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  • Irwisch

mehr als 1000 Beiträge seit 22.03.2005

Es geht nicht wirklich um Assange ...

Bei dieser ganzen Geschichte geht es nicht wirklich um Julian Assange. Zwar ist er selbst direkt betroffen und in Lebensgefahr, doch letztlich stellt Assange nur ein den USA wie auch Großbritannien hochwillkommenes Exempel dar, das zur Abschreckung aller investigativen Journalisten statuiert werden soll. Dabei übersehen die Inszeneure und Manipulateure des Imperums und seiner Vasallenstaaten einen wichtigen Punkt:

Gewöhnliche Journalisten des Mainstreams muß man nicht erst von brisanten Inhalten, Hintergründen und Zusammenhängen abschrecken, die sind bereits handzahm zu ihrem Job gekommen. Und was die von ihrer Berufung zum investigativen Journalismus überzeugten Vertreter der Branche anlangt, kann man davon ausgehen, daß die sich nicht alle abschrecken lassen werden.

Als Zeitungs- und Nachrichtenleser sollte man das Folgende immer im Blick behalten: Hinter Nachrichten, News, Artikeln in Zeitungen wie z.B. hier bei Telepolis stehen immer ganz bestimmte Interessen, und die zielen allermeist auf den Nachrichten-Konsumenten. Diese unbestreitbare Tatsache klingt ein wenig wie eine Binsenweisheit, wird aber dennoch häufig vernachlässigt. Die meisten Medienkonsumenten glauben meiner Beobachtung und Erfahrung nach nämlich noch immer an das, was sie objektive Wahrheiten nennen. Doch kein Mensch, auch nicht der gewissenhafteste, ist in der Lage, eine Sachlage, ein Ding, einen Zusammenhang oder Hintergrundinformationen völlig objektiv wiederzugeben. Dazu müßte er quasi allwissend sein, um auch über Dinge berichten zu können, die sich seiner direkten oder indirekten Beobachtung entziehen, weil sie z.B. heimlich im Verborgenen existieren. Mit anderen Worten: Jede Schilderung ist unvollständig, weil sich der Berichtende immer auf jene Aspekte der jeweiligen Sache beschränken muß, die er für wichtig und daher mitteilenswert hält. So verfolgt auch der investigative Journalist immer und ohne Ausnahme seine ganz speziellen Interessen, wenn er einen aufdeckenden und erhellenden Artikel verfaßt. Er fügt damit den Mainstream-Schilderungen Aspekte hinzu, die dort weggelassen oder sogar absichtlich unterschlagen (Lückenpresse), die dort verfälscht (Lügenpresse) oder in einem verzerrenden Zusammenhang (Framing) dargestellt wurden.

Solcherlei Darstellungen unerwünschter Aspekte werden sich auch nach Assange nicht vollkommen unterdrücken lassen. Die Frage ist, wie die Vorgänge um Assange – seine Verfolgung seit der Sache in Schweden, wo man ihm Vergewaltigung vorwarf und den Vorwurf später kleinlaut wieder zurücknahm, bis zu seiner Flucht in die ecuadorianische Botschaft in London, wo er nach einem Präsidentenwechsel in Ecuador plötzlich nicht mehr sicher war und tatsächlich abgeführt wurde – die zivilien Normalbeobachter beeinflußt bzw. noch weiter beeinflussen wird. Diesen Normalbürgern, die (nach Maaz) in einer Normopathie leben und daher gewissermaßen Angst vor »Unnormalem« haben, neigen gewöhnlich zur Obrigkeitshörigkeit und sind daher skeptisch gegenüber investigativem Journalismus, ganz besonders, wenn er sich gegen »die Guten« richtet, nämlich gegen das Imperium USA und seine Vasallen. Das ist die Zielgruppe, die bei der Stange gehalten werden soll mit verzerrender und einseitiger Berichterstattung.

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