Mikal schrieb am 19.10.2018 16:48:
Irwisch schrieb am 18.10.2018 09:21:
Um die angebliche Gefahr des Sozialismus zu verdeutlichen, zitierte Hayek Alexis de Tocqueville : »Die Demokratie dehnt die Sphäre der individuellen Freiheit aus, der Sozialismus dagegen schränkt sie ein. Die Demokratie erkennt jedem einzelnen seinen Eigenwert zu, der Sozialismus degradiert jeden einzelnen zu einem Funktionär der Gesellschaft, zu einer bloßen Nummer.« Das ist natürlich völliger Humbug,Sehe ich auch so. Vor allem deshalb, weil Demokratie eine Regierungsform (Herrschaftsform) ist, und Sozialismus eine Wirtschaftsform (Verteilung von Gütern). Kurz: Das Gegenteil von Demokratie ist nicht Sozialismus. Genau so wenig, wie das Gegenteil der Diktatur Kapitalismus ist.
Volltreffer! Dieses Argument ist mir beim Verfassen meines Beitrags leider nicht eingefallen. Sie haben damit natürlich vollkommen recht, auch wenn ich eher darauf hinauswollte, daß bis heute nirgendwo Kommunismus oder Sozialismus als gesellschaftsstrukturierende Wirtschaftsform jemals umgesetzt wurde und wir daher gar nicht wissen können, wie sich Menschen in einem echten kommunistischen System verhalten würden. Der vermeintliche Antagonismus zwischen Demokratie und Sozialismus bildet gewissermaßen ein Mausfeld'sches Framing, das zu diesenm kategorischen Irrtum verführt, allein schon deshalb, weil beide Begriffe, Sozialismus und Kommunismus, längst hochgradig negativ konnotiert und damit verseucht sind.
Mikal schrieb am 19.10.2018 16:48:
Was wäre mit demokratischem Sozialismus? Und wieso scheitern Diktaturen, auch, wenn sie kapitalistisch ausgelegt sind?
Meinen Erkenntnissen nach kann es keine menschenfreundliche, der Lebensweise des eigentlichen Menschen adäquate Gesellschaftsform gegen, die ohne breit gelebte demokratische Verhaltensweisen auskommt. Hans-Joachim Maaz hat das in einem Vortrag sehr deutlich gemacht:
Wenn ich die gegenwärtige Demokratie auch als eine normopathische Gesellschaft beschreibe und begreife, dann ist es ganz wichtig, daß man die großen Werte einer demokratischen Gesellschaft – also Demokratie an sich, aber auch Freiheit und Liberalität – nicht nur als äußere Werte begreift, sondern eben auch als innerseelische Fähigkeiten und Möglichkeiten, die natürlich eingeengt sind, wenn wir selbst Störungen haben – wenn wir in der Folge der aufgezählten Selbststörungen eben nicht zum demokratischen, zum freiheitlichen und liberalen Verhalten innerseelisch in der Lage sind.
Er meint damit, daß wir alleine schon deshalb, weil wir bereits in frühester Kindheit dazu genötigt werden, unerwünschte Selbstanteile abzuspalten, zu einer inneren Demokratie nicht fähig seien. Arno Gruen bestätigt das, indem er darauf hinweist, wie es kommt, daß wir häufig das im Anderen bekämpfen, was wir bei uns selbst tief vergraben haben und an uns selbst ablehnen. Ein gutes Beispiel dafür sind homosexuelle Funktionsträger, die ihre Homosexualität nur heimlich ausleben und öffentlich gegen Homosexuelle vorgehen.
https://www.youtube.com/watch?v=tJlZNmqMcD4
https://www.youtube.com/watch?v=CF32CpEqwkE
Das Script dazu habe ich selbst angefertigt. Der ursprüngliche Link zu dieser Version des Vortrags funktioniert leider nicht mehr, da YouTube das Video entfernt hat, weil "das mit diesem Video verknüpfte YouTube-Konto gekündigt wurde." Dadurch ist mein Script nicht ganz den beiden oben verlinkten Vorträgen adäquat. Macht aber nichts: Nachdem ich mir beide Versionen angeschaut hatte, wußte ich, daß Maaz dort im großen & ganzen dasselbe gesagt hatte. Zur Sicherheit habe ich das ursprüngliche Video, aus dem ich die Worte von Maaz eigenhändig abgetippt habe, hier auf der Festplatte.
irwish.de/pdf/Maaz-Das_falsche_Leben_Vortrag.pdf
Bei Interesse lesen Sie vielleicht auch dieses Buch von Maaz:
Hans-Joachim Maaz: Die narzisstische Gesellschaft – Ein Psychogramm
irwish.de/pdf/Maaz-Narzisstische_Gesellschaft.pdf
Mikal schrieb am 19.10.2018 16:48:
Meine Zustimmung zu Deinen Ausführungen. Ich lese Deine Beiträge sehr gerne. Immer sehr gehaltvoll und mit interessanten Quellen gespickt. Thx.
Ich danke Ihnen für ermutigenden Worte, die mir zusammen mit den zwar seltenen, dafür aber umso wertvolleren Anerkennungen durch diverse Telepolis-Leser die Energie vermitteln, um damit weitermachen zu können. Menschen wie Sie bewahren mich davor, in die Haltung der erlernten Hilflosigkeit und Ohnmacht zurückzufallen, die man im Grunde bei fast allen Bewohnern moderner Industrienationen vorfindet, auch wenn die gewöhnlich rein gar nichts davon ahnen.
Martin E. P. Seligman: Erlernte Hilflosigkeit – Über Depression, Entwicklung und Tod
Eine der mit Abstand am häufigsten von meinem Server heruntergeladenen PDF-Dateien:
irwish.de/pdf/Seligman-Hilflosigkeit.pdf
Die Bücher von Arno Gruen finden Sie dort:
irwish.de/Site/Biblio/ArnoGruen.htm
Auch Erich Fromm hatte zu dieser umfangreichen Thematik des falschen Lebens in einer kranken Gesellschaft ausführlich und zahlreich veröffentlicht:
irwish.de/Site/Biblio/Fromm.htm
Zu guter Letzt möchte ich in diesem Zusammenhang auch auf Gerald Hüther hinweisen, der quasi ins selbe Horn bläst. Seine Vorträge sind leicht bei YouTube zu finden.