Einen Moment lang schämte ich mich. Nicht weil meine sonst gefärbten Haare jetzt grau waren und ich dies nicht mochte. Auch nicht weil ich wieder drei Pickel mehr hatte trotz meines Alters und ich wegen der paar Schuhe, die wir uns leisten konnten, die Hanfschuhe zu dem Hanfkleid trug und natürlich auf Ohrringe etc. verzichtet hatte weil diese entweder aus Ausbeuterbetrieben stammten oder aber die Erde ausbeuteten.
Nein, es war die Dusche, die dazu führte, dass ich mich schämte. Aber ich beschloss, zunächst nichts zu sagen und ging ins Wohnzimmer. Es war schwer gewesen, den Ökostrom zu zahlen am Anfang, aber wir konnten uns ja einschränken. Wir duschten nur 2mal pro Tag und ganz kurz, wir verzichteten auf Plastik, Fernseher, PC usw. wurden nur noch dann genutzt, wenn es unumgänglich war und auch, was die Ernährung anging, hatten wir uns angepasst.
Anfangs fehlte uns Zucker - raffinierter Zucker war nicht okay, Vollrohrzucker war erst durch Ausbeutung günstiger, Agavendicksaft führte eher fatalen Problemen dort, wo Agaven wuchsen... wir hatten also wieder Apfelbäume und Birnbäume gepflanzt und nutzten deren Dicksaft. Auch hatten wir auf alles Exotische verzichtet und aßen wieder regional - auch wenn ich anfangs manch Würzpaste, Obst oder ähnliches vermisste, es war Gewöhnungssache. Wir kochten natürlich auch selbst. meist gleich für drei Tage damit wir nicht so lange den Herd an ließen.
Wir waren glücklich. Anfangs vielleicht nicht, aber wir gewöhnten uns daran, an alles eben. Wir gewöhnten uns daran.
Ich ging ins Wohnzimmer und nahm das alte Glas in die Hand. Meine Frau hatte etwas Perlendes hineingefüllt und ich sah sie vorwurfsvoll an. "Selbstgemachter Kombucha. Stammt aus der 39. Generation des Kombucha-"Pilzes", den wir haben. Wenig Alkohol."
Trotzdem war ich nicht wirklich zufrieden mit ihr. Das ging doch besser! Dieses komische Gefühl in mir wirkte wie diese Perlen in dem Kombucha. Und meine Frau sah mich seltsam an, das merkte ich.
Sie hatte das Essen in einem Körbchen warmgehalten damit nichts zu kalt war bis ich kam. Wir aßen natürlich vegan und biologisch. Und während ich die Möhren (leicht mariniert in dem Apfeldicksaft und selbstgemachten Essig) aß, wuchs in mir dieses Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung war. Es wurde immer stärker. Und ich wusste, _sie_ sah mich an, sie wusste es. Vielleicht würde sie es weitererzählen, wie stünde ich dann da? Ich war hier durchaus nicht irgendeiner, ich war jemand, der wirklich auf vieles achtete, der sich einsetzte, ich war nicht egoistisch, ich kümmerte mich um die Gesellschaft, um alle. Warum also schaute sie mich so an?
Als zweiten Gang gab es einen Nussbraten mit selbstgemachter Tomatensauce und ich schaute sie an als sie mir den Nussbraten auf den Teller schob, die Tomatensauce dazugab und das alles mit etwas selbstgezogenem Basilikum verzierte. Und da war es. Basilikum? Im Dezember?
Ich riss an ihrer Hanfkleidung und schrie sie an, schrie immer lauter. Basilikum? Wirklich? Sie wimmerte etwas von "selbstgezogen in der Küche", aber wäre ein anderes Kraut nicht auch möglich gewesen, ganz ohne diese Wasser- und Lichtverschwendung?
"Und ich weiß, dass du weißt, dass ich heute 2 Minuten zu lang geduscht habe!" schrie ich und sah, wie sie still wurde.