Ansicht umschalten
Avatar von DJ Holzbank
  • DJ Holzbank

mehr als 1000 Beiträge seit 03.09.2011

Re: der darwinistische Marx

2017CP schrieb am 3. Dezember 2012 22:36

> DJ Holzbank schrieb am 3. Dezember 2012 10:44

> > 2017CP schrieb am 2. Dezember 2012 21:08
> > 
> > > Oh, der Mensch ist also auch auf der molekularbiologischen Ebene das
> > > Produkt seiner Umwelt. Bisher erschienen Sie mir als Vulgardarwinist
> > > wie Marx (zu seiner Ehrenrettung, er wäre heute keiner mehr). 
> > 
> > Das halte ich für eine erstaunliche Fehlinterpretation.
> > Denken Sie nur an den Marxschen Begriff der "zweiten Natur" für die
> > gesellschaftliche Bestimmtheit des Menschen.
> > 
> > Oder an so ziemlich _alle_ Feuerbachthesen, insbesondere aber die
> > sechste.
> > > http://www.mlwerke.de/me/me03/me03_533.htm
> > Die Feuerbachthesen stellen gewissermaßen die "philosophischen"
> > Grundannahmen, die Leitfragen zum gesamten, weiteren Marxschen
> > Forschungsprogramm dar.
> > 
> > "Darwinistisch" ist allenfalls die Gesellschaft, deren Erfassung er
> > sich widmet. 

> Bei Marx wirkt der Darwinismus auf der Ebene (des Kampfes)
> verschiedener Gesellschafts-/ Produktionsverhälltnisse. Eine besser
> an ihren!* Stand der Produktivkräfte angepasste Gesellschaft, wird
> eine schlechter angepasste verdrängen. Mit diesem Rückgriff auf eine
> quasi
> darwinistische Argumentation sollte wohl der Revolutionsturbo
> eingeschaltet werden.** Sie enthält implizit die Anerkennung der
> Kampfes "Jeder gegen Jeden" in der Sphäre der Natur.

Es fällt mir schwer, bei Marx tatsächlich einen "Wettkampf der
Systeme" herauszulesen. Die vorkapitalistischen Gesellschaften werden
ja revolutioniert, indem dort zunächst kapitalistische
Produktionsstätten Einzug halten, und sich nachfolgend Spannungen
zwischen der alten politischen Sphäre und der veränderten sozialen
Sphäre aufbauen. Im Grunde können wir das m.E. aktuell in Teilen der
sogenannten 3. Welt beobachten.
"Kampf Jedes gegen Jeden". Hm. Zunächst einmal scheint der Marx ein
altes Thema des deutschen Idealismus aufzunehmen, nämlich die sog.
"Entfremdung" der Gesellschaftsmitglieder als Wesenszug von
(Klassen-)Gesellschaften im Unterschied zu Gemeinschaften. (Beim
Hölderlin ist das quasi das Lebensthema. Und ich würde denken auch
beim Marx.)

Die kapitalistische Vergesellschaftung bringt nun spezifische,
gesellschaftlich konstitutive Formen der gesellschaftlichen
Entfremdung mit sich, nämlich Beziehungen der Konkurrenz ("Jeder
gegen Jeden") und die Verdinglichung der grundlegenden sozialen
Beziehungen, der Arbeitsteilung, die geldvermittelt und
vertragsvermittelt hergestellt werden.
Im Grunde sind damit schon wichtige Widersprüche angesprochen, (den
Hauptwiderspruch habe ich mal weggelassen ;) mit denen wir gewohnt
sind, uns herumzuschlagen, und auch die vielzitierte "Atomisierung"
der Gesellschaft ist schon in den gesellschaftlichen Grundrissen
sichtbar.
(Und an jedem dieser Widersprüche setzt eine reaktionäre "Lösung"
an.)

Die sozialistische Revolution soll (schrittweise) diese Entfemdung
aufheben, indem die grundlegenden Beziehungen revolutioniert werden,
in erster Linie selbstverständlich die Eigentumsverhältnisse.
Aus einer entfremdeten Gesellschaft soll so ein Verein (!) freier
Individuen werden, der sich gemeinsame "gesellschaftliche" Ziele
setzen kann.
(Allerdings tun sich hier bisher nicht bewältige Probleme auf, die
[ökonomischen] Interessen der Individuen angemessen zu vermitteln.)

Im Oktober/November 1989 ging's genau darum, wenige Monate später
schon nicht mehr.

Grüsse
Holzbank

Bewerten
- +
Ansicht umschalten