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  • TomGard (1)

mehr als 1000 Beiträge seit 11.03.2020

Empfehlung zur Hintergrundinformation

Ein im Mai erschienener, 1:15 langer, von der EU gesponserter Dokumentarfilm mit zahlreichen historischen und aktuellen Stellungnahmen geschichtlich Beteiliger.
https://vimeo.com/407942633

Zwei übergreifende Bemerkungen.

1) Der Film dokumentiert u.a. eindrucksvoll einige Erscheinungsformen des Fortbestandes dessen, was Marx einst schludrig** "Orientalische Despotie" genannt hat, in der Sowjetunion; und einige fortdauernde Auswirkungen.

2) Zu diesen Auswirkungen zählt m.E. das Folgende:

Der azerische Revisionismus hat eine aktuell der Imperiumsgeschichte unterworfene, dennoch wirksame materielle Basis in dem "Niemandsland", das die armenische Besatzung um Karabach herum bis heute hinterlassen hat. Die erst wenige Jahre alte, logistisch und infrastrukturell nur äußerst schwach unterfütterte armenische Besiedlung dieser Territorien umfaßt meines Wissens bislang etwa um die 20 Tausend Leute. Eine azerische Neubesiedlung ist also möglich und wäre von einem naiv pragmatischen und "humanitären" Standpunkt auch wünschenswert.

Der Film macht u.a. ein wenig davon sichtbar, warum das den Beteiligten iwie "unmöglich" erscheint. In den patriarchalen Narrativen und Konstrukten, die da direkt und mittelbar sichtbar werden, ist kein Platz für ein Bewußtsein, daß und, vor allem, wie die Region Karabach selbst ein gemeinsames armenisches und azerisches Erbe darstellt. Sie ist Teil der feodal-despotischen Urbanisierungsgeschichte der Region. Azeris und Armenier, die ein Bewußtsein davon hätten, könnten gemeinsam zum Projekt einer Neubesiedlung der besetzten Gebiete finden, die Karabachs Rolle in dieser Urbanisierungsgeschichte zugleich erhält und verändert. Das wäre eine Basis, auf der eine Föderalisierung Azerbaidschans auch in der aktuellen Imperiumsgeschichte einen viablen Platz einnehmen könnte. Weil es diese Basis nicht gibt, werden die Bevölkerungen zum widerstandslosen Spielmaterial der imperialen Kräfte, die an dem nominellen Streitapfel, den Territorien, um die es gehen soll, ABSOLUT desinteressiert sind.

Dies Desinteresse kann man ausnehmend auffällig auf der azerisch / türkische Seite beobachten, und wenn der Leser von diesem Posting nichts weiter mit nehmen sollte, als die Kenntnisnahme dieses Paradoxes, daß die Türkei und Azerbaidschan ihren offiziell geltend gemachten Revisionismus auf ein offensives Desinteresse an der Region gründen, dann hätte ich schon was geputzt.

** Ich nenne das schludrig obwohl und weil ich nichts bessres anzubieten habe.

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