junge Welt vom 16.06.2004
Inland
Fünf Euro wegen Sitzblockade
Niederlage der Staatsanwaltschaft im Prozeß gegen Kriegsgegner in
Frankfurt/Main
Reimar Paul
Zu einer Geldbuße von jeweils fünf Euro hat das Amtsgericht
Frankfurt/ Main fünf Kriegsgegner verurteilt, die sich während des
IrakKriegs an einer Sitzblockade vor der US-Airbase Rhein/Main
beteiligt hatten. Die Staatsanwaltschaft hatte in dem Verfahren
Geldstrafen zwischen 375 und 1 750 Euro gefordert. Die Initiative
»resist the war« sprach am Dienstag denn auch von einem »großen
politischen Erfolg« und einer Niederlage für die Anklagebehörde.
Die Staatsanwaltschaft wollte eine Verurteilung der Angeklagten wegen
Nötigung (§ 240 Strafgesetzbuch) erreichen. Das lehnte Amtsrichter
Rupp ab. Er bezog sich dabei auf ein Urteil des
Bundesverfassungsgerichtes von 1995. Danach ist bei friedlichen
Sitzblockaden der Tatbestand der Gewalt nicht erfüllt. Außerdem
konnte Rupp in dem Verhalten der Kriegsgegner kein sozial- oder
rechtswidriges Handeln erkennen, was Voraussetzung für eine Nötigung
sei.
In seiner Urteilsbegründung gestand Rupp den Kriegsgegnern sogar zu,
sie hätten in ihren Einlassungen zu Recht von einem
völkerrechtswidrigen Krieg gesprochen. Obendrein sei versucht worden,
den nicht gerechtfertigten Krieg mit Halbwahrheiten und Unwahrheiten
zu verkaufen, so der Richter.
Die von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafbefehle hatte Rupp
zunächst nicht unterzeichnet. Daraufhin setzte die Anklage beim
Landgericht die Eröffnung einer Hauptverhandlung durch. Wenn Rupp die
Beschuldigten schon nicht wegen des Nötigungsvorwurfs bestrafen
wolle, müsse er den Prozeß zumindest in ein
Ordnungswidrigkeitsverfahren überführen, lautete die Argumentation
der Staatsanwaltschaft.
Rupp erklärte in der Verhandlung, die Staatsanwaltschaft habe das
Ordnungswidrigkeitsrecht als Hebel benutzt, um ihn zu einer
Verurteilung zu drängen. Am liebsten, sagte Rupp, hätte er auch das
Ordnungswidrigkeitsverfahren eingestellt. Da dies ohne Zustimmung der
Staatsanwaltschaft in einer Hauptverhandlung jedoch nicht möglich
sei, habe er eine »symbolische Verurteilung« der Angeklagten
vorgenommen.
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Adresse: http://www.jungewelt.de/2004/06-16/016.php
Inland
Fünf Euro wegen Sitzblockade
Niederlage der Staatsanwaltschaft im Prozeß gegen Kriegsgegner in
Frankfurt/Main
Reimar Paul
Zu einer Geldbuße von jeweils fünf Euro hat das Amtsgericht
Frankfurt/ Main fünf Kriegsgegner verurteilt, die sich während des
IrakKriegs an einer Sitzblockade vor der US-Airbase Rhein/Main
beteiligt hatten. Die Staatsanwaltschaft hatte in dem Verfahren
Geldstrafen zwischen 375 und 1 750 Euro gefordert. Die Initiative
»resist the war« sprach am Dienstag denn auch von einem »großen
politischen Erfolg« und einer Niederlage für die Anklagebehörde.
Die Staatsanwaltschaft wollte eine Verurteilung der Angeklagten wegen
Nötigung (§ 240 Strafgesetzbuch) erreichen. Das lehnte Amtsrichter
Rupp ab. Er bezog sich dabei auf ein Urteil des
Bundesverfassungsgerichtes von 1995. Danach ist bei friedlichen
Sitzblockaden der Tatbestand der Gewalt nicht erfüllt. Außerdem
konnte Rupp in dem Verhalten der Kriegsgegner kein sozial- oder
rechtswidriges Handeln erkennen, was Voraussetzung für eine Nötigung
sei.
In seiner Urteilsbegründung gestand Rupp den Kriegsgegnern sogar zu,
sie hätten in ihren Einlassungen zu Recht von einem
völkerrechtswidrigen Krieg gesprochen. Obendrein sei versucht worden,
den nicht gerechtfertigten Krieg mit Halbwahrheiten und Unwahrheiten
zu verkaufen, so der Richter.
Die von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafbefehle hatte Rupp
zunächst nicht unterzeichnet. Daraufhin setzte die Anklage beim
Landgericht die Eröffnung einer Hauptverhandlung durch. Wenn Rupp die
Beschuldigten schon nicht wegen des Nötigungsvorwurfs bestrafen
wolle, müsse er den Prozeß zumindest in ein
Ordnungswidrigkeitsverfahren überführen, lautete die Argumentation
der Staatsanwaltschaft.
Rupp erklärte in der Verhandlung, die Staatsanwaltschaft habe das
Ordnungswidrigkeitsrecht als Hebel benutzt, um ihn zu einer
Verurteilung zu drängen. Am liebsten, sagte Rupp, hätte er auch das
Ordnungswidrigkeitsverfahren eingestellt. Da dies ohne Zustimmung der
Staatsanwaltschaft in einer Hauptverhandlung jedoch nicht möglich
sei, habe er eine »symbolische Verurteilung« der Angeklagten
vorgenommen.
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