Ja, recht viele Menschen, die es ohne dieses Ticket gar nicht getan hätten, sind in die 9€-berechtigten Züge gestiegen und haben z.B. mal Tagesausflüge nach hier (Bodenseebereich) gemacht.
Einmal, nie wieder, sagten die.
Warum?
Weil das absolute Chaos ausbracht, also überfüllte Züge, absoluter Streß, Fahradmitnahme auf dem Bahnhof verweigert usw. usf.
Ein mir bekannter Triebfahrzeugführer berichtete:
Bevor er losfahren kann, muß er von hinten nach vorn durch den ganzen Zug (also ein Regionalzug) laufen, das sei die übliche Regel damit er sich vor dem Abfahren über die Auslastung grob informieren kann.
Es ging nicht, er kam einfach nicht durch.
Die Leut in den regelmäßig völlig verstopften Zügen ließen den einfach nicht durch.
Wollten ihm nicht glauben, daß er der Zugführers sei (die haben heuzutage nämlich keine Eisenbahner-Uniform mehr).
Die Leut dachten wohl, daß er sich mit der Behauptung der Zugführer zu sein, einen Vorteil beim Drängeln verschaffen wolle.
Ich fragte ihn dann, ob es nicht etwa vorteilhaft wär, wenigstens eine Warnweste mit irgendeinem DB-Aufdruck/Regional-Bahn-Aufdruck anzuziehen, bevor er den Zug hinten besteigt und das Durchlaufen zum Führerstand angeht.
Der Typ (abgeklärt und cool - wegen dem schon vor dem 9€-Chaos erfahrenen Irrsinn bei seinem Arbeitgeber) entgegnete:
"Mit einer Warnweste mit irgendeinem Bahn-Aufdruck drauf, kannst dich schon lange nicht mehr in den Zug trauen - nicht mal auf den Bahnhof!"
Ich frug zurück: Häh, wieso das denn?
Er:
Wenn ich mit so einem Dingen auf dem Bahnhof auftauche, dann hab ich sofort 'ne Traube an "Kunden" um mich rum, die alles Mögliche von mir wissen wollen.
Also zu Verspätungen, Anschlüssen, sonstigen Problemen.
Wenn ich denen dann erklären will, daß ich dazu nix weiß, sondern in den Zug muß, dann wirds geradezu gefährlich für mich!
Manche Leut wollen mich festhalten, verlangen brüllend Auskunft von mir, rasten regelrecht aus.
Er schleicht sich also inkognito über den Bahnhof in den Zug rein, versuchte durch die Menge nach vorn durchzulaufen.
Und erlebte dann, daß aufgebrachten Menschen in dem überfüllten Zug ihn nicht nach vorn durchlaufen lassen wollten.
Cool wie der eben (aus langjähriger Erfahrung) geworden ist, entgegnete er also so Leuten dann:
"Nu, laßt ihr mich nicht durch, dann fahren wir auch nicht ab".
Und blieb einfach bei denen stehen, die ihn nicht durchlassen wollten.
Wenn denn die geplante Abfahrtzeit verstrich (er zu diesen Leuten "Merkste jetze was?", ließen ihn die Leute doch durch.
Und er konnte losfahren. Na, nicht wirklich:
Er war ja nun zu spät dran, der Fahrplan/Gleisplan war nun schon gestört.
Er hatte zwar den Zugführerstand nun erreicht, sich hingesetzt - und mußte nun darauf warten, daß sein Zug in diese PLan-Störung hinein wieder zur Abfahrt frei gegeben würde.
Wegen dem zusätzlichen Warten, wurden dann einige der "Kunden" in den überfüllten Waggons etwas "närrisch", so beschrieb er es, schmuzelnd.
Führte ab und zu sogar zum Einsatz der Bundespolizei - was in solchen Fällen seine Abfahrt weiter verzögert hat - und zu noch mehr unzufriedenen Kunden führte...
Tja, soweit ein "Bericht aus der Provinz".
Ich weiß nicht, ob der Typ in Details vielleicht übertrieben hat, da ich die Bahn (auch die Regionalbahnen) seit Jahrzehnten meide.
Und stattdessen mit dem Auto fahre.
Allerdings: Ich wohne nahe dem hiesigen Bahnhof am See, gehe aller par Tage durch dessen Unterführung. Und hab die völlig überfüllten Züge, das Gerammel auf den Bahnsteigen auch selbst beobachtet.
Mein Fazit:
- Das 9€-Ticket ist eingeführt worden, ohne drüber nachzudenken, was für Probleme es auslösen werden könnte - und dann auch hat.
- Jetzt noch eine Verlängerung/oder ein ähnliches Ticket zu fordern, ist wohlfeil.
Würde aber nur funzen, wenn man die verschleppten Probleme im ÖPNV endlich grundsätzlich angehen würde.
Das (falls man wirklich wollte), würde allerdings etwas länger dauern ;-)
Finally:
Die hier propagierte "positive Bilanz" ist aus meiner Sicht ein Fake.
Vielleicht für Großstadtmenschen nicht so leicht erkennbar.
Für Kleinstadt-Bewohner wie mich allerdings schon.
Das einzig Postitive, was ich dem Artikel abgewinnen konnte, war die Erwähnung deer vom ÖPNV weitgehend abgehängten "Landbewohner".
Dem muß ich allerdings hinzufügen (so leid es mir tut):
Die mir bekannten "Landbewohner" glauben nicht daran, daß sie jemals bezahlbaren ÖPNV in die nächste Kreisstadt bekommen werden.
Und werden ihre privaten Autos, so lang irgend möglich behalten.
Selbst wenn bezahlbarer ÖPNV für sie verfügbar sei.
Schon deshalb, weil die ihre Autos für alles Mögliche gebrauchen, also nicht nur für die Fahrt in die Kreisstadt zum irgendwas Einkaufen.
Der private PKW ist für diese Leute (und auch mich) nebst der Anmerkung im vorherigen Satz, ein Inbegriff von Freiheit, Unabhängigkeit in Bezug auf einen übergriffigen Staat.
Ich weis nicht, ob "grüne" Großstadtmenschen, Journalierende (die Schnittmenge ist groß), so eine Einstellung überhaupt noch nachvollziehen können?
Filzlausi