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  • Michael Boettcher

mehr als 1000 Beiträge seit 18.07.2000

nö Herr Neuber

Werter Herr Neuber,

die derzeitig Bundesregierung macht gewiß viele Fehler, wie übrigens auch die Vorgängerregierungen. Aber dass sie quasi Schuld an den schlechten PISA-Ergebnissen ist, ist ziemlich weit her geholt. Wenn ein Schüler heute in der 8. Klasse des Gymnasiums (!) in der Überschrift einer Arbeit im Geschichtsunterricht „Gesichs Arbeit“ schreibt, dann hat das erkennbare Unvermögen des Schülers sich schriftlich auszudrücken nichts mit der Politik im Bund zu tun, aber viel mit der Schulpolitik der letzten Jahre und dem, was das Lehrpersonal von der eigenen Aufgabe hält. Hier in Hamburg hat man in der Schulbehörde noch vor wenigen Jahren die hirnrissige These vertreten, man könne lesen lernen, in dem man schreibt, wie man möchte. Regeln? Aber nicht doch, die könnten den Erwerb von „Lesekompetenz“ behindern. Leider blieb es nicht bei der Idee, man hat das gelebt. Nach meinem Verständnis hätte der betreffende Schüler gar nicht in der 8. Klasse eines Gymnasiums sitzen dürfen, und das nicht nur wegen seiner Probleme beim Schreiben.

Es trifft auch nicht zu, dass der Bund während der Pandemie die Befehle für Schulschließungen gegeben hätte. Das haben die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, sich in neuer Machtfülle sonnend, selbst veranlasst. Hier nebenbei besonders lang! Die Bundesbildungsministerin ist ein netter Posten zur Versorgung altgedienter Parteimitglieder, auf Länderebene zählt sie nicht, der Einfluß liegt bei Null. Das mag die jeweilige Amtsinhaberin wortreich anders darstellen, ändert aber nichts an den Tatsachen. Die Koalition im Bund darf natürlich gern Ausgabesteigerungen für Bildung beschließen, sie muss ja mangels Kompetenz nicht liefern. Tut sie ja selbst an Stellen, an denen es geht, z.B. beim Glyphosat nicht. Dass Schulpolitik im Förderalismus besonders gut funktioniert, behauptet wohl keiner. Wenn ich die Ressortinhaber dieser und vergangener Bundesregierungen Revue passieren lasse, komme ich aber nicht einmal ansatzweise zur Vermutung, der Bund oder sein stärkeres Engagement würde die Situation verbessern. Und ja, die Bundesregierung streicht auch Förderprogramme. Das wird, nachdem sich ein Ende ständiger Schattenhaushalte geradezu aufdrängt, wohl so weiter gehen. Oder erwarten Sie von einem Finanzminister, dem zwei Nobelpreisträger attestieren, er mache Finanzpolitik von vorgestern, etwas anderes zu? „Sondervermögen“ für die Hochrüstung zu etablieren ist einfach eine bessere Basis für die spätere Verwendung als Lobbist für die Industrie als Kohle für Bildung und Sozialgedöns auszugeben.

Sie sehen die jetzige Bundesregierung auch in der Verantwortung, weil sie auf „den migrationsbedingten hohen Ausländeranteil in Schulklassen nicht hinreichend reagiert“ hat. Nun ist die massive Einwanderung ja nicht erst gestern oder 2022 über uns hereingebrochen. Die an der Regierung beteiligten Ampel-Parteien haben daran aber keinen höheren Anteil als die anderen Parteien, die in der Vergangenheit die Regierungen maßgeblich stellten. Das stellt Verantwortung aller Parteien nicht in Abrede. Aber was hätte die neue Regierung denn in den zwei Monaten bis zum Ausbruch des Krieges 2022 denn tun sollen bzw. können? Hexen? Den Krieg verhindern konnten sie ja nicht, wollten es aber wohl auch gar nicht.

Sie schreiben „Fast eine Million Flüchtlinge aus Syrien sind nach Deutschland gekommen, dann kamen eine weitere Million Ukrainer.“ Sollten Sie damit die Verantwortung dafür bei unserer Regierung sehen, stimme ich Ihnen gern zu. Allerdings mit der Anmerkung, dass dies einerseits auch wiederum die Vorgängerregierungen umfasst, die sich allesamt als willige. Erfüllungsgehilfen einer kriegerisch operierenden Supermacht verstanden. Man hat sehenden Auges die Welt an mehreren Punkten mit in Brand gesetzt und darf sich dann m. E. nicht wundern, wenn davon Betroffene die Flucht ergreifen. Dass die nun ausgerechnet zu den Brandstiftern kommen, - hören Sie einfach mal zu, wenn unsere Außenministerin den Mund aufreißt, - ist halt ein Treppenwitz; es trifft ja keinen Unschuldigen.

M. Boettcher

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