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  • Guckstu

mehr als 1000 Beiträge seit 18.03.2024

Re: Problem für China leichter lösbar als für Westen

Oscar Alx schrieb am 29.07.2024 12:09:

Der sich selbst als eher konservativ einordnende irische Ökonom Philip Pilkington machte im Januar im Londoner "Telegraph" einige exzellente Beobachtungen zum Thema:

The West, not China, needs to worry about birth rates
A depressed fertility rate won't hurt Xi Jinping's regime for a long time. America won't be so lucky

Archivierter Artikel:
https://archive.md/A7iTY

Na ja. Er fängt schon ziemlich mit Allgemeinplätzen an.
Man nennt sowas "Framing", und wer das macht, will nicht informieren, sondern bekehren.

Und dass er den Nietzsche herauskramt, um den Westkommentatoren zu unterstellen, sie sähen die Balken im eigenen Auge nicht, ist jetzt auch ein bisschen weit hergeholt: Dass der Abgrund in einen zurückguckt, ist eher ein moralischer Hinweis gewesen als eine Mahnung vor einem Bias.
Das ist dann Framing mit den falschen Beispielen, und wer schon da unsauber arbeitet, dessen Schlussfolgerungen sollte man nicht mehr unbesehen vertrauen.

Und es geht ja weiter. Er sagt, auch andere Staaten hätten demografische Probleme, Chinas Reproduktionsrate von 1,29 sei nichts Besonderes.
Erstens: Schon 2021 war das 1,16. Nicht 1,29.
Zweitens: In China werden mehr Mädchen als Jungen abgetrieben, um das auszugleichen, brauchen sie eine um 0,27 erhöhte Reproduktionsrate; sie liegen also effektiv bei 0,89.
Drittens: In Europa liegt die Rate je nach Land zwischen 1,2 und 1,6. Das ist ebenfalls arg wenig, aber in China liegt sie SIGNIFIKANT niedriger.
Also: Falsche Zahlen, obendrein Unterschiede ignoriert, und dann auch noch völlig unterschlagen, dass das Problem in China so krass schlimmer ist als im Westen.

Oh, und der meint, die Geburtenzahlen würden so sicher wie die Nacht auf den Tag folgt mit zunehmendem Wohlstand fallen (nein, so einfach ist der Zusammenhang nicht).
Und die chinesische Geburtenrate sei "somewhat lower", also "etwas niedriger" - nein, zwischen 0,89 und 1,4 liegen WELTEN. Selbst 1,2 vs. 1,4 sind ein richtig großer Unterschied.
Und dass die Geburtenraten würden konvergieren. Das ist regelrecht kontrafaktiv, vulgo: Quatsch; die westlichen Geburtenraten sind relativ stabil, während die chinesische immer noch weitersinkt.

Ich habe nach der Hälfte des Artikels zu lesen aufgehört.
Das waren keine exzellenten Beobachtungen, das war lauter dummes Zeug.
Sorry, dass du auf so einen Artikel reingefallen bist.

Ich möchte da hinzufügen, dass es [nicht] einfacher ist mit solchen Problemen umzugehen, wenn man Marktwirtschaft zur Kernideologie überhöht sondern diese nur als untergeordneten Teilaspekt einer Gesellschaftsordnung ansieht.

Ich gehe mal davon aus, dass du das "[nicht]" meinst, das ich noch eingefügt habe.
Damit hast du natürlich Recht, aber es hat mit der Geburtenrate eigentlich nicht viel zu tun.

P.S.: Eine Übersicht über Pilkingtons Artikel ( https://www.telegraph.co.uk/authors/p/pf-pj/philip-pilkington/ ) zeigt schon anhand der Artikelüberschriften, dass er einfach nur einer der vielen Untergangspropheten ist.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (30.07.2024 14:53).

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