In den USA gilt schon jeder als "Sozialist" der für eine öffentliche Krankenversicherung ist. Das würde absurderweise z.B. auch dazu führen, dass Otto von Bismarck nach US-Amerikanischen Kritieren auch als Sozialist gelten würde, obwohl dieser mit den Pflichtversicherungen lediglich ein Zugeständnis an die Arbeiterschaft gemacht hat, damit die von ihm gerade erst geschaffene Reichseinigung nicht von den "gemeingefährlichen Bestrebungen des Sozialismus" gefährdet wird. (Für die gab es dann Verbote und Prügel) Auch wenn man das heute gerne unterschlägt, so sah eine große Menge der Arbeiter im damals historisch noch weniger belasteten Sozialismus eine durchaus eine attraktive Option. Das wurde ihnen ja besonders in Deutschland nicht zuletzt dank antisemitischer Verschwörungstheorien, aber auch durch die bis heute nicht enden wollenden Verweise auf den stalinistischen Terror, ausgetrieben.
Was Bernie Sanders angeht, so ist dieser eher ein Sozialdemokrat, der an die Reformierbarkeit des Kapitalismus glaubt. Man müsse nur hier und da ein paar Stellschrauben drehen und schon wird wieder alles gut. Die Wahrheit ist aber, dass diese soziale Gestaltung des Kapitalismus nur vor dem Hintergrund einer akuten Bedrohung für das kapitalistische System selbst funktioniert hat. Roosevelt hat in den USA durch den "New Deal" in erster Linie das erstarken antikapitalistischer Bewegungen (die durchaus populär und stark waren aber auch mit brutaler Härte bekämpft wurden) bekämpft. Übrigens haben die USA auch damals schon interveniert um potentiell sozialistische Umtriebe im Ausland zu bekämpfen. In dem Fall die "Polar Bear Expedition" im revolutionären Russland. Und das noch bevor der stalinistische Terror, der so gerne als untrennbar mit antikapitalistischen Ideen gleichgesetzt wird, erfolgt ist. In gewisser Weise hat das brutale Vorgehen gegen solche Ideen auch mit Sicherheit zu deren Radikalisierung und Pervertieren beigetragen.
Auch das (offenbar nur temporäre) Erfolgsmodell der "soziale Marktwirtschaft" in (west-)deutschland konnte nur vor dem Eindruck des Faschistoiden Wahns auf der einen Seite und der Bedrohung durch "den Kommunismus" auf der anderen Seite entstehen. Mit dem Ende der Sowjetunion als lange Zeit (zu?) ernst genommenen (vermeintlichen) Gegenentwurf zum Kapitalismus, wurde auch langsam das Ende der sozialen Marktwirtschaft eingeleitet. Ebenso die sozial-liberalen Bildungsreformen in den USA, die das Land zu einer technisch-akademischen Vormachtstellung verholfen haben, hatten nur vor dem Hintergrund des "Wettbewerbs der Systeme" bestand, was vor allem im sogenannten "Sputnik-Schock" deutlich wurde. Auch beim Kampf gegen die Rassentrennung und gegen die Unterdrückung von Homosexuellen waren antikapitalistische Bewegungen ein entscheidender Motor, auch wenn das heute gerne einseitig als alleiniger Erfolg bürgerlicher Bewegungen dargestellt wird. Man hört sehr viel von Martin Luther King, aber sehr wenig von Malcom X.
Um zum eigentlichen Thema der unterschiedlichen Begrifflichkeiten zurückzukommen, so wäre noch zu erwähnen, dass in den USA (insbesondere in rechten Medien) der Begriff "liberal" verallgemeinernd für Liberalismus und Sozialismus verwendet wird. Da wird kaum differenziert. Auch hier gibt es eine historische Parallele zum deutschen Faschismus: Die antisemitischen Verschwörungstheorien haben sowohl den (Finanz-)Kapitalismus (Liberalismus) als auch den "Bolschewismus" (Sozialismus) als Teil einer gemeinsamen jüdischen Weltverschwörung dargestellt und dem völkisch-esoterisch-nationalistische Ideen als vermeintliche "Alternative" (auch hier zeigt sich bei den Begrifflichkeiten eine gewisse Kontinuität) präsentiert. Um die Masse der Arbeiter zu Ködern hat man das ganze dann "Nationalsozialismus" genannt. Weil man damit vor allem bei Sozialdemokraten und KPD Wählern abgreifen konnte, wurde das von Industriellen und Bankiers goutiert, was man dann ideologisch mit der Unterscheidung zwischen bösen "raffenden" Kapital (jüdischem) und gutem "schaffenden" Kapital (deutsch bzw. "arisch") entschuldigt hat. Diese Gleichsetzung von liberalen und sozialistischen Kräften findet man auch heute in Deutschland wieder in rechtsextremen Medien und Parteien. Da ist dann die Rede von der "links-grünen" Weltverschwörung. Und da in der DDR die Entstalinisierung unter Chruschtschow und Gorbatschow (Die Breschnew-Ära stellte hier einen Rollback dar) versäumt wurde, hat dort auch der dem Nationalsozialismus nicht wesensfremde stalinistische Antisemitismus und Nationalismus überleben können, woran dort heute vor allem die politische Rechte anknüpft.
Wenn wir unserem Blick vor diesen Hintergründen wieder auf die USA richten, so lassen sich hier massive Gemeinsamkeiten zur Aufstiegszeit der "Nationalsozialisten" in Deutschland erkennen. Ist ja auch logisch. Ein Erb-Milliardär muss ja irgendwie die Masse der Wähler erreichen, und das sind eben in der Regel keine Kapitalisten sondern das Proletariat. Diese werden mit falschen Versprechungen ökonomischen Aufschwungs ("Make America great again!") und sogar klassenkämpferischen ("Drain the Swamp") Parolen gelockt . Die Auswirkungen der, durch und durch kapitalistischen, Krisen werden von rechten Medienstrategen erfolgreich in den Kampf zwischen vermeintlich unvereinbaren und statischen Kulturen, Nationen, Glaubens- und Wertegemeinschaften gedeutet und zum Teil sogar als Teil einer großangelegten Verschwörung von "liberals" (Nach US-Lesart einschl. und insb. "socialists") dargestellt.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (19.06.2019 13:18).