blu_frisbee schrieb am 3. Dezember 2012 11:58
> DJ Holzbank schrieb am 3. Dezember 2012 09:50
>
> > blu_frisbee schrieb am 2. Dezember 2012 22:06
>
> > Dem Artikel von Schleim entnehme ich, dass die Mehrzahl der
> > Hirnforscher das Gehirn als biologisch determinierten Akteur
> > verstehen …
> Dem Artikel entnehme ich daß Schleim nicht up-to-date ist oder wie
> sonst soll ich mir so nen Klopper erklären wie "lebenslang dieselben
> Gene"? Was seinen Artikel zum verbalen Mobile macht.
Was soll daran falsch sein? Schleim macht in dieser einem
populärwissenschaftlichen Artikel angemessenen Formulierung auf
längst Bekanntes aufmerksam, weil es in den Überlegungen seiner
Opponenten keinen gebührenden Niederschlag findet.
> > > http://en.wikipedia.org/wiki/Not_in_Our_Genes oder
> > > Rose, Steven (2000): Darwins gefährliche Erben: Biologie jenseits der egoistischen Gene)
>
> Interesting.
>
> > Damit würde die Psyche zu einer Resultante aus biologischer Grundlage
> > und sozialer Interaktion, was letztlich dem alten Modell von Freud,
> > dem Ich-Es-Überich entspricht.
>
> Zum Sigi hab ich Reservationen. Sein Psychomodell ist die
> Dampfmaschine. Daß die Freudianer Erkenntnisse der Neurobiologie als
> Bestätigung Ihrer / Freuds Theorien interpretieren halte ich für
> einen Irrtum, wie man ihn bei Esoterikern häufig findet. Die haben
> Freud oder Neurobiologie nicht verstanden. Freuds Annahmen zum
> Gedächtnis werden zB von der Forensik (Wahrheitsgehalt von
> Zeugenaussagen) widerlegt.
Sie spielen hier auf "Triebstau" und Ähnliches an, wenn Sie von
"Dampfmaschine" reden?! Dergleichen und auch seine Engführung am
Sexuellen kann man doch leicht aufweiten, wenn man das Ganze etwa mit
Adler als eine Theorie der erworbenen psychischen Kompensation
versteht.
Ich wollte aber lediglich - ganz vordergründig - auf die Auffassung
des Psychischen als Resultante des Biologischen und Sozialen hinaus,
die den Anknüpfungspunkt für den "Freudo-Marxismus" bildet.
Und wem kämen angesichts dieses Artikels nicht Erich Fromms
sozialpsychologische Untersuchungen in den Sinn.
> > > Das Kriterium der biologischen Funktionalität ist immer noch das
> > > (erfolgreiche*) Überleben. Wenn ein (wachsender) Bevölkerungsanteil
> > > mit der zunehmenden Komplexität überfordert ist äußert sich das u.a.
> > > in Stoffwechsel-Konfigurationen, die dysfunktional sind. Besser?
> >
> > Die "Komplexität" ist aber selbst erzeugt.
>
> Da ist kein einzelnes handelndes Subjekt. Auch die Wertkategorie ist
> von Menschen gemacht, aber nicht aus freien Stücken. "Sie wissen es
> nicht, aber sie tun es". Sie ist genauso gesellschaftlich wie seine
> Sprache. Wie überhaupt der Mensch sich vom Tier dadurch scheidet, daß
> erstere ihre Lebensumstände (tw bewußt) erzeugen.
>
> > Nicht die Natur ist komplexer geworden, ja wir leben nicht einmal mehr
> > in der Natur, sondern fast ausschließlich in einer selbst geschaffenen,
> > gesellschaftlichen Umwelt. In einer Welt "materiell realisierter
> > Begriffe", so könnte man zugespitzt sagen, deren Widersprüchlichkeit
> > anscheinend selbst die außergewöhnlich hohe Adaptationsfähigkeit des
> > Homo sapiens überfordert.
>
> Die Begriffe sind das Resultat einer Abstraktionsleistung und ihrer
> materiellen Repräsentation erstmal nachgängig. Ich warne vor
> mechanistischer Marx-Interpretation. Vllt liegts auch an
> Unzulänglichkeit der Sprache.
Das Haus, in dem Sie leben, ist "materiell realisierter Begriff", das
Auto, das Sie fahren, die Rechtsordnung mit ihren Institutionen, der
Sie unterworfen sind etc. pp.
"Das Kapital", Kapitel 5.1 "Der Arbeitsprozeß"
"Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und
eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen
menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten
Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, _daß er die Zelle
in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut_. Am Ende des
Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben
schon in der Vorstellung des Arbeiters, _also schon ideell vorhanden
war_. Nicht daß er nur eine Formveränderung des Natürlichen bewirkt;
er verwirklicht im Natürlichen zugleich seinen Zweck, den er weiß,
der die Art und Weise seines Tuns als Gesetz bestimmt und dem er
seine Willen unterordnen muß. Und diese Unterordnung ist kein
vereinzelter Akt."
> http://www.mlwerke.de/me/me23/me23_192.htm#Kap_5_1
Oder auch die schon erwähnten "Thesen über Feuerbach"
> http://www.mlwerke.de/me/me03/me03_533.htm
Grüsse
Holzbank
> DJ Holzbank schrieb am 3. Dezember 2012 09:50
>
> > blu_frisbee schrieb am 2. Dezember 2012 22:06
>
> > Dem Artikel von Schleim entnehme ich, dass die Mehrzahl der
> > Hirnforscher das Gehirn als biologisch determinierten Akteur
> > verstehen …
> Dem Artikel entnehme ich daß Schleim nicht up-to-date ist oder wie
> sonst soll ich mir so nen Klopper erklären wie "lebenslang dieselben
> Gene"? Was seinen Artikel zum verbalen Mobile macht.
Was soll daran falsch sein? Schleim macht in dieser einem
populärwissenschaftlichen Artikel angemessenen Formulierung auf
längst Bekanntes aufmerksam, weil es in den Überlegungen seiner
Opponenten keinen gebührenden Niederschlag findet.
> > > http://en.wikipedia.org/wiki/Not_in_Our_Genes oder
> > > Rose, Steven (2000): Darwins gefährliche Erben: Biologie jenseits der egoistischen Gene)
>
> Interesting.
>
> > Damit würde die Psyche zu einer Resultante aus biologischer Grundlage
> > und sozialer Interaktion, was letztlich dem alten Modell von Freud,
> > dem Ich-Es-Überich entspricht.
>
> Zum Sigi hab ich Reservationen. Sein Psychomodell ist die
> Dampfmaschine. Daß die Freudianer Erkenntnisse der Neurobiologie als
> Bestätigung Ihrer / Freuds Theorien interpretieren halte ich für
> einen Irrtum, wie man ihn bei Esoterikern häufig findet. Die haben
> Freud oder Neurobiologie nicht verstanden. Freuds Annahmen zum
> Gedächtnis werden zB von der Forensik (Wahrheitsgehalt von
> Zeugenaussagen) widerlegt.
Sie spielen hier auf "Triebstau" und Ähnliches an, wenn Sie von
"Dampfmaschine" reden?! Dergleichen und auch seine Engführung am
Sexuellen kann man doch leicht aufweiten, wenn man das Ganze etwa mit
Adler als eine Theorie der erworbenen psychischen Kompensation
versteht.
Ich wollte aber lediglich - ganz vordergründig - auf die Auffassung
des Psychischen als Resultante des Biologischen und Sozialen hinaus,
die den Anknüpfungspunkt für den "Freudo-Marxismus" bildet.
Und wem kämen angesichts dieses Artikels nicht Erich Fromms
sozialpsychologische Untersuchungen in den Sinn.
> > > Das Kriterium der biologischen Funktionalität ist immer noch das
> > > (erfolgreiche*) Überleben. Wenn ein (wachsender) Bevölkerungsanteil
> > > mit der zunehmenden Komplexität überfordert ist äußert sich das u.a.
> > > in Stoffwechsel-Konfigurationen, die dysfunktional sind. Besser?
> >
> > Die "Komplexität" ist aber selbst erzeugt.
>
> Da ist kein einzelnes handelndes Subjekt. Auch die Wertkategorie ist
> von Menschen gemacht, aber nicht aus freien Stücken. "Sie wissen es
> nicht, aber sie tun es". Sie ist genauso gesellschaftlich wie seine
> Sprache. Wie überhaupt der Mensch sich vom Tier dadurch scheidet, daß
> erstere ihre Lebensumstände (tw bewußt) erzeugen.
>
> > Nicht die Natur ist komplexer geworden, ja wir leben nicht einmal mehr
> > in der Natur, sondern fast ausschließlich in einer selbst geschaffenen,
> > gesellschaftlichen Umwelt. In einer Welt "materiell realisierter
> > Begriffe", so könnte man zugespitzt sagen, deren Widersprüchlichkeit
> > anscheinend selbst die außergewöhnlich hohe Adaptationsfähigkeit des
> > Homo sapiens überfordert.
>
> Die Begriffe sind das Resultat einer Abstraktionsleistung und ihrer
> materiellen Repräsentation erstmal nachgängig. Ich warne vor
> mechanistischer Marx-Interpretation. Vllt liegts auch an
> Unzulänglichkeit der Sprache.
Das Haus, in dem Sie leben, ist "materiell realisierter Begriff", das
Auto, das Sie fahren, die Rechtsordnung mit ihren Institutionen, der
Sie unterworfen sind etc. pp.
"Das Kapital", Kapitel 5.1 "Der Arbeitsprozeß"
"Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und
eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen
menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten
Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, _daß er die Zelle
in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut_. Am Ende des
Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben
schon in der Vorstellung des Arbeiters, _also schon ideell vorhanden
war_. Nicht daß er nur eine Formveränderung des Natürlichen bewirkt;
er verwirklicht im Natürlichen zugleich seinen Zweck, den er weiß,
der die Art und Weise seines Tuns als Gesetz bestimmt und dem er
seine Willen unterordnen muß. Und diese Unterordnung ist kein
vereinzelter Akt."
> http://www.mlwerke.de/me/me23/me23_192.htm#Kap_5_1
Oder auch die schon erwähnten "Thesen über Feuerbach"
> http://www.mlwerke.de/me/me03/me03_533.htm
Grüsse
Holzbank