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  • archenoe

mehr als 1000 Beiträge seit 05.02.2004

Gegenargumente

demon driver schrieb am 27. Juli 2009 17:11

[...]
> Sobald Maschinen in der Lage sind, sich ohne weiteres Zutun des
> Menschen selbst zu verbessern, sind die Möglichkeiten des Menschen
> und deren Grenzen für die weitere Entwicklung der Maschine nicht mehr
> relevant. Und Maschinen in diese Lage zu versetzen überschreitet
> menschliche Möglichkeiten keineswegs. Ist der Startschuss gefallen,
> werden menschliche Kenntnisse, Techniken, Widersprüche,
> Bewusstseinsvorgänge für das Potenzial der maschinellen
> Weiterentwicklung immer unerheblicher.

Das, so nehme ich an, ist der Kernpunkt Deiner Aussage.

Wie stellst Du Dir eine sich selbst verbessernde Maschine vor? Ist
sie Deiner Ansicht nach völlig von Planung, Überwachung oder noch
simpler vom On/Off-Schalter, der von einem Menschen betätigt wird,
entkoppelt? Ist das Programm der Maschine ein sich selbst
fortschreibendes und entwickelndes, völlig unabhängig von
menschlicher Steuerung?

Solltest Du das annehmen, so gibt es erhebliche Einwände gegen diese
"Phantasie".

1. Die Implementation der "Software, die solche Selbstlernprozesse
ermöglicht, ist Menschenwerk. Auch noch die weiteren scheinbar
sebstständigen Stufen des maschinellen "Selbstlernens", die ja
"programmiert" sein müssen, sonst lernt die Maschine gar nix, sind
von Menschen vorgeplant. Wo also läge der Unterschied zum
Kernreaktor, der uns möglicherweise um die Ohren fliegt? Du meinst
sicherlich in dem menschenähnlichen "Selbstlernprozess". Ist das aber
nicht nur ein gradueller und kein substanzieller Unterschied zum
Kernkraftwerk? Entsteht die Verwirrung nicht nur dadurch, dass
bestimmte Maschinen (Roboter) vom Menschen so konstruiert werden,
dass sie menschenähnlich wirken, weil der Konstrukteur sich selbst
abbildet und sich keine bessere, sondern nur eine schnellere,
präzisere etc. Version seiner selbst vorstellen kann?
2. Warum sollten irgendwelche Forschergruppen, Regierungsstellen,
Kapitalverbände etc. die Kontrolle über "Selbstlernmaschinen"
aufgeben? Selbstverständlich ist es möglich, dass Technik so
funktioniert oder unerwünschte "Nebenwirkungen hat, wie die
Konstrukteure und ihre Auftraggeber sich das nicht gedacht haben.
Automobile sind auch nicht zur Tötung von Verkehrsteilnehmern
entwickelt worden (nicht mal im Kapitalismus ;-)). Die Vorstellung,
dass die Kontrolle/Überwachung vollends versagt, ist zwar nicht
völlig abwegig, aber eben nicht auf der Ebene einer phantasierten
"bewussten" Maschine, die sich autonom gegen Menschen oder die
Menschheit richtet, sondern auf der Ebene der nicht
fehlerfreundlichen, sondern nur risikogeminderten Technik. In diesem
Zusammenhang wird deutlich, dass Du meinen Hinweis auf Mensch =
künstliche Intelligenz und die Produktion von Menschen (=
Bewusstsein, Moral etc.) durch Menschen nicht nachvollziehen willst.
Noch einmal zugespitzt: Wenn Menschen sich selbst steuernde, von
menschlicher Steuerung völlig unabhängige Maschinen konstruieren
sollten, sind dies keine Maschinen mehr, sondern Menschen (entstanden
durch andere Produktionsweisen als die bisher bekannten). Der Begriff
Maschine ist nur sinnvoll als Abgrenzung vom Menschen.
3.Die "menschliche[n] Kenntnisse, Techniken, Widersprüche,
Bewusstseinsvorgänge" gehen in die Maschinentechnik ein und sind "für
das Potenzial der maschinellen Weiterentwicklung" zentral, wesenhaft
und unerlässlich. Ich möchte sogar behaupten, dass sie bzgl. eines
Roboters bedeutsamer und eingreifender sind als z.B. bzgl. eines
Hammers oder Schraubendrehers. Ich kann überhaupt nicht erkennen,
warum sie "unerheblicher" werden sollten. Je komplexer die Technik,
je tiefer steckt "der Mensch" in der entwickelten Technik selbst.

Ich werde den Verdacht nicht los, dass Du entgegen Deiner ansonsten
materialistischen Weltsicht bei diesem Thema in eine
phantasmagorische Furcht vor verselbständigten Produkten abgleitest
und so dem Fetischcharakter der Ware (hier: Roboter) aufsitzt, weil
diese als quasi lebendiges Wesen erscheint.

Zur Sicherheit noch einmal: Ich kann mir durchaus denken, dass
Maschinen/Roboter, die weit entwickelt sind, von Menschen gezielt
gegen Menschen eingesetzt werden. Ich kann mir auch denken, dass
Maschinen/Roboter enormes nicht beabsichtigtes Unheil anrichten
können (gleichsam als akzeptierte Begleiterscheinung des irrationalen
Selbstzwecks des Kapitals oder des staatlichen Machterhalts -
geschieht ja auch ständig), nicht aber, dass sie sich in einer Art
Verschwörung gegen die Menschheit richten und die Herrschaft über die
Menschen erringen. 

Grüße
archenoe

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