeben (vererben) kann.

Um möglichst stabile Preise zu erreichen, muss also ein Anreiz
bestehen, Kapital aufzubauen anstatt überschüssiges Geld zu horten.
Insbesondere das Ausfallrisiko muss durch eine Gegenleistung
kompensiert werden. Diese Gegenleistung wird üblicherweise durch
einen Zins auf das Kapital eingefordert, dessen Höhe von Angebot und
Nachfrage sowie dem Ausfallrisiko abhängt.

Horten von Geld führt zu instabilen Preisen. Der Effekt der Anhäufung
von Kapital und Schulden ist zwiespältig. In vernünftigem Mass (= zu
Lebzeiten auflösbar) stabilisiert sie die Preise und stützt den
Wirtschaftskreislauf. Ungebremst kann sie die Preisstabilität
wiederum bedrohen, denn die Gläubiger profitieren von einer Deflation
(Wert des Kapitals steigt) während die Schuldner von einer Inflation
profitieren (Schulden werden entwertet). In Staaten mit individueller
Altersvorsorge gehören die Rentenkassen mit zu den grössten
Schuldnern. Zusätzlich inflationstreibend wirken sich Staatsschulden
aus, insbesondere dann wenn die Staaten via Notenpresse direkt
Einfluss auf das Preisniveau nehmen können.

Stellt sich die Frage, wie es regelmässig zu Finanzblasen und deren
Platzen (Blasenökonomie) kommen kann. Rückblickend erkenne ich im
wesentlichen zwei Bedingungen, die Blasen fördern: (1) ungenügende
reguläre Entschädigung der Gläubiger sowie (2) zu billige und/oder
ungenügend abgesicherte Kredite. (1) verleitet Gläubiger zu risiko-
da ertragsreicheren Anlagen. (2) erlaubt eine unkontrollierte
Geldvermehrung innerhalb von Verleihkreisen, weil mit risikoreichen
Anlagen die kurzfristigen Gewinne deutlich über den Schuldzinsen für
das geliehene und investierte Kapital liegen.

Am Beispiel der aktuellen Finanzkrise lässt sich schön ablesen, was
passiert wenn sich Banken und Finanzmakler gegenseitig Kapital im
Kreis herumreichen und dieses vor jeder Weitergabe durchschnittlich
9-fach vermehrt wird (dieser Faktor/Hebel erklärt sich aus der nur
ca. 10% Deckung der Einlagen durch die Banken). Bei einem Hebel
deutlich über eins haben Banken alles Interesse, Kapital im Kreis
herumzureichen, da sie sich an den Zinsen dumm und dusslig verdienen
können - zumindest solange wie der Zustrom an frischem Kapital nicht
abreisst *und* die Gläubiger den Schuldnern zutrauen, die gewährten
Kredite zurückzuzahlen. Die Banken wissen sehr wohl um ihre
gegenseitigen Luftbuchungen, weshalb sie einander wohl noch jahrelang
keinen Zentimeter über den Weg trauen werden...

Man sollte alle Finanzintermediäre weltweit an die Kandare legen,
indem sie Kredite nur noch im Umfang ihres Eigenkapitals plus der
Einlagesumme ihrer Gläubiger gewähren dürfen. Ein Hebel von maximal
1.0 würde zuverlässig verhindern, dass Kapital im Kreis herumgereicht
wird, um es unkontrolliert und umgebremst zu vervielfachen. Das wäre
wahrscheinlich der effektivste und regulatorisch einfachste Weg, die
globale Blasenökonomie ein für allemal trocken zu legen.

Lokale Währungen, Tauschringe oder ähnliche alternative Geldsysteme
funktionieren meines Erachtens genau so lange wie sämtliche
Marktteilnehmer nur soviel Geld einnehmen wie sie ausgeben. Ein gut
verdienender Dienstleister würde sich also z.B. trotz reger Nachfrage
auf wenige Arbeitsstunden pro Woche beschränken, gerade so dass er
mit seinen Einnahmen seine laufenden Ausgaben decken kann. Arbeitet
er mehr, kann er seine "Überzeit" genausogut verschenken, da
Kapitalbildung verpönt wenn nicht gar bestraft wird. Dafür würde er
auch mit 80 noch arbeiten, da Kapitalbildung zur Altersvorsorge nicht
lohnt(e).

Ins Bild passen die vielfach propagierten billigen Kredite als
Gegenmittel zur Zweiklassengesellschaft des Kapitalismus: den
Reichen/Gläubigern und den Habenichtsen/Schuldnern. Doch unter dem
Strich führen auch billige Kredite zu einer Zweiklassengesellschaft:
zuviel leistende Arschlöcher/Gläubiger bedienen parasitäre
auf-Pump-Konsumierer/Schuldner. Wenn schon solche alternativen
Modelle propagiert werden, so wäre es ehrlicher Lohnarbeit
abzuschaffen oder sämtliches Kapital einzuziehen und per Giesskanne
gleichmässig neu zu verteilen.

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