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  • auf_der_hut

mehr als 1000 Beiträge seit 07.05.2008

Re: Faktenchecks und Correctiv - nützlich, oder doch die alte Leier?

Die reichlich aufgeblasen wirkende Enthüllung eines "Geheimtreffens", das kaum mehr gewesen sein dürfte als die Zusammenkunft einiger von Allmachtsphantasien getriebener Wirrköpfe, haben medial geschickt in Szene gesetzt in kürzester Zeit den Focus des geballten Unmuts verschoben.

So ist das eben mit dem Unmut: er dient guten wie schlechten Zielen gleichermaßen. Warum sollte man das Handwerk gut gemachter und erfolgreicher Kampagnen alleine der AfD überlassen? Letztlich können solche Kampagnen keine Stimmung machen, die nicht vorher schon da ist. Sie können sie verstärken, emotionalisieren, sichtbar machen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Höhenflug der AfD die Gegenkräfte mobilisiert.

Die Gegenwehr der AfD wirkt noch hilfloser als das, was die Politprofis von der Konkurrenz bei solchen Anlässen zustande bringen. Der weinerliche Angriff auf Correctiv ist nichts weiter als die Bestätigung für die sachliche Richtigkeit des Berichts. Wieder einmal lässt sich die AfD von ihren Radikalinskis vorführen und muss arge Schäden an ihrer bürgerlichen Fassade hinnehmen. Ihr fehlt der Wille und die Fähigkeit sich glaubwürdig von "von Allmachtsphantasien getriebener Wirrköpfen" abzusetzen, ganz einfach weil dieser neorechte "Flügel" ein Teil ihrer Identität ist. Ob das der AfD langfristig schadet muss man sehen, der Höhenflug der FPÖ ging ja, nach einem kurzen Rücksetzer durch das Ibiza-Video, auch weiter. Allerdings in der Opposition.

Parteien nach dem Strickmuster der AfD gibt es mittlerweile fast überall. Das liegt wohl kaum daran, dass plötzlich alle Regierungen so viel schlechter als früher sind. Ihr Aufkommen fällt vielmehr mit dem Siegeszug der sozialen Medien zusammen. Die haben ihre größten Stärken als Echokammern von negativen Emotionen, mit ihnen lässt sich leicht kurzlebige Empörung erzeugen. Es wird nie mehr eine Regierung geben, die nicht zur Zielscheibe solcher Empörungsausbrüche wird, weil es um die Emotionen und nicht um die Politik geht. Deshalb sind alle Apelle an die Vernunft und die wie ein Mantra wiederholte Forderung, man solle die AfD "argumentativ stellen" sinnlos und haben seit Jahren keinen Erfolg, weil sie keinen Erfolg haben können. Die Demokraten müssen die Herausforderung annehmen und das Speil mitspielen. Anstatt hinter jedem Knallfrosch mit dem Feuerlöscher herzulaufen, ist es besser, selbst Feuer beim Gegnern legen und ihn in die Defensive zu zwingen.

Die Achillesverse der AfD ist ihre enge Verflechtung mit der Neonazis-Szene (vor allem im Osten) und zu dem ganzen neurechten Biotop rund um den Kopp-Verlag und die mit ihm assoziierten Geschäftsmodelle. Das unterscheidet sie von vielen anderen, ansonsten ähnlich gestrickten Parteien. Diese Leute bringen der AfD keinen einzigen Wähler, den sie nicht schon hat, enttarnen aber das Narrativ von der "normalen", "bürgerlichen" Partei mit "vernünftigen" Leuten als Schwindel. Das ist auch der Grund, warum sich andere Parteien wie BSW und Werteunion gegen die bereits etablierte AfD überhaupt Chancen ausrechnen können. Und genau diesen wunden Punkt hat Correctiv getroffen und damit mehrere Hunderttausend Menschen mobilisiert.

Gute Arbeit!

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