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  • Karl-Katja Krach

528 Beiträge seit 09.07.2019

Globalisierung - Globalismus vs. Nationalismus / Methodischer Widerspruch

Zum Einen wäre es notwendig gewesen, zu erörtern, was "Globalismus" im Unterschied zu "Globalisierung" bedeutet.
Globalisierung ist ein Prozess, der schon in der Antike eingesetzt hat. Die moderne Weltwirtschaft ist notwendig global, da keine Nation allein über all die Ressourcen und all das Wissen verfügt, dass für die modernen hochtechnologischen Produktionsketten verfügbar ist. Ohne Globalisierung gäbe es in Deutschland weder Mikrochips noch Bananen noch Benzin in größeren Mengen.

Es wäre einfach gewesen, statt von "Globalismus" von einem neoliberalen Freihandelsregime zu sprechen, aber da wäre der Bezug auf ein Schlagwort der politischen Rechten unterblieben. Denn als Gegenspieler des "Globalismus" kommt der Nationalismus ins Spiel.
Vgl.: https://www.cicero.de/innenpolitik/lechts-und-rinks/38224 :

"Links und rechts war gestern. Was kommt morgen? Cicero fragte führende deutsche und internationale Intellektuelle, wo sie die politischen Lager der Zukunft erblicken. Wird das politische Bühnenstück des 21.Jahrhunderts „Fundamentalismus gegen Rationalismus“ heißen, „Islam gegen den Westen“, „Natur gegen Technik“, „Nationalismus gegen Globalismus“? Oder lässt die neue Unübersichtlichkeit keine klaren Kontraste mehr zu?"

Linkes Denken war gestern, heißt es bei Cicero, ab jetzt gibt es nur noch rechte Ideologiefragmente.

Wer Globalismus sagt, sagt Nationalismus und das hätte ich dann doch gern erläutert gehabt. Denn der Nationalismus wird im Text auch zum Problem gemacht, weil er zu Handelskriegen führt.

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Zum anderen leidet der Text unter einem methodischen Widerspruch. Die keynesianistischen Investitionen, die er anmahnt, dienen dazu, dass in der Konjunkturkrise die ins Stocken geratene Profitgenerierung wieder anläuft. Diese Profite müssen aber von irgend jemandem erarbeitet werden. Das können Arbeiter:innen im In- oder im Ausland sein. Sind es Arbeiter:innen im Inland, steigt dadurch die Ungleichverteilung der Vermögen im Inland.
Sind es Arbeiter:innen im Ausland, gibt es einen Kapitaltransfer aus dem Ausland. Das steigert die Ungleichheit der Löhne und Vermögen zwischen den Ländern und führt zu steigendem Wettbewerb. Das führt aber zu einem steigenden Druck auf die inländischen Löhne.

Ob nun also per Ausbeutung direkt im Inland oder per Export und Reimport der Krisenfolgen: Der Transfer von Vermögen von der Klasse der Lohnabhängigen zur kapitalistischen Klasse führt dazu, dass dieses Vermögen dem Konsum entzogen wird, und das führt zu Profiteinbußen und damit von der einen Krise in die nächste. Solange nicht der kapitalistischen Klasse durch Steuern mehr Vermögenswerte entzogen werden, als sie durch Profite generiert, kann dieser Vermögenstransfer innerhalb der liberalen Ökonomie nicht rückgängig gemacht werden.

Von hohen Vermögenssteuern steht aber im Text nichts, sondern es wird gefordert, dass der Staat hohe Schulden aufnehmen soll. Wer diese Schulden aber zurückzahlt, darüber wird nicht geredet. Warum besteht überhaupt die Notwendigkeit, dass der Staat bei Privatbanken Geld leiht, das diese auch nicht parat haben, sondern ihrerseits ebenfalls bloß von der Zentralbank leihen?

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Ich habe also in mehrfacher Hinsicht Kritik an dem Text:
- Am nationalökonomisch orientierten keynsianistischen Ansatz, der Marx' Kritik verkürzt, denn die war, als Kritik an der kapitalistischen Nationalökonomie, an der global ausgebeuteten Arbeiterklasse orientiert.
- An den nationalistischen Anleihen, die der Globalität der modernen kapitalistischen Produktionsprozesse nicht gerecht werden.
- Daran, dass die Kritik nicht auf postmoderne Ansätze wie die Modern Monetary Theorie und die Commons-Bewegung eingeht.
- Daran, dass Schuldenmachen gefordert wird, ohne über die Lastenverteilung zu reden.
- Und daran, dass sich der Verfasser um die bayrische Exportwirtschaft besorgt zeigt, ohne den Kapitaltransfer zu problematisieren, der damit verbunden ist.

Irgendwie scheint der Text alles zu verlangen: steigende Profite, steigende Löhne, florierende Exportwirtschaft, weniger Druck durch international agierendes Kapital. Dass das neoliberale Freihandelsregime geschaffen wurde, damit Länder wie Bayern ohne Hindernisse exportieren können und es einen Kapitaltransfer aus dem globalen Süden in den globalen Norden gibt, wird nicht zum Problem gemacht. Darauf beruht derweil in erster Linie der bayrische und der deutsche Wohlstand.
Wenn sich Länder dagegen wehren, indem sie Zölle erheben, heißt es "Handelskrieg" und das ist dann auch nicht recht.

Es wäre also schön, zu erfahren, wie sich der Verfasser die Vermittlung all dieser Widersprüche vorstellt.
Nicht, dass es keine Handlungsoptionen im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft gäbe:
- Weg von der Exportwirtschaft, hin zu einem auf Binnennachfrage basierenden System mit negativer Außenbilanz gegenüber ärmeren Staaten.
- Kapitalsteuern, die höher sind als die durchschnittliche Renditerate und Entlastung / Förderung der Lohnabhängigen, sodass die Ungleichheit der Vermögen kleiner wird.
- Vererbung von Unternehmen und Unternehmensanteilen an die Arbeiter:innen.
- Keine Schuldenaufnahme bei privaten Banken, sondern günstiger direkt bei der Zentralbank. Refinanzierung der Schulden durch eine echte Steuerprogression, bei die Vermögenden eine größere Last tragen.

Man sollte sich aber im Klaren sein, dass damit die Menge des Risikokapitals drastisch zurückgeht und dass gleichzeitig der Wettbewerb verschärft wird, sodass die Monopolisierungstendenz sich vergrößert. Es gibt keinen Kapitalismus ohne Widerspruch. Als Standort an der Spitze der Weltwirtschaft bleiben und gleichzeitig Sozialstaat und hohe Löhne haben - das geht nur über einen aggressiven Nationalismus nach dem Motto "Germany First", der zu Krieg und Zerstörung weltweit führt und eine globale Lösung für Klimakrise und Artensterben verhindert.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (21.02.2021 22:47).

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